2002-232 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Antwort des Regierungsrates zur Interpellation von Eric Nussbaumer: Bedarfsgerechtigkeit als wichtige Strategie in der Spitalplanung ( 2002 / 232
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vom:
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5. November 2002
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Nr.:
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2002-232
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Bemerkungen:
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Acrobat (PDF):
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Vorlage
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Am 19. September 2002 hat Landrat Eric Nussbaumer eine Interpellation mit folgendem Wortlaut eingereicht:
"Art. 39 KVG verlangt von den Kantonen die "Planung für eine bedarfsgerechte Spitalversorgung". Voraussetzung dafür ist eine "bedarfsgerechte Plazierung" von PatientInnen in Akutspitälern, Rehabilitationskliniken, Pflegeheimen und die die Sicherstellung des Grundsatzes "soviel ambulant wie möglich und soviel stationär wie nötig". Nur solche PatientInnen sollen in den Kantonsspitälern hospitalisiert werden, die tatsächlich auf eine Akutversorgung angewiesen sind. Ferner dürfen sie hier auch nur so lange hospitalisiert sein, wie dies tatsächlich der Fall ist. Andernfalls haben die PatientInnen Bedarf an einer Rehabilitationsklinik oder an einem Pflegeheim. Oder sie können ambulant durch den Hausarzt oder einen niedergelassenen Spezialisten behandelt bzw. durch den Spitex-Dienst behandelt werden. Ziel ist die Vermeidung von "Fehlplazierungen".
Wegen der demografischen Entwicklung ("Überalterung") im Kanton Basel-Landschaft ist diesen Fragen besonderes Augenmerk zu schenken. Es könnten dadurch wichtige Verlagerungsprozesse vom Akut- in den Reha- und Pflegebereich nötig werden.
Wir bitten deshalb den Regierungsrat, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:
1.
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Sind alle heute in den Kantonsspitälern hospitalisierten PatientInnen nachweisbar auf eine stationäre Behandlung angewiesen, indem sie nicht ambulant betreut werden können? Haben alle heute in den Kantonsspitälern auf den Akutabteilungen hospitalisierten PatientInnen nachweisbar Bedarf an einer akutmedizinischen anstatt an einer rehabilitationsmedizinischen und langzeitpflegerischen Versorgung?
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2.
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Wer definiert heute in den Kantonsspitälern, welche PatientInnen Bedarf entweder an Rehabilitation oder aber an Langzeitpflege haben? Wer meldet was an wen? Wer ist damit letztlich für die Plazierung nach Abschluss der Akutversorgung zuständig? Wie funktioniert die notwendige Kooperation zwischen den an der Plazierung beteiligten Stellen?
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Ich bitte den Regierungsrat um eine schriftliche Beantwortung."
I. Allgemeine Bemerkungen
Die gestellten Fragen sollen aus Gründen der Anschaulichkeit anhand des Beispiels des Kantonsspitals Liestal beantwortet werden. Die Aussagen lassen sich in der Regel auch auf die Situation an den anderen Kantonsspitälern übertragen.
Seitens der Leistungserbringer und hier in zunehmendem Masse durch die Spitäler, muss dem ökonomischen Faktor bei der Patientenversorgung Rechnung getragen werden. Die Knappheit der Mittel und der Druck zum Sparen veranlassen die Verantwortlichen der Spitäler bereits seit Jahren, zusammen mit den Partnern im regionalen Gesundheitswesen, neue Wege zu gehen, die eine angemessene medizinische Versorgung - ambulant und/oder stationär - gewährleisten und gleichzeitig Umwege, Doppelspurigkeiten und unnötige oder zu lange Hospitalisationen vermeiden helfen. Zu nennen sind am Beispiel Kantonsspital Liestal
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Tagesklinik
In der Tagesklinik werden Patienten betreut resp. behandelt, die für operative Eingriffe, spezielle Infusionen, Eigenblutspenden u.v.m. am Morgen eintreten und bereits am Mittag bis späteren Nachmittag nach ausreichender Versorgung das Spital wieder verlassen können. |
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Wochenstation
Die interdisziplinäre Wochenstation wurde für Kurzzeitbehandlungen eingerichtet. Patienten kommen für geplante Eingriffe und verlassen das Spital nach zwei bis maximal fünf Tagen, jedoch spätestens am Freitagnachmittag. Am Wochenende ist die Station geschlossen. |
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Post-op-Programm der chirurgischen Disziplinen für definierte Eingriffe
Ambulante Abklärung durch den Chirurgen, Voruntersuchungen beim Hausarzt, Eintritt am Operationstag |
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Dienstleistungszentren für die interdisziplinäre Zusammenarbeit
Beispiele: - Gefässsprechstunde: Angiologe, Radiologe und Chirurg legen gemeinsam den Behandlungspfad fest. - Tumorsprechstunde: alle Spezialisten kommen an einen Tisch und vereinbaren zusammen mit dem Patienten die spezifische Tumorbehandlung. |
II. Beantwortung der Fragen
1. Sind alle heute in den Kantonsspitälern hospitalisierten PatientInnen nachweisbar auf eine stationäre Behandlung angewiesen, indem sie nicht ambulant betreut werden können? Haben alle heute in den Kantonsspitälern auf den Akutabteilungen hospitalisierten PatientInnen nachweisbar Bedarf an einer akutmedizinischen anstatt an einer rehabilitationsmedizinischen und langzeitpflegerischen Versorgung?
Das Spital bemüht sich Patienten nur dann stationär aufzunehmen, wenn die Hospitalisation indiziert ist. Die häufigsten Gründe für eine stationäre Aufnahme auf der Medizin sind:
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Lebensbedrohlicher Zustand (z.B. Herzinfarkt, Bewusstlosigkeit, Rhythmusstörung, Blutung aus Gastrointestinaltrakt, Sepsis, Schock etc.)
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Notwendigkeit einer intravenösen Behandlung (z.B. Chemotherapie, Antibiotika)
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Schlaganfall mit Notwendigkeit der Blutdruck- und Bewusstseinskontrolle und der Physio-, Logo- und Ergotherapie
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Abklärungen bei komplexen Krankheiten oder schlechtem Allgemeinzustand
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Plötzlicher oder allmählicher Verlust der Selbständigkeit (Pflegebedürftigkeit ohne Möglichkeit der Betreuung durch Spitex und Familie) zum sogenannten "geriatrischen Assessement" und zur Organisation der weiteren Betreuung (Spitex, Pflegeheim).
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Die meisten Hospitalisationen werden von praktizierenden Ärzten veranlasst. Bei den direkt mit der Ambulanz eingewiesenen Patienten handelt es sich in der Regel um echte Notfälle (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Bewusstlosigkeit).
Patientinnen und Patienten, die spontan ausserhalb der Öffnungszeiten der Hausarzt-Praxen das KSL aufsuchen, werden in der Regel ambulant auf der Notfallstation abgeklärt und behandelt. Die Bemühungen um eine Reduktion der Hospitalisationen sind aus den im Jahresbericht publizierten Zahlen ersichtlich:
Stationäre Patienten ganzes KSL
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Durchschnittl. Aufenthaltsdauer in Tagen ganzes KSL
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Ambulante Notfälle der Med. Universitätsklinik
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1994
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9'822
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12,7
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1'752
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1995
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9'959
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12,1
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1'567
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1996
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10'098
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12,0
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1'550
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1997
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10'321
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11,5
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1'813
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1998
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10'881
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11,1
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1'993
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1999
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11'371
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10,3
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2'077
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2000
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11'654
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9,9
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3'250
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2001
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11'944
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9,6
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3'266
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2002
(Jan-Sept) |
9'142
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9,8
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Die tabellarische Darstellung zeigt, dass die Zahl der stationären Patientinnen und Patienten in 8 Jahren um 22 % von 9'822 (1994) auf 11'944 (2001) zugenommen hat. In der gleichen Zeit hat die Aufenthaltsdauer im Durchschnitt von 12.7 Tagen auf 9.6 Tage um 26 % abgenommen. Daraus folgt, dass trotz immer höherem Anteil von Betagten in der Bevölkerung die Pflegetage konstant gehalten, ja sogar leicht gesenkt werden konnten (von 120'167 im Jahre 1994 auf 114'654 im Jahre 2001).
Diese Bemühungen um eine Vermeidung von Hospitalisationen zeigt sich auch an der Zunahme der ambulant behandelten Patienten auf der Medizinischen Notfallstation: In den letzten 8 Jahren ergibt sich eine Zunahme von 1'752 (1994) auf 3'266 (2001) Patientinnen und Patienten, was einer Steigerung von 86% entspricht. Diese Zunahme von ambulanten Patienten ist nicht selbst generiert, da es sich um Patienten handelt, welche entweder von Hausärzten zugewiesen werden oder meist spontan die Notfallstation aufsuchen.
Der Vergleich dieser Zahlen belegt, dass in den letzten Jahren die grossen Bemühungen zur Reduktion fragwürdiger Hospitalisationen sehr erfolgreich waren.
Am KSL werden beinahe ausschliesslich Patienten mit Akutspitalbedürftigkeit hospitalisiert. Bei Patienten mit Schlaganfall wird die Frührehabilitation sofort nach dem Krankheitsereignis eingeleitet und der Patient in einer Rehabilitationsklinik angemeldet, sobald der Zustand in punkto vitaler Funktionen stabil ist. Ähnliches gilt für orthopädische Patienten mit komplexen Infektionsproblemen.
Auch betagte Patienten, welche wegen fehlender Selbständigkeit nicht mehr nach Hause können, werden in den ersten Tagen via Sozialdienst in einem Pflegeheim angemeldet. Bis ein entsprechender Platz verfügbar ist, besteht dennoch erfahrungsgemäss eine gewisse Wartezeit. Für diese Übergangszeit wurden per 1. Januar 2002 13 sogenannte "Wartebetten" von der Spitalliste BL auf die Pflegeheimliste umgegliedert. Die effektive Belegung durch Langzeitpatientinnen und -patienten hängt in wesentlichem Ausmass von der Verfügbarkeit von Pflegeheimplätzen ab, welche auf Grund des Gesetzes vom 10. April 1997 über die Änderung der Gemeindebeiträge den Gemeinden übertragen wurde. Aus diesem Grund ist diese Anzahl Wartebetten als Zielgrösse zu verstehen, von der die effektive Belegung abweichen kann. Keinesfalls sollen diese Wartebetten die Gemeinden davon dispensieren, die für ihre pflegebedürftigen Einwohnerinnen und Einwohner erforderliche Pflegestruktur bereit zu stellen, was angesichts der demographischen Entwicklung eine grosse Herausforderung darstellt.
2. Wer definiert heute in den Kantonsspitälern, welche PatientInnen Bedarf entweder an Rehabilitation oder aber an Langzeitpflege haben? Wer meldet was an wen? Wer ist damit letztlich für die Plazierung nach Abschluss der Akutversorgung zuständig? Wie funktioniert die notwendige Kooperation zwischen den an der Plazierung beteiligten Stellen?
Die Definition "Akutpatient", "Rehabilitationspatient" oder "Langzeitpatient" ist eine der Kernaufgaben der betreuenden Ärzte (Assistenzarzt, Oberarzt, Chefarzt). Diese Frage wird auf jeder Arztvisite zusammen mit dem Pflegepersonal und den Therapiediensten erörtert. Bei Patienten mit neurologischen Leiden (z.B. Schlaganfall) wird in der ersten Hospitalisationswoche ein Planungsgespräch (Ärzte, Pflege, Therapien) geführt und in der Regel eine Woche später die endgültige Entscheidung (Entlassung nach Hause, Verlegung in Reha-Zentrum, Verlegung in Pflegeheim) getroffen. Diese wird dem Sozialdienst mitgeteilt, welcher sich um die Plazierung kümmert. Alle Plazierungen werden von den erwähnten Diensten (Ärzte, Pflege, Therapien) entschieden und vom Sozialdienst umgesetzt.
Liestal, den 5. November 2002
Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin:
der Landschreiber:
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