2002-214 (1)


1. Vorlage
Am 7. Mai 1998 wurde die formulierte Gesetzesinitiative "Für eine kostengerechte Vergütung von Solarstrom" (Baselbieter Solarinitiative) bei der Landeskanzlei mit folgendem Wortlaut eingereicht:
Ergänzung des Energiegesetzes vom 4. Februar 1991 durch einen neuen § 13a:

§ 13 a Übernahme von Solarstrom
1 Wer Solarstrom ins Netz einspeist, erhält vom lokal ansässigen Elektrizitätswerk eine kostendeckende Vergütung
2 Die kostendeckende Vergütung berechnet sich nach einer Standardanlage, die den neuesten Stand der Technik und eine kaufmännische Rechnungslegung berücksichtigt.
3 Die Mehrkosten, die den Elektrizitätswerken durch die kostendeckende Vergütung entstehen, werden auf den Strompreis für alle Kundinnen und Kunden umgelegt.
4 Die kostendeckende Vergütung wird gewährt, solange die Mehrbelastung des mittleren Konsumentenstrompreises 0,5 Rp. Pro kWh nicht übersteigt.

Ziel der Solarinitiative ist es, den Rückgang in der Solarstromproduktion aufzuhalten, der als Folge des Fördermassnahmenstopps entstand.
Für die Baselbieter Regierung ist die Förderung von Alternativenergien nach wie vor ein wichtiges Anliegen. Deshalb will sie die Solarinitiative nicht ohne Gegenvorschlag dem Volk vorlegen. Denn nach der Ablehnung der eidgenössischen Solarinitiative musste auch im Baselbiet muss befürchtet werden, dass die kantonale Solarinitiative das gleiche Schicksal erleiden würde.
Während die Initiative lediglich den Solarstrom berücksichtigt, will der regierungsrätliche Gegenvorschlag alle erneuerbaren Energien einbeziehen. Der Forderung der Initiative, dass alle Strombezüger zusätzlich bis 0.5 Rp. pro bezogene Kilowattstunde bezahlen müssen, stellt der Gegenvorschlag die Meinung entgegen, dass nur die Konsumenten von Alternativstrom diesen Betrag entrichten sollen und der Staat dabei unterstützend eingreifen kann. Ein wesentlicher Unterschied ist also, dass die Initiative angebotsorientiert, der Gegenvorschlag hingegen bedarfsorientiert ist. Wichtig ist zudem, dass der Staat über den Verpflichtungskredit bei Bedarf Korrekturen anbringen kann, etwa bei sinkender Nachfrage oder bei zu hoher Produktion. Der Regierungsrat ist der Meinung, dass der Gegenvorschlag weiter geht als die Initiative, indem er die Hauptanliegen der Initianten aufnimmt, dabei aber nicht nur die Photovoltaik fördert, sondern alle Formen von erneuerbarer Energie. Überzeugt ist die Regierung auch, dass der Gegenvorschlag im Gegensatz zur Initiative vor dem Volk bestehen kann.

Der Wortlaut des Gegenvorschlags:
Das Energiegesetz vom 4. Februar 1991 wird wie folgt geändert:

§ 13 Absätze 4 - 9
4 Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen vergüten den Elektrizitätserzeugerinnen und den Elektrizitätserzeugern die am Markt absetzbare erneuerbare Überschussenergie aus Anlagen bis 1 MW (Wasserkraftwerke bis zu einer Leistung von maximal 500 kW) kostendeckend.
5 Die kostendeckende Vergütung wird während der Abschreibungszeit der Anlagen garantiert. Dies gilt für Neuanlagen, für Anlagen, die bereits vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen eine kostendeckende Vergütung erhielten und für schon bestehende Anlagen, aus denen der produzierte Strom kostendeckend abgesetzt werden kann.
6 Der Regierungsrat bestimmt periodisch die Höhe der kostendeckenden Vergütung für jede Anlagenkategorie und regelt die Zubauleistung marktgerecht. Die kostendeckende Vergütung berechnet sich nach einer Standardanlage, die den neuesten Stand der Technik berücksichtigt.
7 Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen informieren jährlich über die Produktion und den Vertrieb der erneuerbaren Energien zur Stromproduktion.
8 Der Kanton BL kann bei Bedarf auf die Absatzentwicklung mittels flankierenden Massnahmen Einfluss nehmen, insbesondere über den Kauf von erneuerbarem Strom für seine eigenen Bauten und Anlagen, durch verkaufsfördernde Aktionen und die Einführung eines verkaufsstimulierenden Bonus-System.
9 Im Streitfall entscheidet der Regierungsrat.


2. Organisation der Beratung in der Kommission
Die Umweltschutz- und Energiekommission hat an ihren drei Kommissionssitzungen vom 9. Dezember 2002, 6. Januar und 14. April 2003 die Vorlage 2002/214 beraten. Bei der Beratung anwesend waren: RR Elsbeth Schneider, Generalsekretär Pascal Payllier, Alberto Isenburg, Vorsteher AUE, Peter Stucki, Leiter Fachstelle Energie. Angehört wurden zudem Thomas Fisch, AUE BS, Hauptabteilung Energie, Lukas Ott, Eric Nussbaumer und Hans Weber vom Initiativkomitee, Rita Kohlermann von der Handelskammer beider Basel und Thomas de Courten von der Wirtschaftskammer Baselland.

2.1 Anhörungen

2.1. a. Information über die Solarförderung Basel-Stadt
Thomas Fisch zeigte die Solarstromförderung im Kanton Basel-Stadt auf. 1983 führte Basel mit dem so genannten Solarrappen eine Förderabgabe ein. Zu Beginn lag die Förderabgabe bei 1.2 % des Strompreises für jeden Strombezüger, heute hat sie sich bei 4 % eingependelt. Diese jährliche Summe von 8.5 Millionen Franken wird als Beitrag zur Förderung der Energieeffizienz und der erneuerbaren Energien verstanden.
Zudem hat Basel-Stadt als erster Kanton per Energiegesetz eine Solarstrombörse eingeführt. Das Gesetz schreibt vor, dass die Netzbetreiberin (IWB) für die Einrichtung einer Solarstrombörse besorgt sein muss und sich gegenüber den Solarstromerzeugerinnen und -erzeugern vertraglich zur Abnahme von Solarstrom gegen eine kostendeckende Vergütung verpflichtet. Über die Verordnung werden die IWB verpflichtet, jährlich 300 kW zusätzlich zu kostendeckenden Preisen zu übernehmen. Dieses Jahreskontingent ist bis zum Jahr 2005 festgelegt. Nach dieser Frist kann der Regierungsrat für die nächsten Jahre ein neues Zubaukontingent der Börse festlegen.
Die Entwicklung der Solarstrombörse seit 2000 zeigt, dass die Bestellmenge und die produzierte Menge von Solarstrom gleichmässig anstiegen. Aktuell zählt die Solarstrombörse 24 Anlagen, die eine Leistung von 1'096 kW erbringen. Die Jahresproduktion liegt bei 900 MWh. Etwa 3700 Haushalte oder 3 % beziehen Solarstrom. Auf die gesamte Einwohnerzahl umgerechnet, bezieht jede Einwohnerin und jeder Einwohner etwa 5 kWh Solarstrom.
Basel kennt seit einigen Jahren zudem eine Lenkungsabgabe zwischen 2.6 und 6 Rappen auf Strom.

2.1.b. Initiativkomitee
Das Initiativkomitee ist nach wie vor von seinem Vorschlag überzeugt und hätte sich gewünscht, dass sich die Regierung hinter die Initiative stellt. Nach Auffassung der Initianten zeigten die Unwetterkatastrophen vom vergangenen Sommer in Deutschland einmal mehr, dass die menschliche Mitverantwortung am Klimawandel nicht zu bestreiten ist. Die neuen Phänomene weisen darauf hin, dass konsequentes, zügiges Handeln angesagt ist. Der CO2-Ausstoss ist zu reduzieren und das bedeutet, Abstand zu nehmen von den knapp werdenden fossilen Energieträgern und sie durch nachhaltige, erneuerbare Energien zu ersetzen. Technisch wäre die Energiewende längst machbar, nur die Politik ist noch nicht bereit. Die Solarinitiative wolle einen kleinen Impuls zur Energiewende leisten und für die Solarstromproduktion langfristig verlässliche Rahmenbedingungen schaffen. Sie unterstütze die kantonalen Ziele in den Bereichen Energie und Klimaschutz und wolle mit einer gesetzlichen Regulierung das Marktversagen im Energiebereich wirtschaftsverträglich korrigieren. Damit der Stromverkauf einen kostendeckenden Preis erhält, sollen sich alle Stromkonsumenten mit einem minimalen Beitrag beteiligen. Würde Baselland zum Beispiel einen jährlichen Zubau von 300 kW anstreben, ergäbe das einen Kostenanstieg von 0.017 Rappen. Die Initiative wolle eine Perspektive aufzeigen, welche die Frage, wie mit den Energieressourcen umzugehen ist, verantwortungsvoll beantwortet.
Am Beispiel der Solargenossenschaft Gugger-Sunne in Ettingen wurde dokumentiert, welchen Zick-Zack-Kurs die Subventionierung für die verschiedenen Anlagen in den letzten 10 Jahren gefahren ist. Ein solcher unberechenbarer Kurs verhindere eine sinnvolle Planung. Dazu bräuchte es konstante, verlässliche Rahmenbedingungen, wie sie die Initiative bieten könne.
Der regierungsrätliche Gegenvorschlag hingegen wolle die Markteinführung von Solarstrom und anderer erneuerbarer Energien einzig den Marktprinzipien von Angebot und Nachfrage unterwerfen. Dass dies keine genügende energiepolitische Strategie darstellt, hätten die weltweite Praxis und Studien längst bewiesen. Für das Initiativkomitee ist ein Rückzug der Initiative nur möglich, wenn ein verbindliches Mengenziel klar festgelegt wird.

2.1.c. Wirtschaftsvertretung
Sowohl die Handelskammer beider Basel als auch die Wirtschaftskammer Baselland lehnen die Solarinitiative ab, so wie sie die eidgenössischen Initiativen seinerzeit zur Ablehnung empfohlen hatten. Die Solarinitiative beschränke sich auf die Solartechnik, verteuere den Energiepreis und schwäche damit die Konkurrenzfähigkeit der Wirtschaft in der Region. Ausserdem berücksichtige sie die marktwirtschaftlichen Elemente nicht. Für die Handelskammer hat auch der Gegenvorschlag nicht allzu viele positive Aspekte. Die Wirtschaftskreise hätten sich beim CO2-Gesetz (Verminderung des CO2-Ausstosses um 10 % gegenüber 1990) verpflichtet, und arbeiteten gegenwärtig an Effizienzsteigerungs-, Einsparungs- und Ressourcenschonungsstrategien.
Die Wirtschaftskammer würde sich gegen die aktuelle Version des Gegenvorschlags nicht zur Wehr setzen. Der Gegenvorschlag dehne die kostendeckende Vergütung auf alle erneuerbaren Energien aus und übertrage die zusätzlichen Kosten jenen Konsumenten, die bereit seien, sie zu tragen. Damit werde der Gegenvorschlag marktgerechter und gebe der Regierung die Gelegenheit, am Markt mit stimulierenden Massnahmen einzugreifen, wobei das Parlament über die Verpflichtungskredite korrigierend eingreifen könne.
Die Handelskammer würde einen veränderten Gegenvorschlag (mit Mengenvorgabe) nicht unterstützen, die Wirtschaftskammer möchte bei einer allfälligen Änderung den Entscheid über die Fördermassnahmen im Rahmen der Gesamtrevision des Energiegesetzes treffen.

2.2. Kommissionsberatung
Eintreten auf die Vorlage war unbestritten.
In der Kommissionsberatung wurde anerkannt, dass die Regierung mit einem Gegenvorschlag den Willen bekundet, erneuerbare Energien zu fördern. Positiv zu werten sei auch, dass im Gegenvorschlag im Gegensatz zur Initiative alle Arten von erneuerbaren Energien und nicht nur die Solarenergie berücksichtigt sind.
Dann aber zeichneten sich schon bald zwei Lager ab. Ein Teil der Solarinitiativebefürworter könnte sich allenfalls auch für den Gegenvorschlag einsetzen, aber nur, wenn von der Regierung ein klar definiertes Mengenziel festgelegt würde. Die Gegner der Initiative andererseits unterstützten den Gegenvorschlag nur in der jetzigen Form. Der Markt allein müsse entscheiden, ob mehr erneuerbare Energie produziert werden solle. Wenn die Regierung sich trotzdem für eine Zubauleistung entscheide, sei sie für den Absatz auch verantwortlich. Im übrigen würden schon heute von den EWs Quersubventionen getätigt.
Im Gegenvorschlag wurden zudem Widersprüche geortet: Im Absatz 4 von § 13 entscheiden die Elektrizitätswerke, was am Markt absetzbar ist, andererseits bestimmt die Regierung in Absatz 6 die Zubauleistung. Damit werde ein planwirtschaftliches Element ins Gesetz hineingeschmuggelt. Schliesslich müsse klar sein, ob der Markt oder die Regierung über die Menge entscheide.
Was mit dezentralen Anlagen geschieht, wenn ein Elektrizitätswerk eine eigene grosse Anlage baut - zum Beispiel eine Biogasanlage - und dabei allenfalls für Jahre der Markt gesättigt ist, konnte nicht abschliessend geklärt werden. Würde dann die Regierung wirklich eingreifen und eine Zubauleistung beschliessen - und dann selbst für den Absatz mittels Absatzförderungsmassnahmen oder für den eigenen Strombezug sorgen? Dies wurde als weiteres Argument aufgeführt, um im Gegenvorschlag die Festlegung eines jährlichen Mengenziels zu fordern (z.B. 300 kW, wie Basel-Stadt.

://:Die Umweltschutz- und Energiekommission spricht sich mit 7 zu 5 Stimmen gegen den Einbau eines Mengenziels in den Gesetzestext aus.

Energiegesetz; § 13 Absätze 4 bis 9
://: Die Umweltschutz- und Energiekommission stimmt dem vorliegenden unveränderten § 13 Absätze 4 bis 9 (Gegenvorschlag der Regierung) mit 7 zu 5 Stimmen zu.

Schlussabstimmung
://: Die Umweltschutz- und Energiekommission stimmt dem Landratsbeschluss 2002/214 mit 7 zu 5 Stimmen zu.

Zur weiteren Klärung des regierungsrätlichen Gegenvorschlags wurden der Kommission als Ergänzung zu den Erläuterungen auf Seite 10 der RR-Vorlage noch Zusatzerläuterungen geliefert, die diesem Bericht als Anhang beigelegt sind.


3. Antrag
Die Umweltschutz- und Energiekommission beantragt dem Landrat mit 7 zu 5 Stimmen, dem Landratsbeschluss betreffend die Gesetzesinitiative "für eine kostengerechte Vergütung von Solarstrom" (Baselbieter Solarinitiative) und über die Änderung des Energiegesetzes als Gegenvorschlag zuzustimmen. Das heisst, den Stimmberechtigten zu empfehlen, die Gesetzesinitiative (Solarinitiative) abzulehnen und den Gegenvorschlag anzunehmen.


Allschwil, 28. April 2003

Namens der Umweltschutz- und Energiekommission
Die Präsidentin: Jacqueline Halder
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