2002-334


1. Einleitung

Der Landrat überwies das Postulat 2000/187 am 30. November 2000 an den Regierungsrat. Es hat folgenden Wortlaut:


Der Regierungsrat wird beauftragt, sich im Flughafen-Verwaltungsrat und bei den Bundesbehörden dafür einzusetzen, dass mit den französischeln Behörden ein


Nachtrag 5 zum Anhang II des französisch-schweizerischen Staatsvertrags vom 4. Juni 1949 ausgehandelt wird mit folgendem Inhalt:


Es gilt ein striktes Start- und Landeverbot zwischen 22.00 und 06.00 Uhr.




Begründung


1. Bei der Volksabstimmung über die Ausbaukredite im Juni 1999 haben die Regierungen von BL und BS und die Verantwortlichen des Flughafens mehrfach betont und bekräftigt, man wolle lediglich einen regionalen Flughafen für die Bedürfnisse der trinationalen Region.


2. Das stetige und grenzenlose Wachstum des Flugverkehrs versetzt die Bevölkerung um den Flughafen in Angst. Das Beispiel von Zürich-Kloten steht als Schreckgespenst und Mahnmal vor aller Augen. Der Flughafen hat wiederholt seine Absicht gezeigt, dass er weiter wachsen will. Er plant einen Ausbau der Frachtanlagen und fasst bereits einen nächsten, dritten Ausbau ins Auge, den er dann mit eigenen Mitteln finanzieren will. Eine Spezialität des EAP sind die nächtlichen Flüge für die blühende Expressfracht. Bereits bestehen Pläne, die Kapazität am Boden auszubauen. Noch mehr Nachtflüge sind zu erwarten.


3. Die nächtlichen Starts und Landungen in der Einschlaf- und Aufwachzeit - zwischen 22.00 und 00.30 Uhr bewirken nach medizinischen Untersuchungen grosse gesundheitliche Schädigungen, vor allem bei Kindern.


Es muss möglich sein, mit organisatorischen und anderen Massnahmen die Zeit von 22.00 bis 06.00 von Starts und Landungen freizuhalten (vorbehalten sind einzig Rettungsflüge).


Ich erinnere daran, dass der Zürcher Regierungsrat kürzlich die gleiche Forderung für Zürich-Kloten erhoben hat.


Während der Debatte zur Überweisung ist dem Landrat bereits teilweise Bericht erstattet worden. Unter anderem ist dem Parlament die Argumente und ablehnende Stellungnahmen des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) und der damaligen Fluggesellschaft Crossair dargelegt worden. Der vorliegende Bericht vergleicht die Situation mit den beiden anderen Schweizer Landesflughäfen und französischen Flughäfen und zeigt mögliche Auswirkungen der geforderten Betriebseinschränkung auf.




2. Rechtslage


2.1. EuroAirport


Die Beteiligung und Einflussmöglichkeiten der Schweizer Seite auf den EuroAirport Basel-Mulhouse-Freiburg (EAP) werden im französisch-schweizerischen Staatsvertrag vom 4. Juli 1949 über den Bau und Betrieb des Flughafens Basel-Mülhausen festgelegt. Die Regelung der Nachtflüge ist eine Benützungsvorschrift im Sinne von Artikel 13 der Statuten (Anhang I) des Staatsvertrages. Für eine Änderung der Statuten ist ein zweistufiges Verfahren vorgesehen. Zuerst muss der paritätisch zusammengesetzte Verwaltungsrat mit einer Mehrheit von zwei Dritteln einer Statutenänderung zustimmen. Anschliessend bedarf es der Genehmigung durch die zuständigen französischen und schweizerischen Behörden. Zur Änderungen der Benutzungsvorschriften selbst (also ohne Änderung der Statuten) genügt eine einfache Mehrheit im Verwaltungsrat. Die Genehmigung der nationalen Luftverkehrsämter erfolgt in diesem Fall durch die Zustimmung ihrer Verwaltungsratsdelegierten.




2.2. Zürich-Kloten und Genf-Cointrin


Die Nachtflugsperre der beiden anderen Landesflughäfen, Zürich-Kloten und Genf-Cointrin, wird in einem Bundeserlass, der Verordnung über die Infrastruktur der Luftfahrt (VIL, SR 748.131.1), geregelt (Art. 39 und 39a VIL). Die Betriebsreglemente der Flughäfen können detailliertere Bestimmungen enthalten. Sie müssen aber im Rahmenbestimmungen der VIL bleiben. Für Zürich-Kloten könnte auch der Staatsvertrag mit der BRD einen Einfluss haben.




2.3. Vergleich


Die Betriebsregelungen für den EAP und die beiden anderen Landesflughäfen werden auf völlig unterschiedliche Weise festgelegt. Sie sind von einander gänzlich unabhängig. Aus der besonderen rechtlichen Situation des EAP ergibt sich, dass immer beide Staaten, Frankreich und die Schweiz, zustimmen müssen. Für Zürich-Kloten und Genf-Cointrin hingegen verfügt der Bundesrat über die Kompetenz, die Rahmenbedingungen zu definieren.




3. Sachlage


3.1. Vergleich der Nachtflugsperren der Schweizer Landesflughäfen


Die geltenden Nachtflugregelungen sind sehr komplex. In der Folge sollen nur die wichtigsten Einschränkungen verglichen werden. Am EAP und in Zürich-Kloten wird zwischen Linienverkehr und gewerbsmässigen Charterverkehr unterschieden. Die stärkere Eingeschränkung des Charterverkehrs hat zwei Hauptgründe: Charterflüge sind meist nicht Teil eines Flugplans, der mit Anschlüssen und Verbindungen zu anderen Flügen operiert. Zudem betreffen Charterflüge in der Regel Ferienreisende, welche nicht unbedingt zu einer bestimmten Tages- oder eben Nachtzeit reisen müssen. Am Flughafen Genf-Cointrin sind alleine die Bestimmungen der VIL massgebend. D.h. im Betriebsreglement sind keine weitergehenden Nachtflugsperren enthalten.


Die effektive Lärmbelastung der Anwohnerschaft kann aus dem Vergleich jedoch nicht abgeleitet werden. Dazu müssten die genauen Flugrouten und die verschiedenen Flugzeugtypen (der Flottenmix) mit berücksichtigt werden. Grundsätzlich kann aber festgehalten werden, dass der EAP im Gegensatz zu den anderen beiden Landesflughäfen (insbesondere dem interkontinental ausgerichteten Flughafen Zürich-Kloten) von kleinen und damit tendenziell leiseren Flugzeugen frequentiert wird.


Die wesentlichen Einschränkungen gestalten sich wie folgt:

1) In Zürich-Kloten wird bei den Starts zwischen Charterverkehr und dem restlichen gewerbsmässigen Nichtlinienverkehr unterschieden. Für den Charterverkehr gilt eine Sperre zwischen 22 und 6 Uhr, für den restlichen gewerbsmässigen Nichtlinienverkehr eine solche zwischen 23 und 6 Uhr.


2) In Zürich-Kloten und Genf-Cointrin unterliegen Langstreckenflüge geringeren Einschränkungen. Am EAP wird ein derartiger Unterschied nicht gemacht.


Trotz der grundsätzlichen rechtlichen Unterschiede bestehen keine fundamentalen Differenzen zwischen den Nachtflugsperren. Zürich-Kloten verfügt über die etwas strengere Regelung als der EAP bei den Landungen im Linienverkehr (eine halbe Stunde) und bei den Starts eines Teils des Charterverkehrs (eine Stunde). Hinsichtlich der lärmabhängigen Einschränkungen gelten aber am EAP anerkanntermassen etwas strengere Vorschriften: In Zürich-Kloten und Genf-Cointrin unterliegen Langstreckenflüge vergleichsweise geringeren Lärmrestriktionen (für Kurz- und Mittelstreckenflüge gelten ähnliche Bestimmungen). Im Vergleich zum Flughafen Genf-Cointrin wird der Charterverkehr am EAP stärkeren Einschränkungen unterworfen (die Differenz beträgt insgesamt drei Stunden). Zudem wird am EAP die Benutzung der Direktstartroute stark limitiert, wodurch dicht besiedelte Gebiete entlastet werden. In Zürich-Kloten sind die während der Nachtzeit hauptsächlich zu benützenden Pisten definiert. Wird der Staatsvertrag mit der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert, bestehen zudem weitgehende Einschränkungen für den Überflug von deutschem Territorium.


Insgesamt ist festzuhalten, dass die Forderung nach einer strikten Nachtflugsperre zwischen 22.00 und 6.00 Uhr den EAP gegenüber den anderen Landesflughäfen stark benachteiligen würde.




3.2. Vergleich mit anderen französischen Flughäfen (ACNUSA-Empfehlungen)


Der EAP ist - ebenso wie er ein Schweizer Landesflughafen ist - auch ein französischer Flughafen. Die Nachtflugsperre des EAP darf nicht alleine mit der Schweizer Regelung verglichen werden, sondern muss auch im Kontext mit anderen französischen Flughäfen betrachtet werden.


In Frankreich bestehen keine rechtlich verbindlichen Rahmenbedingungen. Viele französische Flughäfen verfügen über gar keine Nachtflugsperre. Ein Vergleich lässt sich am übersichtlichsten mit dem Stand der Umsetzung der Empfehlungen der französischen Fluglärmbehörde ACNUSA (Autorité de Contrôle des Nuisances Sonores Aéroportuaires) darstellen. In ihrem Bericht über das Jahr 2001 hält sie fest, dass die Einführung einer Nachtflugsperre an französischen Flughäfen zur Zeit nicht möglich ist. Daher bleiben Starts und Landungen an französischen Flughäfen während der ganzen Nacht grundsätzlich erlaubt. Stattdessen spricht sich die ACNUSA für die Messung der Überflüge zwischen 22 und 6 Uhr aus. Überschreiten diese Flüge ein bestimmtes Lärmmass (Leq [1 Sekunde] höher als 85 dB [A]) sollen sie untersucht und eventuell sanktioniert werden (Seite 6 des "Rapport d'activité 2001" der ACNUSA; der Bericht kann unter www.acnusa.fr eingesehen werden). Diese Empfehlung soll in diesem Jahr umgesetzt werden. Eine weitere ACNUSA-Empfehlung bestimmt, dass eine restriktive Nachflugregelung für die lautesten Kapitel III-Flugzeuge im Jahre 2004 umgesetzt werden soll (Seite 12 des "Rapport d'activité 2001" der ACNUSA). Diese Bestimmung wird auf dem EAP seit dem 1. Dezember 2001 umgesetzt.


Diese Beispiele verdeutlichen, dass der EAP im gesamtfranzösischen Vergleich über eine sehr strenge Nachtflugsperre verfügt, und es ist ersichtlich, welch einschneidende Massnahme die Forderung des Postulats im französischen Kontext bedeuten würde.




4. Aktuelle wirtschaftliche Lage und die Bedeutung der Öffnungszeiten


Die beginnende Liberalisierung des Luftverkehrs führte zu Beginn der 90er Jahre zu stetig steigendem Flugverkehr. Deshalb erweiterten eine Vielzahl von europäischen Flughäfen in der zweiten Hälfte der 90er Jahre mit beträchtlichen Investitionen ihre Kapazitäten. Die prognostizierte Entwicklung des Luftverkehrs ging von einem beständigen jährlichen Wachstum aus. Der Einbruch des Flugverkehrs seit mehr als einem Jahr hat nun zumindest kurzfristig zu erheblichen Überkapazitäten im Flughafenbereich geführt, weshalb sich die Konkurrenzsituation unter den Flughäfen in Europa wesentlich verschärft hat. Die finanzielle Situation des EAP hat unter diesen Umständen natürlich gelitten. Der EAP musste im ersten Halbjahr 2002 einen Rückgang von 15% beim Passagieraufkommen verzeichnen, beim Frachtverkehr beträgt der Rückgang in der gleichen Periode 39%. Gleichzeitig steht der EAP inmitten der Fertigstellung des grössten Ausbauprogramms seiner Geschichte. Zudem ist eine langsame, aber stete Abwanderung des Home-Carriers SWISS zu registrieren. Mit einem rigorosen Sparprogramm versucht der EAP in dieser schwierigen Lage seine Finanzen im Lot zu halten.


Für den Publikumsbetrieb Flughafen ist die Gestaltung seiner Öffnungszeiten von zentraler Bedeutung. Eng bemessene Öffnungszeiten schränken die betriebliche Flexibilität in einer unverhältnismässigen Weise ein. Insbesondere bei der Akquisition von neuen Fluggesellschaften könnte eine mangelhafte Flexibilität zu erheblichen Schwierigkeiten führen. Eng bemessene Öffnungszeiten erhöhen auch die Anfälligkeit für Verspätungen, weil die Flüge in einem kleineren Zeitraum abgewickelt werden müssen. Ein striktes Start- und Landeverbot zwischen 22.00 und 6.00 Uhr hätte zur Folge, dass verspätete Flüge auf andere Flughäfen umgeleitet werden müssen. Dadurch entstünde ein erheblicher Wettbewerbsnachteil für den Flughafen und für die Fluggesellschaften. Eng bemessene und strikt einzuhaltende Öffnungszeiten vermindern somit Wettbewerbsstellung eines Flughafens in unverhältnismässiger Weise.




5. Schlussfolgerungen


Das vom Motionär geforderte strikte Start- und Landeverbot zwischen 22.00 und 6.00 Uhr wäre eine äusserst einschneidende Massnahme und ist aus verschiedenen Gründen nicht durchführbar und auch nicht wünschenswert:




6. Antrag


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das Postulat 2000/187 abzuschreiben.


Liestal, 17. Dezember 2002


IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der 2. Landschreiber: Achermann



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