2002-333


1. Das Postulat

Der Landrat überwies das Postulat 1999/010 am 29. April 1999 an den Regierungsrat. Es hat folgenden Wortlaut:


Durch seine Binationalität ist der Flughafen Basel-Mülhausen politisch schwierig zu steuern. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Durchsetzung von Massnahmen zum Schutze der Umwelt und der Anwohnerschaft angesichts der komplizierten Zuständigkeitsverhältnisse geschwächt ist. Selbst ein Versprechen einer Kantonsregierung hat politisch wenig Schub innerhalb des Flughafen-Managements (vgl. Versprechen der Basler Regierung zu Handen des Souveräns anlässlich der Volksabstimmung über die letzte Ausbauetappe im Jahre 1976, die Direktstarts von Jets im Jahresdurchschnitt auf sechs pro Tag zu beschränken.).


Die Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Investitionsbeitrag für den Ausbau 1997-2004 liessen die strukturelle Schwäche des französisch-schweizerischen Staatsvertrages über den Flughafen Basel-Mülhausen auf dem Gebiete des Umwelt- und AnwohnerInnenschutzes erneut zu Tage treten. Der Flughafen untersteht in diesbezüglichen Fragen französischem Recht und der Entscheidungsgewalt der französischen Luftfahrtbehörden.


Um den Umwelt- und AnwohnerInnenschutz durch den Flughafen in Zukunft besser wahrnehmen zu können, müssen die politischen Strukturen dazu entwickelt werden.


Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft wird eingeladen, sich für die Sicherstellung des Schutzes der Umwelt und der Anwohnerschaft beim Betrieb und bei der baulichen Weiterentwicklung des Flughafens Basel-Mülhausen einzusetzen. Er wird insbesondere eingeladen, folgende Möglichkeiten zu prüfen und darüber zu berichten:


1. Änderung des französisch-schweizerischen Staatsvertrages über den Bau und Betrieb des Flughafens Basel-Mülhausen.


2. Ausarbeitung einer rechtlich verbindlichen trinationalen Konvention zum Schutze von Umwelt und Anwohnerschaft beim Flughafen Basel-Mülhausen.




2. Änderung des Staatsvertrages


2.1. Einleitung


Der Staatsvertrag vom 4. Juli 1949 zwischen Frankreich und der Schweiz bildet die Grundlage für den Betrieb des Flughafens Basel-Mulhouse. Im Gegensatz dazu beruhen die anderen Schweizer Landesflughäfen auf einer Konzession des Bundes. Die Anhänge des Staatsvertrages bestimmen die rechtlichen Grundlagen der Flughafen-Betriebsgesellschaft als öffentlich-rechtliche Anstalt. Darin sind auch ihre Kompetenzen und Pflichten geregelt.


2.2. Stärken/Schwächen des Staatsvertrages


Wie jeder andere Vertrag beinhaltet der Staatsvertrag Stärken und Schwächen.


Die Stärken sind insbesondere:

Demgegenüber hat der Staatsvertrag aus schweizerischer Sicht insbesondere folgende Schwächen:



2.3. Kompetenz des Bundesrates und unklarer Ausgang von Verhandlungen


Die Kompetenz zur Änderung des Staatsvertrages liegt beim Bundesrat (Art. 184 Bundesverfassung). Der Kanton Basel-Landschaft hat keine Möglichkeiten, in direkter Weise auf eine Vertragsänderung hinzuwirken. Der Kanton könnte sein Anliegen lediglich an den Bundesrat herantragen. Die Einflussmöglichkeiten sind insgesamt als sehr gering zu bezeichnen. Ausserdem ist es sehr fraglich, ob der Bundesrat in Zukunft Änderungen eines Staatsvertrages im Luftverkehrsbereich anstrebt, ohne dass für die Schweiz eine gewisse Notlage besteht.


Grundsätzlich ist es legitim, dass eine Partei eine Neuaushandlung eines Vertrages wünscht. Der Bundesrat könnte bei der Regierung in Paris vorstellig werden und um Gespräche über die Neuverhandlung des Vertrages nachfragen. Natürlich würden die Änderungswünsche von Schweizer Seite auch Begehren von französischer Seite hervorrufen. Aufgrund dieser Situation ist also keineswegs klar, ob am Ende der Verhandlungen ein für die Schweiz besserer Vertrag entsteht oder nicht. Das Ergebnis der Staatsvertragsverhandlungen mit Deutschland betreffend den Flughafen Zürich-Kloten zeigt, dass sich die Situation für die Schweiz wesentlich verschlechtern könnte.


Zur Zeit werden Verhandlungen über einzelne klar begrenzte Lücken im Staatsvertrag geführt. Diese betreffen vor allem den Steuerbereich.




2.4. Formelle und politische Unterschiede zwischen Frankreich und der Schweiz


Das Postulat fordert eine Anpassung von rechtlichen Strukturen. Im Bereich des Umwelt- und Anwohnerschutzes bestehen in Frankreich und der Schweiz divergierende Verfahren und Beschwerderechte. Im Schweizer Rechtssystem werden die Rechte der Bevölkerung durch eine weit gefasste Regelung der Beschwerdelegitimation gewahrt. Diese umfangreichen Verfahrensrechte stehen der betroffenen Einwohnerschaft aber auch Verbänden und Parteien zur Verfügung. In Frankreich besteht keine Tradition von solchen flächendeckend ausgebauten Beschwerderechten. Bei grossen Projekten wird in der Regel eine "enquete public" (öffentliche Anhörung) durchgeführt, die mit einem Schlussbericht des Verfahrensleiters endet. Aufgrund von Gesetzesanpassungen in Frankreich könnten sich die beiden unterschiedlichen Rechtsmittelsysteme annähern.


Die Grundlagen im Verfahrensrecht werden auf gesamtstaatlicher Ebene definiert. Eine grenzüberschreitende Vereinheitlichung der Verfahrensrechte kann daher nicht auf regionaler Ebene vollzogen werden. Dazu fehlt den Regionen die gesetzgeberische Kompetenz. Es gibt aber Bestrebungen auf europäischer und internationaler Ebene, welche eine Verbesserung und Vereinheitlichung der Anwohnerrechte im grenzüberschreitenden Bereich zum Ziel haben.




2.5. Fazit


Das Ergebnis von Staatsvertragsverhandlungen ist sehr ungewiss, und es besteht die Gefahr, dass es für die Nordwestschweiz negative Folgen haben könnte. Es bestehen divergierende Verfahrensrechte in den beiden Ländern. Die Kompetenzen zur Änderung der Verfahrensrechte liegen auf gesamtstaatlicher Ebene.




3. Trinationale Umweltkonvention?


3.1. Gesetzgebung ist Bundessache


Das Postulat fordert eine "rechtlich verbindliche trinationale Konvention zum Schutze von Umwelt und Anwohnerschaft beim Flughafen Basel-Mülhausen". Es stellt sich die Frage, wer die Kompetenz zum Erlass von rechtlich verbindlichen Bestimmungen im Umweltbereich und der Luftfahrt innehat. Gemäss Bundesverfassung ist die Gesetzgebung im Umweltbereich (Art. 74) und in der Luftfahrt (Art. 87) alleinige Bundessache. Der Bund hat seine Kompetenzen mit einer Vielzahl von Erlassen ausgefüllt. Bei den Lärm- und Schadstoffemissionen, also denjenigen Umweltbereichen, welche für den Luftverkehr relevant sind, hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenzen vollständig wahrgenommen. Für die Kantone bleiben in diesen Bereichen keine materiellen Lücken offen. Eine trinationale Umweltkonvention auf regionaler Stufe kann aus diesem Grund nur über äusserst geringe Inhalte verfügen.


Auch in Frankreich und Deutschland verfügen die regionalen Behörden über keinerlei Kompetenz, rechtlich verbindliche Umweltkonventionen abzuschliessen.




3.2. Verbesserung der Koordination und Information durch Trinationale Umweltkommission


Aufgrund der grundlegenden, formellen Unterschiede zwischen Frankreich und der Schweiz sowie der fehlenden Gesetzgebungskompetenz ist - zumindest zur Zeit - eine Vereinheitlichung der Strukturen nicht möglich. Realisierbar hingegen ist eine Verbesserung der Informationspolitik, die Förderung des grenzüberschreitenden Verständnisses, die bessere und einheitlichere Vertretung von gemeinsamen, regionalen Interessen und - soweit es die rechtlichen Rahmenbedingungen erlauben - das Finden ausgewogener Lösungen in grenzüberschreitenden Problemen.


In diese Richtung will die Trinationale Umweltkommission eine Verbesserung erreichen. Die Kommission hat die Aufgabe, den Informationsaustausch zu Gunsten der Anrainer zu verbessern und zu vereinheitlichen sowie Vorschläge zuhanden der für den Flughafen Basel-Mulhouse verantwortlichen Stellen zu erarbeiten. Sie dient dem direkten Erfahrungsaustausch zwischen den Anrainerregionen und soll durch gemeinsame Stellungnahmen die Berücksichtigung der Erwartungen der Bevölkerung verbessern. Sie arbeitet mit der Flughafendirektion und den zivilen Luftfahrtbehörden der drei Länder zusammen. In der Kommission haben je fünf französische, schweizerische und deutsche Mitglieder Einsitz, darunter Vertretungen der Regierungen, von Fachkommissionen, der betroffenen Anrainergemeinden und der Wirtschaft.


Die trinationale Umweltkommission ist also ein Schritt in Richtung der im Postulat aufgestellten Forderungen. Eine weitergehende Erfüllung ist aufgrund fehlender Kompetenzen nicht möglich.




4. Antrag


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das Postulat 1999/010 abzuschreiben.


Liestal, 17. Dezember 2002


IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der 2. Landschreiber: Achermann



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