2002-330 (1)


Am 12. Dezember 2002 hat Silvia Liechti eine Interpellation betreffend "Kosten der unentgeltlichen Prozessführung im Kanton Basel-Landschaft" eingereicht. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:

Text:


"Gestützt auf die einschlägigen Bestimmungen der kantonalen Zivilprozessordnung der Strafprozessordnung sowie der Verwaltungsprozessordnung können Personen, die vor Gericht auftreten, unter bestimmten Voraussetzungen die unentgeltliche Prozessführung erhalten. Die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung führt dazu, dass den betreffenden Personen einerseits keine Gerichtsgebühren auferlegt werden, und andererseits der Beizug eines Anwaltes bzw. einer Anwältin vom Staat finanziert wird.


Die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung verursacht jährlich hohe Kosten, welche durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler unseres Kantons aufgebracht werden müssen. Ausserdem führt das Prozessieren auf Staatskosten oftmals dazu, dass allzu viele Streitigkeiten unnötigerweise durch alle Instanzen hinweg bis vor Bundesgericht geführt werden, weil die betroffenen Personen keinerlei Kostenrisiken eingehen. Dieses Phänomen ist zu bedauern, weil dadurch die Arbeitslast der Gerichte steigt und die Bereitschaft der Parteien, sich auf einen gültigen Vergleich zu einigen, zum vornherein geringer ausfällt.


In Anbetracht dieser Situation bitte ich den Regierungsrat bzw. das Kantonsgericht um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen:



Beantwortung der Fragen:

Die Beantwortung der Fragen erfolgt durch das Kantonsgericht, da in der Interpellation prozessuale Fragen aufgeworfen werden.


Frage 1:


Wie hoch sind die Gerichtsgebühren und übrigen Verfahrenskosten, welche dem Kanton Baselland durch die Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung jährlich verloren gehen?


Die Gerichtsgebühren etc., die das Kantonsgericht jährlich abschreiben muss, betragen ca. Fr. 500'000 p.a.




Frage 2:


Wieviel wendet der Kanton Baselland pro Jahr insgesamt auf, um den kostenlosen Beizug eines Anwaltes bzw. einer Anwältin zu finanzieren?


Aufgrund der unentgeltlichen Prozessführung bezahlt der Kanton jährlich zwischen Fr. 2'500'000 und Fr. 3'200'00 für Anwaltshonorare (z.B. Pflichtverteidigung im Strafprozess, Vertretung im Zivilprozess).




Frage 3:


Wie hat sich der Gesamtaufwand des Kantons Baselland für die unentgeltliche Prozessführung in den vergangenen zehn Jahren entwickelt?


Der Gesamtaufwand für unentgeltliche Prozessführung schwankt zwischen 2.9 und 3.6 Millionen Franken pro Jahr.




Frage 4:


Wie wird sich der Gesamtaufwand nach Einschätzung des Regierungsrates bzw. des Kantonsgerichts in naher Zukunft entwickeln?


Der Gesamtaufwand wird steigen, da aufgrund des Bundesgerichtsentscheides (EVG, IV. Kammer, Urteil vom 26.10.2002, I 50/01) 20% höhere Anwaltshonorare zu entrichten sind. Im Budget 2003 wurde dies bereits teilweise berücksichtigt.




Frage 5:


Sieht der Regierungsrat bzw. das Kantonsgericht konkrete gesetzgeberische Massnahmen, um die Kosten für die unentgeltliche Prozessführung sinnvoll zu begrenzen? Wenn ja: Wie würden diese Massnahmen aussehen?


Der Anspruch auf unentgeltliche Prozessführung ist in Artikel 29 Absatz 3 der Bundesvefassung verankert und lautet:


"Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand."


Dieser Verfassungsartikel stellt somit den Rahmen für allfällige gesetzgeberische Massnahmen des Kantons Basel-Landschaft dar.


Die Voraussetzungen für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung hat die Gesetzgebung unseres Kantons in § 71 ZPO bundesrechtskonform geregelt. Vor allem die Bestimmung in § 71 Absatz 2 ZPO dient dazu, die Kosten für die unentgeltliche Prozessführung zu beschränken. In der Praxis hat sich in erster Linie ein prozentualer Selbstbehalt in Grenzfällen bewährt. Wird ein solcher Selbstbehalt auferlegt, so trägt die Partei für jede von ihr veranlasste Rechtsschrift etc. das Risiko, je nach Verfahrensausgang einen gewissen Betrag selbst zu tragen. Der prozentuale Selbstbehalt führt zu einer kostenbewussten Inanspruchnahme der gerichtlichen und anwaltlichen Dienstleistungen. Aber auch die Bestimmung eines Kostendaches, d.h. der Staat bezahlt nur bis zu einem bestimmten Betrag Gerichts- und Anwaltskosten, dient dazu, die Kosten der unentgeltlichen Prozessführung zu begrenzen.


Mit dieser gesetzlichen Regelung hat die Gesetzgebung des Kantons Baselland die zulässigen Möglichkeiten, die Ausgaben des Kantons für die unentgeltliche Prozessführung zu beschränken, schon umgesetzt. Weitere gesetzliche Massnahmen sind nach Meinung des Kantonsgerichts im Hinblick auf die bundesrechtliche Regelung nicht sinnvoll. Bei jeder weiteren gesetzlichen Einschränkung auf kantonaler Ebene stellt sich sofort die Frage nach der Verfassungsmässigkeit.


Liestal, 23. September 2003


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Straumann
Der Landschreiber: Mundschin



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