2002-317


Am 22. Februar 2001 reichte Landrätin Esther Maag (Grüne Fraktion) ein Postulat mit dem Titel "Viel Arbeit, viel Ehr(?) - wenig Qualifikation" ein. Das Postulat hat folgenden Wortlaut:

"Wir haben das Jahr der Freiwilligenarbeit, doch liegt diese nicht mehr im Trend, wie eine Univox-Umfrage bestätigt. Dass man für Freiwilligenarbeit oft mehr Hohn und Kritik erntet, weiss nicht nur der 17-jährige Marc Hohl, der freiwillig den Zürcher Berninaplatz putzt (SZ vom 25.10.98) sondern vermutlich kennen auch die meisten unter uns Sprüche wie: "Was, das machst Du auch noch? Meinst du nicht, deine Familie... " etc.


Dass es auch anders gehen würde beweist (ausnahmsweise mal im positiven Sinne) die USA, wo der Freiwilligenarbeit ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert beigemessen wird. Wer Karriere machen will, muss nachweisen, dass er oder sie sich auch für die Gemeinschaft engagiert hat, ansonsten bleibt der Weg an eine Elite-Uni verschlossen.


Obwohl auch bei uns vieles nicht mehr funktionieren würde ohne Freiwilligenarbeit, hat sie nicht den sozialen Stellenwert, der ihr gebührt. Laut dem BA für Statistik werden pro Monat (!) 44 Millionen Arbeitsstunden unentgeltlich geleistet. Auf das Jahr hochgerechnet entspricht das einem Wert von 19,4 Milliarden Franken oder fünf Prozent des Bruttosozialproduktes (TA vom 6.12.99 und 4.1.01).


Es kann und darf jedoch nicht sein, dass die Kosten und Defizite des Sozialstaates durch Freiwilligenarbeit kompensiert werden. Carlo Knöpfle von Cariats warnt davor: "Wer glaubt, dass die Lücken im Sozialbereich mit Freiwilligen zu schliessen seien, macht eine Fehlkalkulation". Durch die zunehmende Berufstätigkeit "leert sich das Reservoir der freiwillig arbeitenden (Haus-) Frauen", auch "die jungen Alten" lassen sich nicht mehr ohne weiteres für regelmässige Tätigkeiten einspannen (TA 4.1.01). Und was es heisst als Berufstätige/r, zusätzlich Freiwilligenarbeit zu leisten, brauche ich Ihnen nicht zu erzählen...


Was ist also zu tun? In der Antwort auf meine Interpellation "Wie Erfahrungen zu Qualifikationen werden" vom 11.12.97 hat RR Hans Fünfschilling gesagt, dass bei Anstelllungen im Kanton Hausarbeit und Kindererziehung zu 25% angerechnet werden und dass der soziale Bereich im Zusammenhang mit der Besoldungsrevision aufgewertet werden solle. Zudem haben wir ein Postulat der SP überwiesen, wonach ein Baselbieter Zeitspende-Preis auszurichten sei. Das sind Ansätze, doch um die Freiwillenarbeit wirklich aufzuwerten, reichen sie nicht.


Wir bitten den Regierungsrat deshalb zu prüfen und zu berichten,


1. wie der Kt. Baselland analog zum Projekt "Sozialzeit-Ausweis" des Kantons Bern (1999) eine anerkannte und standardisierte Nachweis-Dokumentation einführen könnte, mit der sich ehrenamtliche und freiwillige Arbeit nachweisen und qualifizieren lässt. Darin sollen wie in anderen Arbeitszeugnissen Leistungen, Kompetenzen und Fachwissen dokumentiert werden.


2. wie bei der lohnwirksamen Anrechnung von Freiwilligenarbeit Verbesserungen erzielt werden können.


3. wie mit Sozialzeit Gutschriften auf bezahlte Weiterbildung erwirkt werden können. Besonders für Frauen ist dies wichtig. Bezahlen doch heute 70% der Frauen ihre Weiterbildung selber, während es bei Männern nur gerade 30% sind.


4. wie er auf den Bund einwirken kann, so dass Freiwilligenarbeit auch bei Sozialversicherungen wirksam wird und beispielsweise Unfallversicherungen garantiert und Gutschriften bei Renten auslöst ("AHV-Bonus").


5. wie ein Steuerabzug für Aufwendungen (Spesen) bei der Freiwilligenarbeit und/oder andere Gutschriften bei den Steuern ermöglicht werden können."



Zu den Fragen im Einzelnen:

Frage 1:


Prüfung und Bericht, wie der Kt. Baselland analog zum Projekt "Sozialzeit-Ausweis" des Kantons Bern (1999) eine anerkannte und standardisierte Nachweis-Dokumentation einführen könnte, mit der sich ehrenamtliche und freiwillige Arbeit nachweisen und qualifizieren lässt. Darin sollen wie in anderen Arbeitszeugnissen Leistungen, Kompetenzen und Fachwissen dokumentiert werden:


Vorbemerkung: Der Begriff "Sozialzeit-Ausweis" ist beim Personalamt des Kantons Bern nicht bekannt. Dort stellte sich offenbar die Frage, ob für soziale Einsätze ein bezahlter Urlaub bis zu zehn Arbeitstagen geltend gemacht werden kann. Der Regierungsrat des Kantons Bern hat am 17. März 1999 die Antwort auf ein entsprechendes Postulat unter Hinweis auf die Regelung für Kurzurlaube in der Personalverordnung wie folgt zusammengefasst: "Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den Angestellten der Bernischen Kantonsverwaltung nach geltendem Recht auf begründetes Gesuch hin bezahlter Kurzurlaub bis zu zehn Arbeitstagen für einen sozialen Einsatz zur Ferienbetreuung von Behinderten und Betagten bewilligt werden kann, sofern die dienstlichen Verhältnisse es zulassen." Es ist offensichtlich, dass zur Erfüllung der vorbeschriebenen Tätigkeiten spezielle Anforderungen vorausgesetzt werden, die nur von geschulten Personen erfüllt werden können.


Ein bezahlter Urlaub im Sinne der o.e. "Berner Regelung" ist auch im Kanton Basel-Landschaft möglich: Gemäss § 50 Absatz 1 der Personalverordnung (SGS 150.11) kann frühestens nach Erfüllung von 5 Dienstjahren ein bezahlter Urlaub bewilligt werden, wenn der Urlaubszweck einem im öffentlichen Interesse liegenden Bedürfnis entspricht.


Da der Regierungsrat die Einführung einer speziellen Dokumentation über geleistete Freiwilligenarbeit für angebracht erachtet, hat er sich mit einem Schreiben an massgebliche Vereinigungen der Wirtschaft, des Handels und der Gemeinwesen gewandt und diese aufgefordert, wohlwollend zu prüfen, wie die Bestrebungen in Bezug auf einen Sozialzeitausweis sowie den Einbezug der durch Freiwilligenarbeit erlangten Erfahrung in die Lohnfestlegung in ihrem Bereich umgesetzt werden können. Es ist der oder dem Mitarbeiter/in überlassen, entsprechende Tätigkeiten im Rahmen von Bewerbungen bei kantonalen oder anderen Stellen als Qualifikationshinweis / Tätigkeitsnachweis aufzuführen. Bei der Festsetzung des Lohnes der Mitarbeitenden im Kanton werden diese Tätigkeiten im Rahmen der Erfahrungsstufenberechnung berücksichtigt. Die Schaffung einer verpflichtenden Norm für private Arbeitgeber wäre Sache des Bundesgesetzgebers.




Frage 2:


Prüfung und Bericht, wie bei der lohnwirksamen Anrechnung von Freiwilligenarbeit Verbesserungen erzielt werden können:


Das am 1. Januar 2001 in Kraft gesetzte teilrevidierte Lohnsystem sieht vor, dass die Erfahrungszeit aus Hausarbeit und Kindererziehung mindestens und nicht mehr wie bisher generell zu 25% angerechnet wird. Das heisst, die Anrechnung richtet sich nach dem Nutzen für die vorgesehene Tätigkeit. Der Anrechnungssatz kann höher als 25% sein, sofern die Tätigkeit wesentliche Aufgaben enthält, bei denen die Erfahrung aus Hausarbeit und Kindererziehung nutzbar ist. Das Personalamt hat hierzu Richtlinien (gültig seit 1. Januar 2001) erstellt.


Auszug aus den vorerwähnten Richtlinien:
a. Grundsatz:
Jede beruflich und ausserberuflich erworbene Erfahrung ist anzurechnen. Der jeweilige Anrechnungssatz richtet sich nach der Nutzbarkeit der erworbenen Erfahrung im Verhältnis zur Tätigkeit.


b. Anrechnungssätze:
100% in gleicher Tätigkeit
75% in sehr verwandter Tätigkeit oder in Stellvertretung
50% in anderer Tätigkeit aber im gleichen Arbeitsgebiet
25% in anderer Tätigkeit.


Zudem kann eine Mischanrechnung von 33% oder 66% erfolgen.




Frage 3:


Prüfung und Bericht, wie mit Sozialzeit Gutschriften auf bezahlte Weiterbildung erwirkt werden können. Besonders für Frauen ist dies wichtig. Bezahlen doch heute 70% der Frauen ihre Weiterbildung selber, während es bei Männern nur gerade 30% sind:


Gemäss § 47 des Personalgesetzes (SGS 150) sind unter Weiterbildung alle Massnahmen zu verstehen, die eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter befähigen, künftig eine neue Funktion oder einen neuen Beruf auszuüben. Eine Beteiligung an die Kosten in zeitlicher und/oder finanzieller Hinsicht bemisst sich am Interesse des Arbeitgebers daran, dass die betreffende Mitarbeiterin oder der betreffende Mitarbeiter die Funktion ausüben kann. Das Geschlecht spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle.




Frage 4:


Prüfung und Bericht, wie der Kanton auf den Bund einwirken kann, so dass Freiwilligenarbeit auch bei Sozialversicherungen wirksam wird und beispielsweise Unfallversicherungen garantiert und Gutschriften bei Renten auslöst ("AHV-Bonus"):


Seit der 10. AHV-Revision kennt die AHV zwei Arten von Gutschriften, die nicht auf (Erwerbs-) Einkommen basieren: Dies sind einerseits die Erziehungsgutschriften gemäss Art. 29 sexies AHVG, welche Versicherte für die Jahre erhalten, in denen sie die elterliche Gewalt über Kinder ausüben, die das 16. Altersjahr noch nicht erreicht haben. Andererseits handelt es sich um Betreuungsgutschriften gemäss Art. 29 septies AHVG, welche Versicherte auf Antrag erhalten, die im gemeinsamen Haushalt Verwandte in auf- oder absteigender Linie oder Geschwister betreuen, die eine Hilflosenentschädigung der AHV oder IV für mindestens mittlere Hilflosigkeit erhalten. In beiden Fällen wird das für die Rentenberechnung massgebende Durchschnittseinkommen nach festgelegten Regeln erhöht, entsprechend der Anzahl Jahre, während welcher die erwähnten Aufgaben wahrgenommen worden sind. Prinzipiell ist es sicher denkbar, dass für einen weiteren Kreis von Freiwilligenarbeit Leistenden ähnliche Formen von Gutschriften gefunden werden könnten. Mehr oder weniger konkrete Vorschläge wären allenfalls über eidgenössische Parlamentarier/-innen (allenfalls über die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) oder mittels einer durch den Landrat zu beschliessenden Standesinitiative bei der Bundesversammlung einzubringen. Grössere Chancen hätten die Anliegen sicher, wenn die Leistung von Freiwilligenarbeit auf bundesrechtlicher Ebene geregelt werden würde.




Frage 5:


Prüfung und Bericht, wie ein Steuerabzug für Aufwendungen (Spesen) bei der Freiwilligenarbeit und/oder andere Gutschriften bei den Steuern ermöglicht werden können:


Die steuerliche Frage lautet: Wie kann ein Steuerabzug für Aufwendungen (Spesen) bei der Freiwilligenarbeit und/oder andere Gutschriften bei den Steuern ermöglicht werden?


1. Steuerliche Abzüge für geleistete freiwillige Arbeit kennt unsere Steuergesetzgebung und diejenige des Bundes (Direkte Bundessteuer) nicht. Auch ist es nicht möglich, entsprechende Abzüge durch Änderung des kantonalen Steuergesetzes einzuführen, weil die Steuerabzüge im Steuerharmonisierungsgesetz abschliessend aufgezählt sind und damit für den kantonalen Gesetzgeber für neue Abzüge kein Spielraum besteht.


Der kantonale Gesetzgeber kann nur sog. Sozialabzüge, weitergehend als sie das Steuerharmonisierungsgesetz vorsieht, einführen. Die Funktion der Sozialabzüge ist es, der persönlichen, wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen, um damit der subjektiven Leistungsfähigkeit möglichst nahe zu kommen (Familienstand, Kinderzahl, Unterstützungspflichten etc.). Damit scheidet ein Sozialabzug für Freiwilligenarbeit aus und ist nicht möglich.


2. Gemäss dem Bundessteuerrecht (DBG) und unserem kantonalen Steuerrecht (in Anpassung an das Steuerharmonisierungsgesetz) können freiwillige Zuwendungen an Körperschaften, Stiftungen, Anstalten und andere juristische Personen mit Sitz in der Schweiz, die im Hinblick auf öffentliche oder gemeinnützige Zwecke von der Steuerpflicht befreit sind, vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden. Bei der direkten Bundessteuer sind diese abzugsfähigen Leistungen jedoch ausdrücklich auf Geldleistungen beschränkt, so dass freiwillig geleistete Arbeit, auch wenn sie einer dieser Institutionen speziell zugute käme, nicht abziehbar ist. Bei der basellandschaftlichen Staats- und Gemeindesteuer haben wir keine solche Einschränkung, also auch freiwillige Zuwendungen von anderen Vermögenswerten (Wertpapiere oder Liegenschaften) sind möglich und werden steuerlich berücksichtigt. Aufgrund eines Entscheides der kantonalen Steuerrekurskommission aus dem Jahre 1986 (Basellandschaftliche Steuerpraxis Bd. IX, S. 347) sind jedoch nichtfinanzielle Leistungen, also eben freiwillige Arbeitsleistungen, nicht unter den Begriff der freiwilligen Zuwendungen zu subsumieren. Aufgrund des Textes des Steuerharmonisierungsgesetzes hätte hier allerdings der kantonale Gesetzgeber Spielraum, auch freiwillige Arbeitsleistungen als abzugsfähig zu erklären, auch wenn die Bewertung im Einzelfall mit entsprechendem Aufwand verbunden wäre. Es wären dann aber nur jene freiwilligen Arbeitsleistungen abzugsfähig, die eben den erwähnten steuerbefreiten Institutionen gegenüber erbracht würden, nicht aber allgemeine freiwillige Leistungen im Interesse der breiten Öffentlichkeit.


3. Allgemeine steuerliche Abzüge für Freiwilligenarbeit im Sinne des vorliegenden Postulates sind also bei der basellandschaftlichen Staats- und Gemeindesteuer und der direkten Bundessteuer nicht möglich. Damit dies möglich würde, müssten das eidgenössische Steuerharmonisierungsgesetz und das Gesetz über die direkte Bundessteuer entsprechend geändert werden.




Antrag an den Landrat


Dem Landrat wird somit beantragt, das Postulat von Esther Maag vom 22. Februar 2001 betreffend "Viel Arbeit, viel Ehr (?) - wenig Qualifikation" als erfüllt abzuschreiben.


Liestal, 3. Dezember 2002


Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin



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