Vorlage an den Landrat
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Vorlage an den Landrat |
Titel: | Teilrevision des Gesetzes betreffend die Strafprozessordnung (StPO) | |
vom: | 26. November 2002 | |
Nr.: | 2002-294 | |
Bemerkungen: | Inhaltsübersicht dieser Vorlage || Verlauf dieses Geschäfts |
XX. Nähere Bestimmungen über die Öffentlichkeit des abgekürzten Verfahrens ? (§ 141 Absatz 2)
Vor einiger Zeit wurde die Frage aufgeworfen, ob das gerichtliche Bestätigungsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt werden dürfe. Das ist klar zu verneinen. Gemäss § 160 Absatz 1 StPO sind die Verhandlungen des Strafgerichts öffentlich, davon ausgenommen sind einzig die Urteilsberatung und -abstimmung. Für das abgekürzte Verfahren besagt § 141 Absatz 2 lediglich, dass das Gerichtspräsidium auf eine Parteiverhandlung verzichten kann. Diese Verzichtsmöglichkeit wurde aus Gründen der Verfahrensökonomie vorgesehen, damit in unbestrittenen Fällen nicht zwingend eine Parteiverhandlung samt Plädoyers der ParteivertreterInnen durchgeführt werden muss. Das gerichtliche Bestätigungsverfahren einschliesslich Bekanntgabe des Gerichtsentscheids muss jedoch gemäss ausdrücklicher Vorschrift immer in öffentlicher Verhandlung erfolgen (§ 141 Absatz 1, nochmals präzisiert in § 141 Abs. 2 Satz 2 StPO). Damit ist die Öffentlichkeit im abgekürzten Verfahren gewährleistet. Auf Vorschlag des Kantonsgerichts soll auch eine kurze Begründung des Urteils erfolgen (§ 142 Absatz 4).
=> Änderung von § 141 Absatz 2
2 Auf die Durchführung einer Parteiverhandlung kann verzichtet werden. Das Urteil wird in jedem Fall öffentlich verkündet .
=> Änderung von § 142 Absatz 4
4 Der Entscheid wird sofort mündlich eröffnet und kurz begründet.
XXI. Zuständigkeit für Bussenumwandlungen bei Strafbefehlen (§ 228 Absatz 2)
Ausgangslage: Im Strafbefehlsverfahren können die Statthalterämter Bussen oder Freiheitsstrafen bis zu 3 Monaten aussprechen (§ 7). Hingegen können sie solche Bussen bei Uneinbringlichkeit nicht selbst in eine Haftstrafe umwandeln (Artikel 49 Ziff. 3 Absatz 1 StGB), da nach geltendem Recht dafür allein das Strafgerichtspräsidium zuständig ist (§ 228 Absatz 2). Es bestehen allerdings keine grundsätzlichen Einwände dagegen, bei der Umwandlung von rechtskräftigen Bussen zu einer Freiheitsstrafe eine andere Zuständigkeit vorzusehen als beim Erlass von Freiheitsstrafbefehlen. Da eine Bussenumwandlung gemäss Bundesrecht nur in Haft möglich ist und Haft gemäss Artikel 39 Ziffer 1 des Strafgesetzbuchs maximal drei Monate dauern kann, bewegen sich Bussenumwandlungen definitionsgemäss immer nur im Bereich der Strafbefehlskompetenz der Statthalterämter. In der Praxis zeigt sich, dass eine Bussenumwandlungskompetenz der Statthalterämter auch zur Entlastung des Strafgerichts von einer Vielzahl von wenig bedeutenden Fällen führen könnte.
=> Änderung von § 228 Absatz 2:
2 Für den Entscheid über die Umwandlung oder deren nachträglichen Ausschluss ist das Präsidium des Gerichts zuständig, welches das Urteil erlassen hat. Handelt es sich um einen Strafbefehl, ist das Statthalteramt zuständig. Nötigenfalls ist die verurteilte Person anzuhören.
Eine neue Anregung betrifft § 18 StPO ; dort wird eine Präzisierung dahingehend gewünscht, dass Untersuchungshandlungen auch dann gültig sein sollen wenn kurzfristig kein/e Anwalt/Anwältin zu finden ist. Nach § 18 Abs. 1 StPO ist der Beizug eine/r Verteidiger/in notwendig:
a. | für die Dauer der Untersuchungshaft, wenn diese nach Ablauf von 8 Wochen aufrecht erhalten bleibt; |
b. | wenn einschliesslich eines allfälligen Widerrufs früherer bedingt aufgeschobener Strafen eine unbedingt vollziehbare Gesamt-Freiheitsstrafe von mehr als 18 Monaten oder eine Verwahrung zu erwarten ist; |
c. | wenn die angeschuldigte Person wegen körperlicher oder geistiger Beeinträchtigungen oder wegen ihrer Jugend oder Unerfahrenheit nicht in der Lage ist, sich selbst hinreichend zu verteidigen, und wenn anzunehmen ist, dass die Verbeiständung durch die gesetzliche Vertreterin oder den gesetzlichen Vertreter nicht genügt; |
d. | wenn andere Gründe im Interesse der Rechtsprechung dies verlangen, namentlich bei besonders schwieriger Sach- oder Rechtslage. |
Fälle von besonderer Dringlichkeit sind bei lit. a oder d kaum zu erwarten, weil da in der Regel ein zeitlicher Vorlauf besteht und anwaltliche Vertretung deshalb nicht kurzfristig gesucht werden muss. In den anderen Fällen - beispielsweise schwere Delikte, bei denen aus sachlichen Gründen mit der Beweiserhebung sofort zu beginnen ist, wie etwa ein vorsätzliches Tötungsdelikt - wird anlässlich des Erstkontakts erklärt, dass die angeschuldigte Person (so diese Rolle schon zugeschrieben ist) ein Recht auf Schweigen und anwaltliche Vertretung hat. Wenn sofort ein/e Verteidiger/in erreichbar ist, hat er/sie selbstverständlich die Möglichkeit, teilzunehmen. Ist dies aber, namentlich nachts, am Wochenende oder über die Feiertage, nicht der Fall (ein eigentlicher Anwaltspikett besteht in BL nicht), darf die Untersuchungshandlung nur allein deshalb nicht ungültig werden. Es ist in diesem Fall nicht verboten, dennoch - wenn die angeschuldigte Person damit einverstanden ist; andernfalls schweigt sie einfach - Fragen zu stellen und Antworten zu protokollieren. Wenn anschliessend nach § 18 Abs. 2 eine Vertretung organisiert ist, kann diese sich zu dieser ersten Befragung äussern, Ergänzungsfragen stellen etc., womit dem Erfordernis der notwendigen Verteidigung ausreichend Rechnung getragen ist. Eine ausdrückliche Bestimmung der angeregten Art erscheint insgesamt nicht erforderlich, zumal diese Konstellation in der Praxis offensichtlich keine besonderen Probleme verursacht.
=> keine Änderung von § 18 Absatz 2:
Die basellandschaftliche Richtervereinigung hält fest, dass die StPO keine Vorschriften über das Verfahren vor dem Verfahrensgericht in Strafsachen enthält. Das trifft zu, allerdings konnte dies in der Praxis bisher offensichtlich ausreichend gelöst werden. Zudem sprengt das den Rahmen der vorliegenden "Nachbesserung" und muss deshalb auf eine allfällige eigene Vorlage verwiesen werden.
Eine Einzelanregung hält fest, dass es an "dauernden Übergangsbestimmungen" für die Fälle der früheren Überweisungsbehörde fehlt. Auch das trifft zu, insbesondere auch dass bestimmte Geschäfte noch während längerer Zeit anfallen werden (z.B. Urteilslöschungen). Auch hier sind aber keine praktischen Probleme bekannt, indem das VGS diese bearbeitet und das bisher nicht Gegenstand von Streitfällen war. Eine Ergänzung drängt sich deshalb nicht auf.
In struktureller Hinsicht ergeben sich aus der vorgeschlagenen Revision der Bestimmungen über die Untersuchungshaft weniger Rechtsmittelverfahren in Haftsachen und - wegen der längeren Intervalle bei der periodischen Haftüberprüfung sowie der Möglichkeit des Verzichts auf eine solche Überprüfung - weniger Haftverlängerungen. Kaum erheblich auswirken wird sich die Ausdehnung der Höchstdauer der Untersuchungshaft, weil diese Grenzen nur in wenigen Fällen erreicht werden. Hingegen werden Haftverfahren wegen des Wegfalls innerkantonaler Beschwerdeinstanzen weniger aufwändig und rascher rechtskräftig.
Im Bereich des Strafbefehlsverfahrens darf durch den Wegfall der Vorprüfung von Freiheitsstrafbefehlen durch die Staatsanwaltschaft eine Verringerung des administrativen Aufwands erwartet werden, da die Statthalterämter künftig die Akten nicht mehr vorgängig der Staatsanwaltschaft zustellen müssen und sie dort nicht mehr vor-geprüft werden müssen Durch die Beschränkung der Prüfng auf einen Vorgang (Einspracheverfahren) fällt eine belastene Doppelspurigkeit weg.
Die Präzisierung der Beteiligungsmodalitäten allfälliger involvierter Verwaltungsbehörden im Strafverfahren wird zu besserer gegenseitiger Information beitragen, ohne wesentliche Auswirkungen auf den Verfahrensaufwand. Auch die übrigen Detailänderungen (Zeugnisverweigerungsrechte) werden ohne strukturelle Folgen bleiben.
Insgesamt führt die vorgeschlagene Teilrevision der Strafprozessordnung zu Vereinfachungen und zu Optimierungen der Verfahren. Mit personellen und finanziellen Auswirkungen ist nicht zu rechnen.
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, dem Entwurf über die Änderung des Gesetzes betreffend die Strafprozessordnung (Beilage 1) zuzustimmen.
Liestal, 26. November 2002
Im Namen des Regierungsrates
die Präsidentin: Schneider-Kenel
der Landschreiber: Mundschin
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