Vorlage an den Landrat


D. Die Revisionspunkte im Einzelnen

I. Bundesgesetz betreffend Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF)


Seit 1. Januar 2002 steht das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) (1) in Kraft. Es regelt abschliessend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Voraussetzungen, Verfahren, Rechtsmittel); auf kantonaler Ebene sind deshalb die entsprechenden Bestimmungen aufzuheben, dafür aber die innerkantonalen Zuständigkeiten zu bezeichnen.


In der StPO BL ist dieser Bereich in den §§ 103 - 109 geregelt. Diese Bestimmungen gelten gleichzeitig aber auch für den Einsatz technischer Überwachungsgeräte, den das BÜPF nicht umfasst. Deshalb können die §§ 103 - 109 nicht einfach aufgehoben werden. Neu muss ihr Anwendungsbereich aber auf den Einsatz technischer Überwachungsgeräte beschränkt werden. Zusätzlich sind die erforderlichen zuständigen Behörden zu bezeichnen.


=> Einfügung eines neuen § 102a (nach dem Zwischentitel "7. Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, Einsatz technischer Überwachungsgeräte"):


§ 102a Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs: zuständige Behörden


Die zuständigen Behörden gemäss dem Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) sind:




=> § 103, neuer Titel und Änderung von Absatz 1:


§ 103 Einsatz technischer Überwachungsgeräte: Voraussetzungen


1 Die Verfahrensleitung kann den Einsatz technischer Überwachungsgeräte (Artikel 179 bis ff. StGB) anordnen, wenn:


a. eine Straftat, deren Schwere oder Eigenart den Eingriff rechtfertigt, verfolgt wird,


(...)


Durch die Einfügung eines neuen § 102a und die Änderung von § 103 sind auch die StPO-Bestimmungen entsprechend anzupassen, welche die Zuständigkeiten der Dreierkammer der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts sowie des Verfahrensgerichts in Strafsachen regeln.




=> § 5 Absatz 2, neuer Buchstabe g:


3 Die Dreierkammer der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts beurteilt:


g. Beschwerden gemäss Artikel 10 Absatz 5 Buchstabe c BÜPF (§ 102a Buchstabe c).




=> § 6 Absatz 3, Änderung von Buchstabe c:


3 Das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen ist insbesondere zuständig für:


c. die Genehmigung der Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs, der Beschlagnahme von Sendungen und des Einsatzes technischer Überwachungsgeräte (§§ 102a f.);


Ferner sind diverse redaktionelle Anpassungen nötig (Wegfall des Post- und Fernmeldeverkehrs, Beschränkung auf technische Überwachungsmassnahmen):




=> Änderung von § 104 Absatz 3, § 107 Absätze 1 und 3 sowie § 108 Absätze 1 - 3


§ 104 Absatz 3


aufgehoben




§ 107 Absätze 1 und 3


1 Spätestens nach Abschluss der Untersuchung ist den betroffenen Personen mitzuteilen, dass die Massnahme des Einsatzes technischer Überwachungsgeräte gegen sie ergriffen worden ist.


3 Die Verfahrensleitung informiert das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen über den Abschluss des Einsatzes technischer Überwachungsgeräte.




§ 108 Absätze 1 - 3


1 Die Verfahrensleitung sichtet die eingegangenen Überwachungsergebnisse und entscheidet über deren weitere Verwendung. Aufzeichnungen, die für die Untersuchung nicht notwendig sind oder aus dem Verkehr mit Personen herrühren, die gemäss § 54 Absatz 1 Buchstabe e zeugnisverweigerungsberechtigt sind, dürfen im Verfahren nicht verwendet werden.


2 Ist die Verwendung zulässig, so werden Überwachungsergebnisse, die als Beweismittel dienen, zu den Akten genommen. Überwachungsergebnisse, die lediglich als Fahndungshilfe dienen, sind gesondert unter Verschluss zu halten und spätestens nach Eintritt der Verfolgungsverjährung zu vernichten.


3 Die Aufzeichnungen sind gesondert unter Verschluss zu halten und nach Abschluss des Verfahrens zu vernichten, sofern nicht im Einstellungsbeschluss oder im Endurteil etwas anderes verfügt wird.




II. Zuständigkeiten für Haftanordnung / Haftbeschwerde / Haftverlängerung


Ausgangslage: Der Klarheit halber wird gewünscht, dass die Zuständigkeiten für Haftbeschwerden ausdrücklicher festgehalten werden. Die bisherige Anknüpfung für die Zuständigkeit lautete "... während des Untersuchungsverfahrens ... ". Diese Formulierung ist insofern zu wenig präzis, als damit die Anklagephase (Verfahren beim Statthalteramt abgeschlossen und an die Staatsanwaltschaft überwiesen, Anklage der Staatsanwaltschaft beim Gericht aber noch nicht erhoben) zwar mitgemeint ist, sich dies aber nicht ausdrücklich im Wortlaut niederschlägt. Deshalb soll dies mit folgender Neuformulierung geändert werden: "... gegen Haftbefehle des Statthalteramts ...".


Gleichzeitig soll die Unsicherheit beseitigt werden, ob gegen die erstinstanzlichen Haftbefehle bzw. gegen Entscheide jeglicher Ebene eine innerkantonale Rekursmöglichkeit besteht oder nicht. Die Absicht des Gesetzgebers, dass Beschwerden nur gegen Haftentscheide von "richterlichen Behörden" (Statthalter), nicht aber gegen solche von "Gerichten" (Präsidien des Verfahrensgerichts in Strafsachen, des Strafgerichts oder der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts) gegeben sein sollen, ist im Gesetzeswortlaut deutlicher zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere in Haftfällen wird den Betroffenen durch eine rasche Erledigung besser gedient sein als durch zusätzliche innerkantonale Instanzen. Zudem steht ihnen in allen Fällen der Weiterzug an höhere Instanzen (Bundesgericht, EGMR) offen. Diese Lösung entspricht jener in verschiedenen anderen Kantonen (etwa ZH und, bezüglich der Haftentlassungsgesuche, auch BS). Sie genügt auch den Anforderungen des Bundesgerichts und der EMRK, und es gibt auch deshalb keinen Grund, weitere Rechtsmittel im Kanton einzurichten.




=> § 6 Absatz 3, Änderung von Buchstabe a:


3 Das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen ist insbesondere zuständig für:


a. die Beurteilung von Beschwerden gegen Haftbefehle des Statthalteramts (§ 81 Absatz 3) sowie von Beschwerden gegen durch das Statthalteramt, die Staatsanwaltschaft und das Besondere Untersuchungsrichteramt abgewiesene Haftentlassungsgesuche (§ 85 Absätze 2 und 3);




=> § 81, Änderung von Absatz 3 (mit Bildung eines neuen Absatzes 4):


3 Gegen den Haftbefehl des Statthalteramts kann die angeschuldigte Person innert 3 Arbeitstagen seit Eröffnung schriftlich und begründet Beschwerde erheben. Haftbefehle von Gerichtspräsidien sind nicht anfechtbar.


4 Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung. Für das Verfahren ist § 85 Absätze 5 ff. sinngemäss anwendbar. In der Stellungnahme zur Beschwerde kann gleichzeitig das Gesuch um Haftverlängerung gestellt werden.




=> § 85, neuer Absatz 2 (2) und neuer Absatz 5 (3)


2 Weist ein Gerichtspräsidium das Gesuch ab, ist der Entscheid endgültig.


3 Weist das Statthalteramt das Gesuch ab, kann die verhaftete Person innert 5 Tagen seit Eröffnung schriftlich und begründet beim Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen Beschwerde erheben. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


4 (s. unten Ziffer III.2.)


5 (s. unten Ziffer IV.1.)


6 Das zuständige Präsidium kann eine mündliche Verhandlung durchführen. Die Behörde, die das Haftentlassungsgesuch abgewiesen hat, kann auf Antrag von der Teilnahme dispensiert werden.


7 Das Präsidium entscheidet innert 5 Arbeitstagen über die Beschwerde. Sein Entscheid ist endgültig.




=> § 5 Absatz 3, Streichung des bisherigen Buchstabens a:


3 Das Präsidium der Abteilung Zivil- und Strafrecht des Kantonsgerichts beurteilt Beschwerden gegen Verfügungen des Strafgerichtspräsidiums im Verfahren auf Privatklage (§ 210 Absatz 1).




III. Präzisierung der Zuständigkeiten betreffend Ausschreibung zur Verhaftung und betreffend Haftentlassung / Ersatzmassnahmen


1. Zuständigkeit für die Ausschreibung zur Verhaftung bei der Verfahrensleitung, nicht beim Haftrichter (§ 26 Absatz 2 und § 82)


Ausgangslage: Nicht schon die Ausschreibung, sondern erst die daraufhin erfolgende Verhaftung ist eine Zwangsmassnahme. Es ist kein Grund ersichtlich, die Ausschreibung nicht direkt durch die Verfahrensleitung (inkl. Besonderes Untersuchungsrichteramt / Staatsanwaltschaft) vornehmen zu lassen. Das ist zwar in § 82 so vorgesehen, aber der pauschale Vorbehalt in § 26 Absatz 2 kann zu Missverständnissen bezüglich der Zuständigkeit führen (Verfahrensleitung nach § 82 oder Verfahrensgericht in Strafsachen nach § 26 Absatz 2?). Deshalb wird der Vorbehalt in § 26 Absatz 2 entsprechend präzisiert.


Auch die Zusicherung des freien Geleits kann ohne Interessenkollision von der anklagenden Behörde verfügt werden. Auch hier ist der Vorbehalt von § 26 Absatz 2 entsprechend zu präzisieren.




=> § 26 Absatz 2, Änderung des Einleitungssatzes:


2 Zuständig für die Anordnung von Zwangsmassnahmen gemäss den §§ 77 - 81 und 86 - 89 ist das Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen:


a. (...)


2. Zuständigkeit betreffend Haftentlassung / Ersatzmassnahmen (§ 85)


Ausgangslage: Das Besondere Untersuchungsrichteramt (BUR) und die Staatsanwaltschaft können wegen ihrer Anklagefunktion keine Untersuchungshaft anordnen, diese ist auf ihren Antrag vom Verfahrensgericht in Strafsachen auszusprechen. Es gibt allerdings keine sachlichen Gründe, weshalb eine Haftentlassung (mit oder ohne Anordnung von Ersatzmassnahmen gemäss § 79) nicht ohne weiteres direkt vom BUR oder der Staatsanwaltschaft soll verfügt werden können. Dadurch entsteht keine Kollision mit ihrer Anklagefunktion, weil keine Zwangsmassnahme angeordnet, sondern eine solche lediglich aufgehoben (oder, im Fall von Ersatzmassnahmen, reduziert) wird. Eine Haftentlassungskompetenz von BUR und Staatsanwaltschaft liegt im Interesse der Verfahrensökonomie und ist mit keinerlei Nachteilen für irgendwelche Rechtspositionen der Beteiligten verbunden. Kann das Haftentlassungsgesuch nicht gutgeheissen werden, stellt sich die Frage, ob nicht nur das Statthalteramt, sondern auch trotz ihrer Anklagefunktion die Staatsanwaltschaft und das Besondere Untersuchungsrichteramt einen abweisenden Entscheid erlassen können. In Anbetracht der Tatsache, dass eine gerichtliche Behörde die Haft angeordnet hat und die Abweisung des Haftentlassungsgesuchs in keiner Weise die bereits angeordnete Haft verändert oder verlängert, erscheint es vertretbar, diese Kompetenz auch den anklagenden Behörden zuzuweisen; dies umso mehr als gegen diesen Entscheid die Beschwerdemöglichkeit an das Verfahrensgericht in Strafsachen gegeben ist.




=> § 85, Änderung der Absätze 1 und 3:


1 Die verhaftete Person kann jederzeit bei der Verfahrensleitung schriftlich das Gesuch um Haftentlassung stellen. Über das Gesuch ist ohne Verzug zu entscheiden.


3 Weist ein Statthalteramt, die Staatsanwaltschaft oder das Besondere Untersuchungsrichteramt das Gesuch ab, kann die verhaftete Person innert 5 Tagen seit Eröffnung schriftlich und begründet beim Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen dagegen Beschwerde erheben. Die Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


Dasselbe kann für die Zuständigkeit von BUR / Staatsanwaltschaft für die Anordnung von Ersatzmassnahmen im Zusammenhang mit einer Entlassung aus der Untersuchungshaft gesagt werden (nicht aber für Fälle, in welchen Ersatzmassnahmen anstelle von Untersuchungshaft verhängt werden sollen). Obwohl das Spektrum der möglichen Massnahmen teilweise recht umfassende bzw. einschneidende Settings umfasst, liegt die Eingriffsintensität naturgemäss immer unter jener, welche durch den gerichtlichen Haftentscheid vorgegeben ist. Insofern werden also den anklagenden Behörden keine eigenständigen Zwangsmassnahmenkompetenzen in die Hand gegeben, sondern lediglich die Kompetenz, bestehende Zwangsmassnahmen zurückzunehmen bzw. abzumildern. Diese Lösung hat ausserdem den Vorteil, dass soche Entscheide rascher gefasst und die Person rascher aus der Haft entlassen werden kann.




=> § 79, Änderung von Absatz 1:


1 Anstelle von Untersuchungshaft kann die zuständige Behörde geeignete Ersatzmassnahmen anordnen. Die Staatsanwaltschaft und das Besondere Untersuchungsrichteramt können Ersatzmassnahmen nur im Zusammenhang mit einer Haftentlassung nach § 85 anordnen.



Fortsetzung >>>
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Fussnoten:


1 SR 780.1


2 Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden inhaltlich abgeändert zu den Absätzen 3 und 4.


3 Die bisherigen Absätze 4 und 5 bleiben inhaltlich unverändert, werden aber zu den Absätzen 6 und 7 umnummeriert.