2002-63
Bericht Nr. 2002-063 an den Landrat |
Bericht der:
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Petitionskommission
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vom:
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21. März 2002
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Titel des Berichts:
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Petition der Elternbildung Baselland vom 22. November 2001 "zur Aufwertung der Freiwilligenarbeit im Kanton Basel-Landschaft"
(sowie
Postulat 2001/270
von Agathe Schuler vom 8. November 2001: Eine Anerkennung für Freiwilligenarbeit Leistende im Kanton Basel-Landschaft und
Postulat 2001/284
von Romy Anderegg vom 22. November 2001: Förderung und Anerkennung der freiwilligen und ehrenamtlichen Tätigkeit im Kanton Basel-Landschaft)
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Bemerkungen:
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I. Hintergründe und Urheber der Petition
Im Internationalen Jahr der Freiwilligenarbeit 2001 haben sich verschiedene Organisationen zum Ziel gesetzt, konkrete Schritte zur Aufwertung der Freiwilligenarbeit zu unternehmen. Federführend bei der vorliegenden Petition, welche von 19 Organisationen mitunterzeichnet wurde, ist die Elternbildung Baselland EBBL. In ihrer schriftlichen Eingabe vom 22. November 2001 führte die EBBL an, dass viele der engagierten, freiwillig Tätigen im ständigen Kampf um Anerkennung, minimale Entschädigung, Unterstützung für Weiterbildung und Infrastruktur entmutigt seien. Das Resultat davon sei oft schwindende Motivation, grosse personelle Wechsel in gemeinnützigen Organisationen und damit verbunden mangelnde Kontinuität. Mit einer Aufwertung ihres Engagements könne zum Wohl der Bevölkerung eine bescheidene Verbesserung der Situation und ein vermehrtes Interesse an freiwillig und ehrenamtlich zu leistender Arbeit erreicht werden.
Die EBBL weist auf die demographische Entwicklung (Zunahme der Hochbetagten, sinkende Geburtenrate) und andere Trends hin, wie schwindende Verwurzelung im Quartier oder im Dorf, die grosse Mobilität, Orientierungslosigkeit und andere Zeiterscheinungen. Darum seien die Leistungen der freiwillig Arbeitenden absolut notwendig und unverzichtbar. Das Stärken der bestehenden, organisch gewachsenen und noch funktionierenden Strukturen käme billiger zu stehen und wäre besser, als die Folgen des Verlustes dieser Leistungen.
II. Die konkreten Forderungen der Petition
1.
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Alle Unternehmungen in Wirtschaft und im Non-Profit-Bereich sowie Verwaltungen auf Gemeinde- und Kantonsebene sollen eingeladen werden, den Sozialzeit-Ausweis einzuführen. Die bei freiwilligen Einsätzen geleisteten und erworbenen Qualifikationen sind bei einer Anstellung zu berücksichtigen.
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2.
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Die im Sozialzeit-Ausweis dokumentierte, freiwillig geleistete Arbeit soll mit einer Steuererleichterung honoriert werden.
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3.
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Entsprechend der im Sozialzeit-Ausweis geleisteten Freiwilligenarbeit sollen die Weiterbildungskosten im diesbezüglichen Tätigkeitsbereich übernommen werden.
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III. Stellungnahme der Finanz- und Kirchendirektion
Nachfolgend zitieren wir die wichtigsten Passagen aus der drei Seiten umfassenden Stellungnahme der FKD in geraffter Form:
Das Thema der Anerkennung der Freiwilligenarbeit ist bereits Gegenstand zweier parlamentarischer Vorstösse im Landrat (Agathe Schuler, 2001/270 und Romy Anderegg-Rotzetter, 2001/284). Der Kanton Basel-Landschaft unterstützt die Freiwilligenarbeit mit der Zurverfügungstellung von Arbeitszeit und Sachmitteln. Die Voraussetzungen hierfür sind in einer speziellen Verordnung (SGS 153.17) festgehalten.
Stellungnahme zur Petition:
Das Postulat unter Punkt 1, wonach alle Unternehmungen in Wirtschaft und im Non-Profit-Bereich sowie Verwaltungen auf Gemeinde- und Kantonsebene eingeladen werden sollen, den Schweizerischen Sozialzeit-Ausweis einzuführen, kann zur Prüfung entgegen genommen werden. Die in einem solchen Ausweis festgehaltenen Weiterbildungen usw. können bei einer Anstellung zur Berechnung der Erfahrungsstufe allenfalls nützlich sein. Im geltenden Lohnsystem werden diejenigen Tätigkeiten, die für die im Kanton ausgeübte Funktion nutzbar sind, bereits berücksichtigt. Gemäss den Richtlinien des Personalamtes wird jede beruflich und ausserberuflich erworbene Erfahrung, je nach der Nutzbarkeit für die jeweilige Tätigkeit, mit Anrechnungssätzen von 25% bis 100% berücksichtigt.
Das Postulat 2, wonach im Sozialzeit-Ausweis dokumentierte, freiwillig geleistete Arbeit mit einer Steuererleichterung honoriert werden soll, ist abzulehnen. Steuerliche Abzüge für freiwillig geleistete Arbeit kennt unsere Steuergesetzgebung und diejenige des Bundes (Direkte Bundessteuer) nicht, denn die abzugsfähigen freiwilligen Zuwendungen müssen in Geldform geleistet werden. Ein Sozialzeit-Ausweis kann nur die Tätigkeit und den zeitlichen Aufwand bestätigen, nicht jedoch eine genaue finanzielle Bewertung vornehmen, die für einen Abzug in Franken unabdingbar wäre. Bewertungsprobleme und Streitigkeiten wären dabei vorhersehbar.
Sozialabzüge haben der wirtschaftlichen Situation des Steuerpflichtigen Rechnung zu tragen, um damit dessen subjektiver Leistungsfähigkeit (Familienstand, Kinderzahl, Unterstützungspflichten) nahe zu kommen. Damit scheidet ein Sozialabzug für Freiwilligenarbeit u.E. aus. Auf Grund des Steuerharmonisierungsgesetzes, welches die möglichen Steuerabzüge abschliessend aufzählt, ist es nicht möglich, das kantonale Steuergesetz dahingehend abzuändern. Der Text des Steuerharmonisierungsgesetzes lässt dem kantonale Gesetzgeber allerdings den Spielraum, freiwillige Arbeitsleistungen als abzugsfähig zu erklären, wenn diese gegenüber steuerbefreiten Institutionen erbracht werden, nicht aber allgemeine freiwillige Leistungen im Interesse der breiten Öffentlichkeit.
Das Postulat 3, wonach Weiterbildungskosten im Bereich der Freiwilligenarbeit übernommen werden sollen, ist abzulehnen. Was die öffentliche Hand an Bildungskosten übernimmt, ist in der Bildungsgesetzgebung im Detail geregelt und der Kanton als Arbeitgeber regelt dies in seinem Personalgesetz. Im Rahmen der Behandlung der eingangs erwähnten Parlamentarischen Vorstösse wird aufzuzeigen sein, ob und in welcher Form die Weiterbildung in der Freiwilligenarbeit gefördert werden soll und kann.
Zusammenfassend sei wiederholt, dass die FKD bereit ist, das Postulat nach Anerkennung eines Sozialzeit-Ausweises zu prüfen, weitergehende Forderungen jedoch ablehnt.
IV. Beratung in der Kommission
Anlässlich der Kommissionssitzung vom 26. Februar 2002 trugen Anne-Marie Hüper, Elsbeth Martin und Rita Bachmann als Delegation der Petenten ihre Anliegen und Argumente persönlich vor. In den nächsten Jahrzehnten wird die Gesellschaft sowohl in unserem Kanton als auch in der ganzen Schweiz massiv überaltert sein und der damit verbundene grosse Bedarf an Pflegeleistungen muss teilweise durch Freiwilligenarbeit abgedeckt werden. Generell wurde festgestellt, dass ein Sozialzeit-Ausweis frauenfördernd sei, da besonders viele Frauen und Mütter während und nach der "Kinderpause" freiwillige Arbeit in der Gesellschaft leisten, welche finanziell nicht abgegolten wird. Beim Wiedereinstieg ins Berufsleben käme dieser Ausweis einem qualifizierten Arbeitszeugnis für bezahlte Arbeit gleich und könnte die Höhe des Salärs positiv beeinflussen. Als Beispiele für Arbeitgeber, welche ihn bereits anerkennen, wurden die Stadt Zürich und die Migros erwähnt.
Bei der Frage nach dem postulierten Steuerabzug wurde klar, dass dazu eine gesamtschweizerisch gültige Skala nötig wäre. Freiwillig arbeitende Personen können auch Tätigkeiten übernehmen, für welche eine gewisse Weiterbildung erforderlich ist. Dazu gehören neben rein arbeitstechnischen Anleitungen auch didaktische oder rhetorische Fähigkeiten. Die Kosten für den Besuch solcher Kurse muss aber zumeist von den Kursteilnehmern selber übernommen werden, was als ungerecht empfunden wird. Nach Meinung der EBBL sollten diese durch den Kanton vergütet werden.
Eine Delegation der FKD, bestehend aus den Herren Regierungsrat Adrian Ballmer und Generalsekretär Michael Bammatter, nahm anschliessend ebenfalls persönlich zur Petition und zu den beiden im Landrat eingereichten Postulaten Stellung. Mit dem Eingeständnis, dass Staat, Gesellschaft und Familie nur funktionieren, wenn unzählige Helferinnen und Helfer in erheblichem Ausmass unbezahlte Dienstleistungen erbringen, wurde deutlich, dass die FKD die Freiwilligenarbeit als sehr wichtig einstuft. Die Vorbehalte hinsichtlich Steuerabzug und Geltendmachung von Weiterbildungskosten sind bereits in der schriftlichen Stellungnahme festgehalten worden. Die Regierung ist an verschiedenen Anlässen sozialer Institutionen präsent und lässt diesen namhafte Beiträge aus dem Lotteriefonds zukommen. Die Petition will aber die freiwillig arbeitende Einzelperson in den Mittelpunkt stellen.
Bei der Beratung war sich die Kommission über die Nützlichkeit des Sozialzeit-Ausweises einig. Weil die Regierung dieses Anliegen aber lediglich zu prüfen gedenkt, wurde aus der Mitte der Kommission beantragt, das Instrument der Motion einzusetzen. Dieses Anliegen wurde mit 4:2 Stimmen abgelehnt. Die Kommission beschloss, dem Plenum zu empfehlen, Punkt 1 der Petition als Postulat an die Regierung zu überweisen. Von der Machbarkeit der Punkte 2 und 3 zeigte sie sich wenig überzeugt und beschloss, darauf nicht einzutreten.
V. Antrag an den Landrat
Die Petitionskommission empfiehlt dem Landrat mit 6:0 Stimmen und ohne Enthaltungen, Punkt 1 der Petition als Postulat an die Regierung zu überweisen und auf die Punkte 2 und 3 nicht einzutreten.
VI. Beratung und Anträge zu den Postulaten 2001/270 und 2001/284
Bei der Beratung dieser beiden Postulate wurde auch die Meinung des Regierungsrates mit einbezogen. Bekanntlich gibt es bereits Gedenktage zu allen möglichen Themen, wobei deren Nutzen zum Teil umstritten ist und sich deren Vermehrung eher negativ auswirken dürfte. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass die Anerkennung einzelner Personen zum Beispiel mit der Vergabe eines Kulturpreises oder bei der Auszeichnung zum Sportler des Jahres in der Öffentlichkeit bereits zu kontroversen Diskussionen führt. Bei der Bewertung und Auszeichnung von Freiwilligenarbeit könnte ein Entscheid womöglich noch kritischer beurteilt werden. Würden anstelle von Einzelpersonen ganze Institutionen mit Preisen bedacht, könnten solche Auseinandersetzungen vermieden werden. Ein Vorstoss in diese Richtung liegt aber zur Zeit nicht vor.
Somit kam die Kommission zum Schluss, dass auf der Ebene des Kantons die so genannte Bürgernähe und die nötige Atmosphäre fehlten, um solche Anlässe mit Erfolg durchzuführen. Am ehesten könnten die Gemeinden einen Teil der gemachten Vorschläge umsetzen. Dass der Kanton die Freiwilligenarbeit aufwerten sollte, kann der Landrat mit der Unterstützung von Punkt 1 der in diesem Bericht behandelten Petition zum Ausdruck bringen.
Anträge:
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Die Kommission empfiehlt dem Plenum mit 6:0 Stimmen und ohne Enthaltung, das Postulat 2001/270 abzulehnen.
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Auch Postulat 2001/284 wird von der Kommission nicht unterstützt (5:0 Stimmen bei einer Enthaltung).
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Pratteln, 21. März 2002
Namens der Petitionskommission
Der Präsident: Heinz Mattmüller
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