2002-134
Parlamentarischer Vorstoss |
Titel:
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Schriftliche Anfrage von Esther Maag: Ermitage in Arlesheim
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Autor/in:
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Esther Maag
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Eingereicht am:
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23. Mai 2002
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Nr.:
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2002-134
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Zudem steht in den Statuten der 1997 gegründeten und als gemeinnützig anerkannten Stiftung Ermitage Arlesheim und Schloss Birseck: "Zweck der Stiftung ist die Erhaltung und der Schutz des Schlosses Birseck als historisches Baudenkmal, der Ermitage Arlesheim als historischer Landschaftsgarten und der zum Stiftungsgut gehörigen übrigen Gebäude als Objekte des Denkmalschutzes und des übrigen Geländes und der Wälder als Objekte des besonderen Natur- und Landschaftsschutzes und als schutzwürdige Umgebung der Ermitage und des Schlosses Birseck." Weiter wird auf die "besondere Schutzwürdigkeit dieser historischen Parkanlage" hingewiesen und betont, dass es ein Anliegen der Gemeinde Arlesheim sei, sich für die "Erhaltung dieses historisch bedeutsamen und landschaftlich einzigartigen Komplexes" einzusetzen und "dieses einzigartige Ensemble für die Zukunft zu bewahren".
In Anbetracht dieser unbestrittenen Schutzwürdigkeit der Ermitage ist es äusserst fragwürdig, wie mit diesem historischen Garten gegenwärtig umgegangen wird.
Baumfällaktion Winter 2000/2001:
1.
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Nach dem Sturm "Lothar" Ende 1999 wurde für eine gewisse Zeit ein Baumfällverbot in den Wäldern verhängt. Weshalb aber war es denn möglich, in der Ermitage, in der glücklicherweise nur sehr wenige Bäume vom Sturm gefällt worden waren, kaum ein Jahr nach dem Sturm eine Grossfällaktion zu starten?
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2.
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In der Presse und in Informationsveranstaltungen der Stiftung Ermitage Arlesheim und Schloss Birseck wurde immer wieder betont, die "Auslichtung" sei nötig gewesen, um die alten Sichtachsen des Landschaftsgartens wieder herzustellen. Doch hält diese Behauptung näherer Betrachtung nicht stand. Weshalb wurden denn ausgerechnet dort zahlreiche Bäume gefällt, wo nach den Regeln der Gartenkunst dichte Belaubung zu sein hat, und warum verdecken dort, wo eine Sichtachse sein sollte noch heute Bäume den Blick?
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3.
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Weshalb wurden überhaupt so viele Bäume gefällt, obwohl die meisten nicht krank waren (und wie erwähnt, den Sturm "Lothar" überstanden hatten)?
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4.
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Im Konzept von Herrn Schwenecke (1992 im Auftrag von Frau Iselin verfasst) war eine sorgfältige Auslichtung geplant. Er schrieb nichts von grossflächigem Kahlschlag, sondern im Gegenteil von sorgfältigen Abklärungen über Art und Umfang der Eingriffe und die entsprechende Kennzeichnung der Einzelgehölze. Auch sollte die Auslichtung über mehrere Jahre verteilt werden. Fachgerecht plante er Ersatzpflanzungen für abgängige Bäume und Sträucher gemäss historischen Vorlagen. Weshalb wurde dieses Konzept nicht umgesetzt? Weshalb wurde ein unverantwortbarer Kahlschlag nach rein forstwirtschaftlichen Prinzipien durchgeführt, der weder mit Natur- noch mit Denkmalschutz zu vereinbaren ist?
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5.
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Weshalb wurde das Fällholz nach neuesten forstwirtschaftlichen Prinzipien liegengelassen, obwohl sie kein Wald, sondern ein englischer Landschaftsgarten ist?
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6.
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Im Artikel 24 der Charta von Florenz steht: "Historische Gärten gehören zu den Elementen des kulturellen Erbes, deren Fortbestand naturbedingt ein Äusserstes an unablässiger Pflege durch qualifizierte Personen erfordert. ... Auch die regelmässige Anzucht der erforderlichen Pflanzen muss sichergestellt sein, ehe man mit irgendwelchen Massnahmen in historischen Gärten beginnt." Weshalb wurde versäumt, rechtzeitig für eine fachgerechte Wiederaufforstung der Ermitage zu sorgen?
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7.
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Ein Mitglied der Naturschutzkommission beklagte, dass die Naturschutzkommission um jeden Baum gekämpft habe, aber es laufe alles nach dem Motto "Wer mehr zahlt, befiehlt". Er sei sehr im Zweifel, ob die Naturschutzkommission ihre Anliegen in Zukunft überhaupt noch durchsetzen könne. Er nannte auch noch weitere Personen, die überhaupt nicht glücklich darüber seien, was in der Ermitage vor sich gehe. Dies beweist, dass hinter den Kulissen nicht alles so schön aussieht, wie es offiziell dargestellt wird. Weshalb werden die kritischen Stimmen nicht angehört und in den Prozess einbezogen?
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Im Frühjahr 2001 verfasste Herr Marcus Köhler im Auftrag der Denkmalpflege Basel-Landschaft ein sogenanntes Fachgutachten über die Ermitage. In einem Artikel in der BAZ vom 19.5.2001, heisst es: "Die Baselbieter Denkmalpflege hat den Gartenhistoriker Professor Marcus Köhler, der an der Universität Neu-Brandenburg lehrt, beauftragt, ein Gutachten über den Wert der denkmalgeschützten Ermitage im europäischen Vergleich zu erarbeiten, dürfte sie doch eine der bedeutendsten romantischen Gartenanlagen auf dem Kontinent sein". Das tönt gut, doch leider ist alles nur Schall und Rauch.
8.
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Weshalb erteilt die Denkmalpflege einen solchen Auftrag einer Person aus Ostdeutschland, die mit den hiesigen historischen Verhältnissen nicht im geringsten vertraut ist?
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9.
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Weshalb die irreführenden Angaben über Herrn Köhler? Erstens gibt es gar keine Universität Neu-Brandenburg. Die Institution, an der Herr Köhler lehrt, ist eine Fachhochschule. Zweitens hat Herr Köhler zwar doktoriert, aber er ist nicht habilitiert. Er darf sich als Dozent an der Fachhochschule Neu-Brandenburg Professor nennen, aber man muss klar festhalten, dass er kein Universitätsprofessor ist, wie dies suggeriert wird. Hat dieses Fachgutachten etwa die Aufgabe, den Plänen der Denkmalpflege ein pseudo-wissenschaftliches Mäntelchen umzulegen?
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10.
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Sehr stutzig macht einen das Niveau dieses sogenannten Fachgutachtens. Schon allein äusserlich erweckt es einen sehr unsorgfältigen Eindruck: Der Text strotzt nur so von grammatikalischen und orthographischen Fehlern; er scheint im Schnellzugstempo in den Computer gehackt worden zu sein; eine Korrekturlesung hat mit Sicherheit nicht stattgefunden. Und auch inhaltlich enthält das Fachgutachten zahlreiche sehr grobe und peinliche Fehler. Jeder Laie, der nur schon die kleine Broschüre Hans-Rudolf Heyers über die Ermitage (2000) gelesen hat, weiss mehr über diesen Garten als der sogenannte Fachmann Köhler. Kurz und gut, das Fachgutachten ist völlig unbrauchbar und zeigt einmal mehr, wie oberflächlich und unseriös alles ist, was die Denkmalpflege bisher in Sachen Ermitage unternommen hat. Wie ist es nur möglich, ein solches Machwerk als Fachgutachten auszugeben? Merkt die Denkmalpflege denn nicht, dass sie durch dieses Fachgutachten ihren Plänen nicht nur nicht mehr Gewicht gibt, sondern sich völlig lächerlich macht?
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Es ist geplant, mittels eines Architekturwettbewerbes einige der verschwundenen Kleinarchitekturen der Ermitage in moderner Fassung wieder aufzubauen. Doch zuerst müsste abgeklärt werden, ob dies überhaupt mit Denkmalschutz zu vereinbaren ist.
11.
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Gemäss Chartae von Venedig und Florenz ist 1) der Wiederaufbau verschwundener Elemente nicht üblich; 2) Wenn doch etwas wieder aufgebaut wird, dann aufgrund von historischen Zeugnissen, möglichst originalgetreu; 3) Nur wenn sich absolut nicht feststellen lässt, wie etwas einmal ausgesehen hat, darf eine moderne Variante zur Ergänzung errichtet werden, und 4) auch das nur, wenn zum Wiederaufbau ein zwingender Grund besteht, z.B. als Pendant zu etwas noch Bestehendem, um den ursprünglichen Bezug wieder herzustellen. 5) Oberstes Ziel ist es nicht, eine alte Gartenanlage in ihrer gesamten Ausstattung zu erhalten/rekonstruieren, sondern die authentische Aussage des Gartens zu erhalten. Wie ist angesichts dieser in den genannten Chartae festgelegten klaren und verbindlichen Sachlage ein Architekturwettbewerb zu verantworten?
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12.
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Es ist geplant, sowohl das Chalet Suisse, den Parasol chinois und den Kohlenmeiler, als auch die Sophienruhe wiederaufzubauen. Welche Überlegungen der Denkmalpflege stehen hinter diesem Vorhaben, das Elemente der Ermitage mischt, die zeitlich nie gleichzeitig bestanden?
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13.
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In einem Artikel der BAZ vom 20.3.1999 heisst es, die Denkmalpflege strebe "Instandhaltung aber keine Rekonstruktion" an. Weshalb also nun plötzlich die Idee des Architekturwettbewerbs? Was erhofft sich die Denkmalpflege davon? Sollte nicht das Pro und Contra eines Wiederaufbaus verschwundener Kleinarchitekturen gründlicher überdacht werden, da ja schliesslich auch das Verschwinden von Elementen zur Geschichte eines Gartens gehört?
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14.
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Der bis vor kurzem erhaltene gemauerte Bogen des ehemaligen "Tempels der Wahrheit" ist seit einem Jahr eingestürzt. Nun stellt sich die Frage, weshalb die Denkmalpflege einerseits den Wiederaufbau verschwundener Elemente der Ermitage plant und andererseits noch fragmentarisch vorhandene Originalelemente einfach verfallen lässt? Wie lässt sich dieser Widerspruch erklären?
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Es wird geplant, in Zukunft die Ermitage einzuzäunen und Eintrittsgeld zu verlangen. Dies ist aus mehreren Gründen sehr problematisch.
15.
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Ein Landschaftsgarten soll sich unmerklich in die freie Landschaft fortsetzen; wo also soll die Grenze der Ermitage gezogen werden? Ist sich die Denkmalpflege bewusst, dass sie damit den ganzen Charakter der Anlage verändert?
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16.
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Ein Zaun kann nützlich sein, um Vandalismus vorzubeugen. Früher gab es jedoch in der Ermitage dauernd 1 - 2 Angestellte, die den Garten beaufsichtigten und so willkürliche Beschädigungen vermeiden halfen. Arlesheim ist eine reiche Gemeinde; wäre es nicht besser, anstelle eines Zauns wieder Personal zur Beaufsichtigung der Anlage anzustellen?
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17.
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Es soll wieder mehr Publikum in die Ermitage gelockt werden; zusätzliche Einnahmen ausser dem Eintrittsgeld erhofft man sich von einem Restaurant und einem Souvenirshop. Berücksichtigt die Denkmalpflege denn überhaupt nicht, dass die Situation heute eine völlig andere ist als vor 200 Jahren? Heute gibt es nur noch wenige so idyllische Orte in der näheren Umgebung von Basel. Soll durch kurzsichtige wirtschaftliche Interessen auch noch dieser Ort seine Stille verlieren, die in der Charta von Florenz
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1
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als Eigenschaft eines Gartens verbindlich festgeschrieben wurde?
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18.
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Das Argument, durch diese Einnahmen die kontinuierliche Pflege der Ermitage sichern zu wollen, ist nicht überzeugend. Um einen Landschaftsgarten von der Bedeutung der Ermitage zu unterhalten, sollten doch Gelder auf anderem Wege zu beschaffen sein (Bund, Kanton)?
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19.
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In den Stiftungsstatuten wird die Stiftung Ermitage Arlesheim und Schloss Birseck als gemeinnützig anerkannt. Wie ist die Gemeinnützigkeit mit dem geplanten Eintrittsgeld zu vereinbaren, das es nicht mehr jedem Erholungsbedürftigen erlauben wird, jederzeit gratis einen Spaziergang durch die Ermitage zu unternehmen?
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20.
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Die Stiftung Ermitage Arlesheim und Schloss Birseck betreibt eine fragwürdige Informationspolitik, sowohl der Öffentlichkeit als auch den Geldgebern gegenüber. Herr Schubiger, Verwalter der Günther Binding-Stiftung, hatte noch im Dezember 2001 keine Ahnung von den Plänen des Architekturwettbewerbs zum modernisierten Wiederaufbau der Kleinarchitekturen, obwohl diese Stiftung eine der Geldgeberinnen für die "Restaurierung" der Ermitage ist. Auch die sogenannten Informationsveranstaltungen für die Öffentlichkeit und die zahlreichen Artikel in der BAZ und im "Wochenblatt für das Birseck und Dorneck" sind sehr schönfärberisch und irreführend. Es wird der Eindruck erweckt, als ob tatsächlich die Restaurierung des Landschaftsgartens das Ziel der Massnahmen sei und als ob alles fachgerecht und sorgfältig geplant vor sich ginge
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2
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. Weshalb diese Irreführung der Öffentlichkeit? Was hat die Stiftung zu verbergen, dass sie ihre wahren Ziele nicht offenlegt?
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21.
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Weshalb war Herr Schwenecke, unbestrittenermassen eine kompetente Fachperson, bereit, im Herbst 2001 ein neues "Grobkonzept" zu erstellen, das sehr viel oberflächlicher ist, als dasjenige von 1992, und das mit behutsamer Restaurierung nichts mehr zu tun hat? Weshalb erklärt sich Herr Schwenecke bereit, wider besseres Wissen Hand zu bieten für die Pläne der Stiftung, die ja ganz offensichtlich keine Restaurierung des Landschaftsgartens zum Ziel haben? Weshalb wird bei den aktuellen "Instandstellungsarbeiten" nicht das schon vorhandene und sehr fundierte Konzept von 1992 umgesetzt?
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22.
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Die Arbeiten in der Ermitage begannen schon im Jahr 2000, also ein Jahr vor der Erstellung des obengenannten "Grobkonzepts". Hätte dieses Konzept nicht vor Beginn der Arbeiten erstellt werden müssen?
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23.
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Welches sind die Gründe dafür, dass sich der finanziell grösste Lastträge, die öffentliche Hand, bisher nicht in der Lage sieht, eine solide Gesamtplanung zu diesem Grossprojekt zu erarbeiten, geschweige denn zu publizieren?
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24.
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Weshalb suchen die Mitglieder der Stiftung, die allesamt keine Ahnung von historischen Landschaftsgärten haben, nicht die Mitarbeit kompetenter Fachstellen (ICOMOS, der Schweizerische Gesellschaft für Gartenkultur, der Denkmalpflege Zürich, die eine eigene Abteilung für Gartendenkmalpflege besitzt etc.)? Weshalb schämen sie sich nicht ihres dilettantischen Vorgehens, das sich an keine noch so elementaren denkmalpflegerischen Regeln hält (z.B. die genannten Chartae, die auch von der Schweiz ratifiziert wurden und damit verbindlich sind) mit dem sie den wichtigsten englischen Landschaftsgarten der Schweiz, entgegen ihren in den Statuten festgehaltenen Prinzipien, ruinieren?
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Fusszeilen:
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Art. 5: "Als Ausdruck der engen Beziehung zwischen Kultur und Natur, als eine Stätte der Erquickung, zur Meditation oder zum Träumen geeignet, fällt dem Garten der allumfassende Sinngehalt eines Idealbildes der Welt zu: Er ist ein "Paradies" im ursprünglichen Sinne des Wortes, das aber Zeugnis von einer bestimmten Kultur, einem Stil, einer Epoche, ... ablegt." Art. 18: "Zwar ist jeder historische Garten dafür gedacht, betrachtet und betreten zu werden, doch muss der Zugang nach Massgabe von Ausdehnung und Belastbarkeit des Gartens in Grenzen gehalten werden, um seine Substanz und seine kulturelle Aussagekraft zu bewahren." Art. 19: "Nach Wesen und Bestimmung ist der historische Garten ein ruhiger Ort, der Naturbegegnung, Stille und Gelegenheit zur Naturbeobachtung fördert." Art. 21: "Die Ausführung von Unterhaltungsmassnahmen oder konservierenden Eingriffen, ... die dazu beitragen, die Authentizität des Gartens wieder zu gewinnen, müssen immer Vorrang vor Nutzungsansprüchen haben."
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In Artikeln der BAZ vom 21.11.2000 und des Baslerstab ebenfalls vom 21.11.2000, (sowie der BAZ vom 14.8.2001) ist z.B. von Auslichten und Wiederherstellen der Sichtachsen die Rede. Doch hatte das, was schlussendlich gemacht wurde, mit Auslichten nichts zu tun hat. (Übrigens wird immer versichert, dass die Baumfällaktion optimal verlaufen sei, z.B. BAZ 19.5.2001; weshalb aber blieb dann die Ermitage bis Ende Januar 2001 geschlossen, obwohl sie ursprünglich nur bis zum 15.12.2000 hätte gesperrt sein sollen?) Und die irreführende Informationspolitik geht genauso weiter: Im Artikel der BAZ vom 19.5.2001 steht auch, man wolle die verschwundenen Kleinarchitekturen wiederaufbauen; dies suggeriert einen originalgetreuen Wiederaufbau; von einem Architekturwettbewerb ist nirgends die Rede. Im BAZ-Artikel vom 14.8.2001 wiederum heisst es, die Ermitage gewinne "ihr ursprüngliches Gesicht zurück". Das alles sind leere Behauptungen, die genauerer Beobachtung nicht standhalten.
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