2002-119 (1)


1. Ausgangslage

Am 2. Mai 2002 reichte Landrat Max Ribi, freisinnig-demokratische Partei, eine Interpellation mit dem Titel "Zahlungsmoral?" ein. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:


2107 Kantonales Sozialamt


Konto 330-10 Abschreibung unerhältlicher Gebühren und Guthaben

Es handelt sich um nicht einbringbare Anteile aus der Bevorschussung von Kinderalimenten. In den Erläuterungen zu diesem Konto steht, dass eine um 10 Prozent höhere Einbringung gegenüber dem Vorjahr und eine Stagnation der Fallzahlen zu diesem besserem Ergebnis führten. Allerdings, 56% der ausgerichteten Alimentenbevorschussung müsse als uneinbringbar abgeschrieben werden, wurde mir auf Anfrage zum Budget 2002 mitgeteilt.

2115 Kantonale Steuern


Konto 321.10 Vergütungszins Staatssteuer

Aufgrund meiner Interpretation wurden im Jahre 2001 viel weniger Vorauszahlungen gemacht als im Jahre 2000, was sich im Jahre 2002 in erhöhten Einnahmen durch Verzugszinsen auswirken müsste.

Konto 330.10 Abschreibung unerhältlicher Gebühren und Guthaben

In diesem Konto sind Verluste aus Betreibungen sowie aus Steuererlass ausgewiesen. Derzeit sei eine Häufung an Betreibungs- und Fortsetzungsbegehren zu verzeichnen, hochgerechnet per Ende 2001 mit 17'700 Betreibungsbegehren für Kantonssteuern gerechnet (1997: 11'916, 1998: 10'679, 1999: 13'299, 2000: 11'936) und die Forderungssumme betrage 51.7 Mio. Fr. wurde mir auf Anfrage zum Budget 2002 mitgeteilt.

Die Abschreibung von 10.66 Mio. Fr. nicht erhältlicher Gebühren und Steuern ist umgerechnet 1,6% bezüglich der Einkommenssteuer der natürlichen Personen von Fr. 664'057'477.


Angesichts der hohen Quote nicht mehr zurückbezahlten Alimentenbevorschussungen und nicht bezahlter Gebühren und Steuern bitte ich den Regierungsrat um Beantwortung nachfolgender Fragen:


2. Generelle Erwägungen
Der Interpellant sorgt sich aufgrund der Zahlenentwicklung von drei Konti der Staatsrechnung bzw. des Voranschlags um die Zahlungsmoral gegenüber dem Gläubiger Kanton Basel-Landschaft. Dabei handelt es sich um zwei für die Entwicklung der Zahlungsmoral sehr typische Konti «Abschreibung unerhältlicher Gebühren und Guthaben» (Konto 330.10), nämlich beim Kantonalen Sozialamt (Rubrik 2107) und bei den kantonalen Steuern (Rubrik 2115), sowie um die Aufwandposition «Vergütungszins Staatssteuer» (Konto 2115.321.10), die ein Mass für die Höhe der geleisteten Vorauszahlungen bei den Staatssteuern bildet.
2.1. Bevorschussung von Kinderalimenten
Die Bevorschussung von Kinderalimenten besteht im Kanton Basel-Landschaft seit Mitte 1984. Bis Ende 1997 hatten die Gemeinden den Aufwand für nicht einbringbare Vorschüsse zu übernehmen, seit anfangs 1998 ist dies Aufgabe des Kantons. Mit der Inkraftsetzung des neuen Gesetzes über die Sozial-, die Jugend- und die Behindertenhilfe (Sozialhilfegesetz, SHG; SGS 850) und der Verordnung über die Bevorschussung und das Inkasso von Unterhaltsbeiträgen (BIV; SGS 850.12) per 1. Januar 2002 wurde die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen auf eine neue rechtliche Basis gestellt.
Die Bevorschussungs- und Inkassostelle verfügt über zahlreiche Instrumente, die sie auch vollständig nutzt und ausschöpft. Dazu gehören Betreibungsverfahren (40% bis 45% enden mit der Ausstellung von Pfändungsverlustscheinen), Strafanträge nach Art. 217. StGB (viele Fälle enden mit Einstellung mangels Beweis eines schuldhaften Verhaltens oder einer geringen Busse; zuweilen aber auch mit Abzahlungsvereinbarungen), gerichtliche Anweisungen an Schuldner nach Art. 132 und 291 ZGB (hohe Gerichtskosten; viele Abbrüche wegen Aufgabe der Arbeitsstelle und nur möglich, sofern die Inkassostelle Namen und Adresse des Arbeitgebers ausfindig machen kann und der Lohn den Unterhaltsbetrag übersteigt), Arrestbegehren (v.a. im Fall von zu erwartendem Erbteil), Forderungseingaben an Konkursämter (jährlich 10 bis 20 Eingaben, die in der Regel mit Verlustscheinen enden), internationale Rechtshilfebegehren.
Zwischen 20% und 25% der Schuldner halten sich im Ausland auf oder werden mit dem Vermerk "Unbekannter Aufenthaltsort" geführt; zahlreiche Schuldner sind aber auch arbeitslos oder sozialhilfeabhängig. Eine weitere Gruppe betätigt sich entweder als Selbständigerwerbende, als Gelegenheitsarbeiter oder als temporäre Arbeitskraft. Angaben über das Umfeld der Schuldner können oft höchstens durch die Alimentenberechtigten in Erfahrung gebracht werden.
2.2. Vergütungszins Staatssteuer
In der Aufwandposition «Vergütungszins Staatssteuer» (Konto 2115.321.10) werden nur die nach definitiver Veranlagung ermittelten Zinsen verbucht, nicht aber solche aus provisorischen Abrechnungen. Die angeführte Zahlenreihe ist nicht konsistent, da - wie auch in Randziffer 2.4.2 des Revisionsberichtes Nr. 22/2002 "Bericht zur Staatsrechnung 2001" (vom 17. Mai 2002) der Kantonalen Finanzkontrolle vermerkt - keine Abgrenzung für die Verzinsung sowohl der Vorauszahlungen wie auch von mutmasslichen Verzugszinsen erfolgte.
3. Konkrete Antworten zu den Fragen im Einzelnen

Frage 1: Wie beurteilt der Regierungsrat die Zahlungsmoral der Bürgerinnen und Bürger des Kantons Basel-Landschaft?


Antwort des Regierungsrats:
Generell muss festgestellt werden, dass mit jedem konjunkturellen Einbruch die Zahlungsmoral abnimmt und sich auf tieferem Niveau stabilisiert; dies gilt auch für Forderungen des Kantons, soweit nicht - wie etwa bei der Verkehrssteuer mit der konkreten Androhung des Nummernentzugs bei Zahlungsverzug - einschneidende Massnahmen gesetzlich vorgesehen sind. Es besteht der Eindruck, dass Schulden gegenüber dem Kanton tendenziell als weniger belastend beurteilt werden als solche gegenüber der Wohngemeinde; der Unterschied bezüglich räumlicher Nähe wirkt sich für den Kanton negativ aus.
Für ausstehende Staatssteuern mussten im Jahr 2001 für eine Forderungssumme von insgesamt 43.65 Millionen Franken 15'284 Betreibungen eingeleitet werden. Dies bedeutet gegenüber dem Jahr 1993 (älteres Zahlenmaterial ist nicht verfügbar) eine Zunahme um 60.6% (Betrag) respektive um 53,9% (Anzahl). Die letztjährigen Betreibungen betreffen aber noch keine Forderungen von Steuern für das Steuerjahr 2001.
In den ersten acht Monaten des Jahres 2002 mussten nach Vorliegen von Verlustscheinen bereits 10.93 Millionen Franken bzw. aufgrund von gewährtem Steuererlass 327'700 Franken auf Konto 2115.330.10 belastet werden.
Beim Steuererlass ist im Jahr 2002 ein starker Anstieg an Gesuchen zu konstatieren, der u.a. auf den Wegfall der Steuerbefreiung von Ergänzungsleistungs-Beziehenden sowie der Rentenfreibeträge bei der AHV zurückzuführen ist. Zudem führen auch die massiv gestiegenen Krankenkassenprämien dazu, dass zunehmend mehr Einzelpersonen, aber auch mehrköpfige Familien das betreibungsrechtliche Existenzminimum nicht mehr erreichen, das als Richtschnur für den Steuererlass gilt.
Bei der Bevorschussung von Kinderalimenten liegt der Einbringungstand Ende Juli 2002 bei 45.5% und somit um knapp 2 Prozentpunkte tiefer als für das gesamte 2001 (47.4%); das Budget 2002 ging von einer Einbringungsquote von 44% aus, und für 2003 sind 46.9% budgetiert.
Das Konto 330.10 "Abschreibung unerhältlicher Gebühren und Guthaben" wird im übrigen auch im Rubrikenbereich 40xx Kantonsgericht zunehmend intensiver beansprucht; hier werden auch die Aufwände für unentgeltliche Prozessführung sowie aus Bussenumwandlung budgetiert und verbucht.


Frage 2: Wie wird die Qualität der selbstdeklarierten Steuern beurteilt?


Antwort des Regierungsrats:
Die Qualität der eingereichten Steuererklärungen kann im heutigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend beurteilt werden, da die Veranlagungstätigkeit betreffend die Steuererklärungen 2001B (Grundlage für die Steuern 2001) erst im März 2002 aufgenommen wurde. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen kann aber festgehalten werden, dass bei den Unselbständigerwerbenden die Qualität der eingereichten Steuererklärungen mehrheitlich als gut bezeichnet werden darf. Die Steuererklärungen werden vollständig ausgefüllt und meistens auch mit den notwendigen Beilagen versehen eingereicht. In Einzelfällen lassen die eingereichten Unterlagen - wie bereits in früheren Jahren v.a. in Gemeinden mit hohem Mieter- / Ausländeranteil - bezüglich Qualität und Sorgfalt sehr zu wünschen übrig.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Selbständigerwerbenden. Auch hier fällt die Qualität der eingereichten Steuererklärungen und Unterlagen unterschiedlich aus.
Gesamhaft betrachtet beurteilt die Steuerverwaltung die Qualität jedoch als genügend bis gut. Mit dem Wechsel zur einjährigen Veranlagungsperiode sind bisher keine Änderungen in der Qualität der eingereichten Steuererklärungen feststellbar.


Frage 3: Traten 2001 durch die verminderten Vorauszahlungen für den Kanton Liquidationsengpässe auf und wenn Ja, wie wurden sie überbrückt?


Antwort des Regierungsrats:
Während des gesamten Jahres 2001 wie auch bislang im laufenden Jahr waren keine Liquiditätsengpässe aufgrund von verminderten Vorauszahlungen erkennbar. Im Gegenteil: Bei den derzeitigen Zinsverhältnissen sind Vorauszahlungen für Steuerschuldner höchst attraktiv (Zinssatz 2002 für Vorauszahlungen: 2.5%). Bei Bedarf könnte derzeit kurzfristiges Geld zu äusserst attraktiven, deutlich unter dem Niveau der durchschnittlichen Zinssätze unserer mittel- und langfristigen Schulden liegenden Konditionen auch am Geldmarkt beschafft werden.
Die Zahlungseingänge zugunsten periodischer Staatssteuern 2001 von natürlichen und juristischen Personen lagen mit 833.1 Millionen Franken um gut 1,2 Millionen Franken bzw. 1,5% unter dem Spitzenwert für das Jahr 2000. In den ersten sieben Monaten 2002 ist mit 454.8 Millionen Franken wieder eine Steigerung um 6% gegenüber der vergleichbaren Periode 2001 feststellbar.


Frage 4: Was gedenkt der Regierungsrat zu tun, um die Verluste zu minimieren?


Antwort des Regierungsrats:
Die geltende konsequente Praxis der Schuldeneintreibung unter Ausschöpfung sämtlicher Rechtsmittel durch den Kanton wird weiter verfolgt; Änderungen der Praxis im Sinne einer allfälligen Lockerung werden sicher nicht vorgenommen. Das heutige Inkasso ist anderseits aber bereits ausgesprochen konsequent und kann allenfalls punktuell noch weiter optimiert werden.
Möglich erscheint eine weitere Intensivierung der Zusammenarbeit unterschiedlicher Ämter innerhalb des Kantons, um vermögensrelevante Daten den Bewirtschaftenden von Verlustscheinen noch besser zugänglich zu machen. Es wird noch zu prüfen sein, ob eine konzentriertere Bewirtschaftung der vorhandenen Verlustscheine an einer Stelle unter Kosten-/Nutzen-Aspekten sinnvoll sein könnte.
Hingegen wird weiterhin Abstand genommen von einer Abtretung von Verlustscheinen an Dritte, und auch ein Übergang zu aggressiveren Formen einer Geldeintreibung, wie sie bei privatwirtschaftlich agierenden Schuldeneintreibern vorkommen können, steht beim Kanton Basel-Landschaft nicht zur Diskussion.


Liestal, 5. November 2002


Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin



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