2002-7 (1)


Am 10. Januar 2002 hat Landrat Dieter Völlin von der SVP-Fraktion eine Interpellation betreffend Lotteriefonds: "Gare du Nord" oder Baselbieter Vereine? eingereicht.

Der Interpellationstext lautet:


Am 10. Juni 2001 haben die Stimmberechtigten des Kantons Basel-Landschaft mit deutlichem Mehr das Lotteriemonopol bestätigt. Der Regierungsrat hat sowohl in der Vorlage zu diesem Geschäft als auch in der Abstimmungsbroschüre insbesondere darauf hingewiesen, eine Abschaffung des Monopols könne dazu führen, dass viele kleine Projekte von Vereinen nicht mehr unterstützt würden und dass kleine Vereine von der Unterstützungsquelle ausgeschlossen würden. Ein Komitee "Ja zu Lotteriegeldern für Baselbieter Vereine" setzte sich mit der gleichen Zielrichtung für die Vorlage ein und diese wurde von den Vereinen stark unterstützt.


Bereits am 30. Juni 2001 konnte der Presse entnommen werden, dass der Kulturbeauftragte des Kantons Basel-Landschaft sich stark für ein Zentrum für neue Musik am Badischen Bahnhof ("Gare du Nord") engagiert und dafür rund Fr. 700'000.-- aus dem Lotteriefonds einsetzen will. Gemäss neuesten Medienberichten bezahlt der Kanton Basel-Landschaft als Starthilfe Fr. 120'000.-- und zusätzlich Fr. 500'000.-- an die Betriebskosten für die ersten beiden Jahre, wogegen der Kanton Basel-Stadt keinen Beitrag leistet.


In diesem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen, um deren Beantwortung der Regierungsrat gebeten wird:


1. Hat der Regierungsrat aus dem Lotteriefonds einen Beitrag für ein Zentrum für neue Musik in Basel in der genannten Höhe geleistet?


2. Wie erklärt der Regierungsrat diesen Entscheid den Stimmberechtigen, welche aufgrund der regierungsrätlichen Abstimmungsinformation tatsächlich geglaubt haben, die Mittel des Lotteriefonds würden schwergewichtig für Baselbieter Vereine eingesetzt?


3. Kann sich der Regierungsrat vorstellen, dass man sich als Mitglied des Komitees "Ja zu Lotteriegeldern für Baselbieter Vereine" etwas verschaukelt fühlt?


4. Wieso hat der Regierungsrat die Gesuchsteller nicht auf den Dispositionsteil im Rahmen des Kulturvertrags, welcher am 23.11.1997 von den Stimmbürgern genehmigt wurde, verwiesen?


5. In den Abstimmungserläuterungen für den Kulturvertrag schreibt der Regierungsrat: "Der Kulturvertrag beruht auf einer leicht verständlichen Formel: 1 % aus dem Steueraufkommen der natürlichen Personen steht für das überregionale Kulturangebot in Basel-Stadt zur Verfügung - nicht mehr und nicht weniger."


Fühlt sich der Regierungsrat an seine immerhin Grundlage des Volksentscheids bildenden Aussagen nicht mehr gebunden?


6. Trifft es zu, dass der Regierungsrat möglichst ohne parlamentarisches Verfahren oder gar eine Volksbefragung seine Leistungen an den Kanton Basel-Stadt zu erhöhen versucht? Wenn ja, wieso wählt er den Weg über die Hintertür?


7. Aus den Medienberichten entsteht der Eindruck, das Projekt sei ohne Einbezug des Regierungsrats eingefädelt worden und der Regierungsrat sei vor einem politischen fait accompli gestanden.


Stimmt dieser Eindruck? War der Kulturdirektor bei diesem Projekt von Anfang an involviert oder hat der Kulturbeauftragte in eigener Regie Kulturpolitik betrieben, die der Regierungsrat faktisch nur noch nachträglich zu finanzieren hatte?



Der Regierungsrat nimmt zur Interpellation wie folgt Stellung:

1. Hat der Regierungsrat aus dem Lotteriefonds einen Beitrag für ein Zentrum für neue Musik in Basel in der genannten Höhe geleistet?


Der Regierungsrat hat in seiner Sitzung mit RRB Nr. 1907 vom 27.11.2001 einen Beitrag an die Startphase (2001-2003) des Projekts "Gare du Nord" in der Höhe von CHF 620'000.-- bewilligt; der Beschluss erfolgte auf Antrag der Erziehungs- und Kulturdirektion.


Das Projekt "Gare du Nord" ist im Gelände des Badischen Bahnhofs situiert. An der Startphase des Projekts sind folgende Institutionen/Förderstellen beteiligt: die Deutsche Bahn mit CHF 40'000.--, die GGG Basel mit CHF 200'000.--; zudem der Kanton Basel-Stadt mit einer zweckbestimmten Subvention für das im Gare du Nord domizilierte Orchester für zeitgenössische Musik "Phoenix Ensemble" in der Höhe von CHF 100'000.-- pro Jahr.


Budget und Finanzierungsplan wurden geprüft und für realistisch befunden. Vor allem der Einbezug und die Verteilung der Mittel der engagierten Partner wurde abgesprochen. Der BL-Beitrag mit ca. 45% der Kosten entspricht den Grössenordnungen bei ähnlich gelagerten Projekten der letzten Jahre (Theater ROXY, Kunstverein BL, Theater Palazzo, Kunsthalle Palazzo).


Die Startphase dauert bis und mit 2003. Rechtzeitig vor Ablauf der Startphase wird die Erziehungs- und Kulturdirektion eine Neubeurteilung des Projektes vornehmen. Sollte aus irgendwelchen Gründen der erhoffte Erfolg ausbleiben, so findet das Projekt 2003 sein Ende; bestehende Miet- und Arbeitsverhältnisse könnten ebenfalls auf diesen Zeitpunkt aufgelöst werden.


Falls jedoch das Projekt inhaltlich zu überzeugen vermag und beim Publikum eine erfolgsversprechende Resonanz aufweist, ist der Regierungsrat bereit, Gare du Nord auf ordentlichem Wege zu unterstützen. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Verbreiterung der Trägerschaft. Der Regierungsrat erwartet, dass Stiftungen und Institutionen, die im Musikbereich tätig sind, das Projekt Gare du Nord mit tragen. Zudem müssen die Einnahmen aus Projekten, Gastronomie und Vermietungen stärker mit finanzieren als in der Pilotphase.


Sollte sich der Regierungsrat auf Grund der Lagebeurteilung zu einer Fortführung der Unterstützung über das Jahr 2003 hinaus entschliessen, wird die Erziehungs- und Kulturdirektion im Rahmen eines ordentlichen Vertragsverhältnisses - analog zu anderen Projekten - die zukünftige Unterstützung regeln.




2. Wie erklärt der Regierungsrat diesen Entscheid den Stimmberechtigten, welche aufgrund der regierungsrätlichen Abstimmungsinformation tatsächlich geglaubt haben, die Mittel des Lotteriefonds würden schwergewichtig für Baselbieter Vereine eingesetzt?


Die vom Interpellanten angeführte Aussage, wonach die Mittel des Lotteriefonds schwergewichtig für Baselbieter Vereine eingesetzt werden, ist in den Abstimmungserläuterungen des Regierungsrates v. 10. Juni 2001 nicht zu finden. Der Regierungsrat machte u. a. folgende Aussage: "Mit dem Geld aus dem Lotteriefonds Basel-Landschaft werden gemeinnützige, wohltätige und kulturelle Projekte in unserem Kanton sowie im In- und Ausland unterstützt." Die grosse Bandbreite der möglichen Empfängerinnen und Empfängern von Beiträgen aus dem Lotteriefonds wurde mit zahlreichen anschaulichen Beispielen in den Abstimmungsunterlagen belegt.


Darüber hinaus hält der Regierungsrat fest, dass Startbeiträge für grössere Kulturprojekte mit regionaler Ausstrahlung (z.B. Neue Musik in Rümlingen, ROXY; Palazzo, MARABU, Augusta Konzerte) aus dem Lotteriefonds finanziert werden.


Auf Grund dieser Beitragssprechung gehen den Baselbieter Vereinen oder Gemeinden keinerlei Mittel verloren. Die Annahme, wonach Gesuche von Baselbieter Vereinen oder Gemeinden abgelehnt werden müssten, ist falsch. Auch das Grossprojekt des Laufener Kulturforums wird mit einem grossen Beitrag unterstützt. Die entsprechenden Mittel sind aufgrund eines Budgetprozesses des Lotteriefonds bereitgestellt.


Die Förderkriterien sind den Vereinen und Gemeinden bekannt; die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion und die Erziehungs- und Kulturdirektion sind mit ihnen, zum Teil auch über die Verbände, in regem Kontakt.




3. Kann sich der Regierungsrat vorstellen, dass man sich als Mitglied des Komitees "Ja zu Lotteriegeldern für Baselbieter Vereine" etwas verschaukelt fühlt?


Dazu gibt es keinen Anlass. Das könnte sich der Regierungsrat nämlich nur vorstellen, wenn er den Entscheid zugunsten des "Gare du Nord" mit Streichungen oder Kürzungen bei Gesuchen von basellandschaftlichen Vereinen oder Gemeinden verbinden müsste. Dies ist aber nicht der Fall.




4. Wieso hat der Regierungsrat die Gesuchsteller nicht auf den Dispositionsteil im Rahmen des Kulturvertrags, welcher am 23.11.1997 von den Stimmbürgern genehmigt wurde, verwiesen?


Die Mittel aus der Kulturvertragspauschale dienen der Unterstützung von langjährigen Institutionen, die eine überregionale Zentrumsleistung erbringen. Auch der Dispositionsteil steht - gemäss den Bestimmungen - nur den Institutionen zur Verfügung, die bereits wiederkehrende Beiträge erhalten; er ist bestimmt für Sonderprojekte und Infrastrukturen. Startbeiträge an neue Förderbeiträge sind nicht möglich.




5. In den Abstimmungserläuterungen für den Kulturvertrag schreibt der Regierungsrat: "Der Kulturvertrag beruht auf der leicht verständlichen Formel: 1% aus dem Steueraufkommen der natürlichen Personen steht für das überregionale Kulturangebot in Basel-Stadt zur Verfügung - nicht mehr und nicht weniger."


Fühlt sich der Regierungsrat an seine immerhin Grundlage des Volksentscheids bildenden Aussagen nicht mehr gebunden?


Der Regierungsrat fühlt sich nach wie vor an diesen Entscheid gebunden. Der Startbeitrag an das Projekt Gare du Nord betrifft nicht eine Institution mit Zentrumsleistungsfunktion, sondern ist ein ergänzendes Instrument im Bereich der projektorientierten Musikförderung - ein kleinerer Probe- und Aufführungsort für alle Musikschaffenden der Region, für ein wachsendes regionales Publikum, das Profis und Amateuren eine Plattform bietet, die es bisher so nicht gab.


Das Projekt versteht sich als logisches Folgeprojekt aus dem sehr erfolgreichen Europäischen Musikmonat 2001, das der Kanton Basel-Landschaft massgeblich mitunterstützt hat, und in dem sehr viele Baselbieter Institutionen beteiligt waren (JMS, Schulen, Ensembles, Lehrkräfte, Musikschaffende). In diesem Sinne versteht der Regierungsrat das Projekt als Baselbieter Kultur-Projekt, das nicht im Zusammenhang mit einer kulturellen, überregionalen Zentrumsleistung definiert werden muss.




6. Trifft es zu, dass der Regierungsrat möglichst ohne parlamentarisches Verfahren oder gar eine Volksbefragungen seine Leistungen an den Kanton Basel-Stadt zu erhöhen versucht? Wenn ja, wieso wählt er den Weg über die Hintertür?


Diese Annahme trifft nicht zu. Der Regierungsrat hat die Beurteilung und die Entscheidungen über das Projektes auf dem üblichen Weg kommuniziert und vorher die Entscheidungen im Rahmen seiner Kompetenzen und der seit Jahren bestehenden und bewährten Förderpraxis im Bereich Kultur getroffen.


Ähnlich wie beim Theater ROXY, das kein Ort oder keine Institution mit Zentrumsfunktion ist, versteht sich das Projekt im Badischen Bahnhof als Teil der bestehenden Projektförderung. Der Raum im Badischen Bahnhof ist von der Grösse und dem Charakter her geeignet; er war der einzige, der wirklich zur Verfügung stand, bereits erprobt und bei den Musikschaffenden der Region bekannt. Im Sinne einer gegenseitigen Aufgabenteilung mit dem Erziehungsdepartement Basel-Stadt wurde vereinbart, dass sich der Kanton Basel-Landschaft im Feld der Projektförderung der zeitgenössischen Musik widmen sollte, während der Kanton Basel-Stadt verstärkt die Neuen Medien fördern wird. Vor diesem Hintergrund ist Gare du Nord kein zentralörtliches Projekt von oder in Basel-Stadt, sondern eines, das der Kanton Basel-Landschaft gezielt im Rahmen seiner kulturpolitischen Prioritäten mitträgt.




7. Aus den Medienberichten entsteht der Eindruck, das Projekt sei ohne Einbezug des Regierungsrates eingefädelt worden und der Regierungsrat sei vor einem politischen fait accompli gestanden.


Stimmt dieser Eindruck? War der Kulturdirektor bei diesem Projekt von Anfang an involviert, oder hat der Kulturbeauftragte in eigener Regie Kulturpolitik betrieben, die der Regierungsrat faktisch nur noch nachträglich zu finanzieren hatte?


Der beschriebene Eindruck ist falsch. Bereits im Vorfeld des Europäischen Musikmonats während des Jubiläumsjahres 2001 verfolgte der Vorsteher der Erziehungs- und Kulturdirektion die Absicht, nach einem überschaubaren Nachfolgeprojekt zu suchen. Der Vorsteher der Erziehungs- und Kulturdirektion führte - unterstützt durch den Leiter der Hauptabteilung Kulturelles - Gespräche mit dem Vorsteher des Erziehungsdepartementes Basel-Stadt und den Repräsentantinnen des Projektes. Zum Zeitpunkt des Entscheides gab es für den Regierungsrat keine präjudizierenden Verbindlichkeiten. Der Entscheid des Regierungsrates entspricht einem bewussten kulturpolitischen Engagement des Kantons Basel-Landschaft.


Der Leiter der Hauptabteilung Kulturelles war auftragsgemäss zuständig für die Vorbereitung des Geschäftes zur Unterstützung des Direktionsvorstehers und zur Vorbereitung des Regierungsratsentscheides.


Liestal, 9. April 2002


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Schmid
Der Landschreiber: Mundschin



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