2001-84 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Antwort des Regierungsrates zur schriftlichen Anfrage von Franz Ammann: Entwicklung der Folgen des Cannabis-Konsums unter Jugendlichen
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vom:
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5. Juni 2001
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Nr.:
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2001-084
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Bemerkungen:
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I.
Im Folgebericht 2000 der Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion zur Sucht- und Drogenarbeit im Kanton Basel-Landschaft wird an verschiedenen Stellen darauf hingewiesen, dass eine Zunahme des Cannabis-Konsum unter Jugendlichen festzustellen sei. Forschungszahlen der Schweizerischen Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme (SFA) in Lausanne bestätigen diese Feststellungen.
Landrat F. Ammann, Muttenz (SD) reichte zu diesen Themen eine schriftliche Anfrage mit folgendem Wortlaut ein:
"Gemäss verlässlichen Informationen nimmt der Cannabis-Konsum unter Jugendlichen laufend zu. Bei manchen - nicht bei allen - Konsumentinnen und Konsumenten führt dies zu gravierenden gesundheitlichen Problemen. Einerseits werden die Drogenberatungsstellen immer mehr beansprucht und anderseits müssen auch immer mehr Jugendliche in ärztliche Behandlung überführt werden. Laut einem Zeitungsbericht waren im Jahre 1998 im Baselbiet 57 Jugendliche in psychiatrischer Behandlung wegen Cannabis-Konsum, im Jahre 1999 waren es bereits 107 Klienten.
Ich bitte deshalb den Regierungsrat, folgende Fragen zu beantworten:
1. Wie beurteilt er die Probleme rund um den zunehmenden Cannabis-Konsum von Jugendlichen?
2. Wie hat sich die Zahl der sich in psychiatrischer Behandlung befindlichen Jugendlichen im Jahre 2000 entwickelt? Gibt es bereits Tendenzen für die Zukunft?
3. Wie beeinflussen psychiatrische und allgemein ärztliche Behandlungen die Gesundheitskosten? Gibt es bereits erste Schätzungen betreffend die Auswirkungen auf die Krankenkassenprämien?
4. Muss unser Kanton mittelfristig noch mehr Beratungsstellen für jugendliche Süchtige Cannabis-Konsumenten anbieten? Wenn ja, mit welchen Kosten ist zu rechnen?
5. Mit welchen Massnahmen will er dem sich ausbreitenden Cannabis-Konsum entgegentreten?"
II.
Auftragsgemäss berichtet der Regierungsrat was folgt:
Die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion hat diese Fragen der Drogenberatung Baselland, dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst Baselland sowie der Kantonalen Psychiatrischen Klinik zur Stellungnahme unterbreitet. Im Folgenden erlauben wir uns den gemeinsamen Bericht der Kantonalen Psychiatrischen Dienste (KPD) wiederzugeben.
1. Wie beurteilt er die Probleme rund um den zunehmenden Cannabis-Konsum von Jugendlichen?
Gemäss aktuellen gesamtschweizerischen Repräsentativ-Studien (unter anderem SFA, Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme) und auch nach unseren eigenen Feststellungen konsumieren Jugendliche allgemein früher und in höherem Masse Suchtmittel.
Im Speziellen konsumieren Jugendliche zunehmend:
- Legale Drogen: Nikotin, Alkohol
- Illegale Drogen: Cannabis (ein starker Anstieg ist nachgewiesen), Designer-Drogen. Eine Ausnahme macht Heroin, dessen Konsum nicht mehr zunimmt.
- Zusätzlich ist eine Tendenz festzustellen, dass vermehrt verschiedene Drogen (illegale und legale) kombiniert konsumiert werden, was eine Verschärfung der Problematik mit sich bringt.
Ein grosser Teil der Jugendlichen hat lediglich einen vorübergehenden, wenig problematischen Konsum von Cannabis. Unter den Jugendlichen, die einen risikoreichen Konsum aufweisen (definiert als regelmässiger Konsum, mindestens einmal pro Woche) sucht nur ein kleiner Teil professionelle Hilfe auf.
Man schätzt, über alle Altersgruppen gerechnet, dass etwa 14% der Bevölkerung einen risikoreichen Substanzenkonsum pflegt. Von dieser Risikogruppe (zu 100% genommen) missbraucht etwa 8,5% Cannabis (Alkohol ca. 50%, Medikamente ca. 14%, Opiate ca. 3%).
2. Wie hat sich die Zahl der sich in psychiatrischer Behandlung befindlichen Jugendlichen im Jahre 2000 entwickelt? Gibt es bereits Tendenzen für die Zukunft?
Psychosoziale Probleme bei Jugendlichen nehmen allgemein zu und werden zunehmend auch wahrgenommen und diagnostiziert. Cannabis-Konsum mit diesem Hintergrund ist oft Symptom resp. ein Versuch zur Bewältigung von psychischen Belastungszuständen, die individuell, familiär, schulisch, gesellschaftlich etc. bedingt sind. Statistiken zeigen, dass aus verschiedensten Gründen, allgemein die Zahlen der psychiatrisch behandelten Jugendlichen weiterhin zunimmt, die weitere Entwicklung ist schwer zu prognostizieren.
Bei der Drogenberatung Baselland (DBL) wurden sowohl 1999 wie 2000 knapp 1000 Fälle registriert. Tendenz ist jedoch eine zunehmende Inanspruchnahme der DBL von Jugendlichen und deren Umfeld. Cannabismissbrauch war jedoch nur bei 77 Fällen (2000 gegenüber 107, 1999) das Hauptproblem.
Der Kinder- und Jugendpsychiatrie Dienst (KJPD) behandelte im Jahr 1999 1217 Patienten und im Jahr 2000 1326 Patienten. Cannabis-Missbrauch wurde als Diagnose 24 mal (1999) und 14 mal (2000) gestellt, meist war es eine Nebendiagnose.
Hingegen wurde Konsum an sich am KJPD statistisch nicht erfasst: Die Jugendlichen, die zum KJPD in psychiatrische Behandlung kommen, rekrutieren sich aus allen Kreisen und konsumieren wohl genau so oft Cannabis, wie in der Altersgruppe üblich, aber nur bei den wenigsten ist dieser Konsum direkt mit den Problemen verknüpft. Die kontinuierliche Zunahme der Beanspruchung des KJPD in den letzten 10 Jahren mit einer leicht überproportionalen Zunahme der stationären Patientinnen und Patienten dürfte tatsächlich auf eine Akzentuierung der psychosozialen Problematik hinweisen, namentlich auf die verbreitete Perspektivelosigkeit von Heranwachsenden. Der Cannabismissbrauch stellt darin oft ein Selbstheilungsversuch dar.
In der KPK wurden im Jahre 2000 von total 1120 Austritten, in 8 Fällen Störungen durch Cannabismissbrauch als Erstdiagnose registriert.
3. Wie beeinflussen psychiatrische und allgemein ärztliche Behandlungen die Gesundheitskosten? Gibt es bereits erste Schätzungen betreffend die Auswirkungen auf die Krankenkassenprämien?
Es kommt - wie aufgezeigt - nur selten vor, dass Jugendliche wegen Cannabis-Missbrauchs als Hauptproblem in allgemeinärztliche oder psychiatrische Behandlung kommen. Insofern sind die direkten Auswirkungen auf die Gesundheits- bzw. Krankenkassenkosten zu vernachlässigen. Aber gerade bei jungen Leuten, die in ihrer seelischen Struktur und Entwicklung gefährdet sind, kann Cannabis-Konsum sehr ungünstige Auswirkungen haben: Er kann bei ihnen bestimmte Entwicklungsstörungen und Erkrankungen auslösen und evtl. unterhalten. Diese Erkrankungen sind in einigen Fällen schwerwiegender, psychotischer Natur und erfordern aufwändige, langfristige Behandlungen. Aber Cannabis ist meist nur als Mitursache zu werten. So entstehen indirekte Kosten, die sehr schwer abzuschätzen sind. Im Gesamten der psychiatrischen Behandlungskosten machen diese aber gewiss nur einen kleinen Teil aus
4. Muss unser Kanton mittelfristig noch mehr Beratungsstellen für jugendliche süchtige Cannabis-Konsumenten anbieten? Wenn ja, mit welchen Kosten ist zu rechnen?
Die Notwendigkeit von niederschwelligen Jugendberatungsstellen (nicht ausschliesslich bezüglich Cannabis-Problematik) und der Jugendarbeit in den Gemeinden (z.B. Schulsozialarbeit, aufsuchende Jugendarbeit u.a.) wird von verschiedenen Seiten erkannt. Zum Teil sind auch Bestrebungen für einen Ausbau diverser Hilfsangebote im Gange. Auch die DBL hat auf den steigenden Bedarf unter anderem mit einer Spezialisierung für diesen Altersbereich als Schwerpunkt reagiert. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, wurde vorerst eine Jugendpsychologin eingestellt, eine Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt Adoleszenz gegründet. Eine weitere Stelle für Jugendarbeit (50%-Pensum) ist von der DBL für das Jahr 2002 beantragt.
5. Mit welchen Massnahmen will er dem sich ausbreitenden Cannabis-Konsum entgegentreten?
Diese Frage kann aus Sicht der KPD nur begrenzt beantwortet werden:
- Ausbau des Angebotes der DBL (siehe oben unter Frage 4).
- Ausbau und Vernetzung einer professionellen (z.T. schon bestehenden) Präventionsarbeit in Schulen und Gemeinden.
- Jugendschutzbestimmungen aktualisieren und durchsetzen.
Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion die Problematik erkannt hat und durch ihre Gesundheitsförderung bereits 1999 ein Informationsblatt (Beilage 1) für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer veröffentlicht hat, dessen 1. Auflage von 15 700 Exemplaren in kurzer Zeit vergriffen war. Die zweite Auflage kann über den Präventionsbeauftragten Udo Kinzel bezogen werden. Herr Kinzel hat ausserdem seine Aktivitäten an den Schulen des Kantons (Beilage 2) bezüglich Cannabis-Konsum im Rahmen seiner Möglichkeiten verstärkt.
Die direktionsübergreifende "Steuergruppe Jugend Baselland" ist der Ansicht, dass im Kanton Basel-Landschaft dringend eine handlungsfähige Struktur geschaffen werden muss, dank welcher die Anliegen von Kindern und Jugendlichen bzw. Institutionen, welche in diesen Bereichen tätig sind, wahrgenommen und auf geeignete Weise unterstützt werden können. Damit könnte Formen von selbst- oder fremdschädigendem Verhalten von Jugendlichen primärpräventiv begegnet werden.
In der Planungsgruppe Substanzabhängigkeit für die "Folgeplanung II zum Psychiatriekonzept" wurde der Problematik des Cannabis-Konsums die notwendige Beachtung geschenkt. Die Ergebnisse der Gruppe werden in der Ist-Planung berücksichtigt und im abschliessenden Bericht bestimmt gebührend gewürdigt.
Liestal, 5. Juni 2001
Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Koellreuter
Der Landschreiber: Mundschin
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