2001-73

Von wegen "Freundliche Zone" - auf der Strasse gilt heute das Faustrecht. Corina Christens "Angerichtet"-Kolumne in der BaZ zeugt davon, wie oft wegen Verkehrsdelikten, über die man nur den Kopf schütteln kann, die Gerichte bemüht werden. Ehrverletzungsklagen sind noch das Harmloseste, sehr oft geht es in der Zwischenzeit um Tätlichkeiten. Viele AutofahrerInnen sind offensichtlich vom wachsenden Verkehr überfordert, (den sie selbst verursachen) - und laufen Amok. "Die Leute fahren immer aggressiver. Alle sind zu spät dran, da wird zu schnell gefahren, links und rechts überholt, hineingedrückt - es wird immer schlimmer", meint dazu ein Taxichauffeur (TA vom 16.12.2000).


Mit schweren Fällen, bei denen die Polizei gerufen wird, befasst sich Erwin Scheuchzer, Chef der Abteilung Verkehrssicherheit in Zürich (TA 16.12.00). Er fragt sich manchmal, ob so etwas überhaupt möglich ist, wenn beispielsweise eine hochschwangere Frau mit ihrem Vierjährigen bei Grün über die Strasse geht und ihr ein Autofahrer, dem es nicht genug schnell geht, in die Beine fährt - selbstverständlich mit Fahrerflucht. Oder ein leider inzwischen klassischerr Fall ist die Machtdemonstration mit Unfallfolgen zwischen zwei Blechkisten. Dazu Scheuchzer: "In solchen Situationen kommt der Urmensch zum Vorschein; jeder will zeigen, dass er der Stärkere ist".


Kaum jemand denkt in seiner blinden Wut daran, wie gefährlich ein aggressiver Fahrstil ist. Velokurier Alex Schück sagt: " AutofahreInnen vergessen oft, dass unser Bremsweg viel länger ist und bremsen uns aus. Das ist extrem gefährlich - nicht für sie, für uns kann das aber den Tod bedeuten." Dazu meint Scheuchzer: "Mit dem Auto wird eine Masse in Bewegung gesezt, gegen die FussgängerInnen und VelofahrerInnen keine Chance haben."


Berufschauffeure meinen, dass zum aggressiven Klima nicht nur die zusätzlichen Fahrzeuge führen, sondern auch der Kulturwandel in der Gesellschaft. Früher bewahrten LenkerInnen bei einem Zwischenfall eher Haltung, heute lässt man sich gehen. An die Konsequenzen denken die meisten erst wenn es zu spät ist und sind dann völlig erstaunt, wenn sie plötzlich vorbestraft sind oder - vermutlich für die meisten inzwischen noch schlimmer - den Führerschein abgeben müssen.


Für notorische Verkehrsdelinquenten hat das Bezirksgericht Zürich nun einen interessanten Modellversuch unter dem Stichwort "Aggression im Strassenverkehr" gestartet. Dabei handelt es sich um einen Verkehrserziehungskurs, bei dem die Teilnehmer mit Zahlen und Fakten über Verkehrsunfälle, aber auch mit Unfallopfern konfrontiert werden. Er wendet sich an Rückfalltäter, die auch wegen Alkohol am Steuer von der Justiz zugewiesen werden. Das Angebot ist - zu unserem grossen Erstaunen, wir dachten, etwas Analoges gäbe es bereits längstens - erstmalig in der Schweiz, doch hoffentlich nicht einmalig! Denn da offensichtlich Bussen nichts nützen, braucht es griffigere Massnahmen, um der lebensverachtenden Aggression im Strassenverkehr beizukommen. Wir forderen den RR deshalb auf,



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