2001-106 (1)
Bericht Nr. 2001-106 an den Landrat |
Bericht der:
|
Erziehungs- und Kulturkommission
|
|
vom:
|
15. August 2001
|
|
zur Vorlage Nr.:
|
||
Titel des Berichts:
|
Schliessung des Lehrateliers für Damenschneiderinnen an der Gewerblich-industriellen Berufsschule Liestal
|
|
Bemerkungen:
|
Landratsbeschluss
(Fassung der Kommission)
|
|
1. Die Vorlage im Überblick
Zu Beginn des Schuljahres 1975/76 nahm das Lehratelier für Damenschneiderinnen seine Tätigkeit auf. Einerseits bestand damals ein grosser Bedarf an gelernten Damenschneiderinnen - der Beruf wurde auch als ideale Ausbildung für anspruchsvolle Aufgaben im Textilgeschäft sowie als gute Grundlage für Modeberufe oder Handarbeitslehrerinnen beurteilt - und andererseits war im Landrat ein entsprechendes Postulat eingereicht worden.
Schwankende Ertragszahlen und die unterschiedliche Beschäftigungssituation der Ausgebildeten nach der Lehrzeit waren nun Anlass zu einer Standortbestimmung. Die Aufsichtskommission der Gewerblich-industriellen Berufsschule Liestal beauftragte eine Arbeitsgruppe, Wert und Bedeutung dieser Ausbildungsstätte zu analysieren. Die Arbeitsgruppe empfahl schliesslich, das Lehratelier neu als Berufsfachschule zu konzipieren, wie dies das neue BG über die Berufsbildung vorsieht. Da Berufsfachschulen vor allem für Berufe mit einem hohen "Theorieanteil" vorgesehen sind und überdies grundsätzlich umstritten sind, hat sich das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung entschlossen, den Antrag zur Schliessung des Lehrateliers zu stellen. Der Berufsbildungsrat hat dem Antrag - bei 2 Enthaltungen - zugestimmt.
Begründet wird der Antrag in erster Linie mit wirtschaftlichen und bildungspolitischen Überlegungen (grosse Veränderungen in der Textilbranche, Produktionsverlagerungen in andere Länder/Regionen, Unterschreiten der kritischen Grösse in den Fachklassen der Berufsschule, schlechte Berufsaussichten, usw.). Der Regierungsrat schliesst sich diesen Überlegungen an und beantragt dem Landrat in der Vorlage vom 10. April 2001 die Schliessung auf das Ende des Schuljahres 2003/04.
Das Lehratelier beschäftigt zur Zeit eine Lehrmeisterin (100%-Pensum), eine Assistentin (45%-Pensum), eine Fachlehrerin (50%-Pensum) sowie eine Zeichnungslehrerin (16%-Pensum). In Ausbildung sind insgesamt 12 Lehrtöchter (3 Lehrjahre). Der Netto-Aufwand beträgt jährlich rund CHF 165'000.-. Rechnet man die Kosten des Berufskundeunterrichts von CHF 85'000.- dazu, würde aus einer Schliessung eine Einsparung von jährlich rund CHF 250'000.- resultieren.
2. Die Beratung in der Kommission
Die EKK hat die Vorlage anlässlich ihrer Sitzung vom 28. Juni 2001 in Anwesenheit von Regierungsrat Peter Schmid, Martin Leuenberger, Direktionssekretär der EKD, sowie Niklaus Gruntz, Leiter Amt für Berufsbildung und Berufsberatung, behandelt. Ferner waren die Damen Margrit Bachmann, Präsidentin Modegewerbeverband Basel-Landschaft und Ella Browar, ehemalige Atelierleiterin und Mitglied des Schweiz. Modegewerbeverbandes, zur Anhörung eingeladen. Frau Browar hat überdies in der bereits erwähnten Arbeitsgruppe mitgearbeitet. Der Kommission stand ausserdem der von der Arbeitsgruppe erarbeitete Bericht "Lehratelier für Damenschneiderinnen und Damenschneider: 'Quo vadis' ?" zur Verfügung.
Dieser Bericht ist insofern sehr aufschlussreich, als er sich nicht nur mit dem basellandschaftlichen Lehratelier auseinandersetzt, sondern auch die regionale Situation der Ateliers in Basel, Olten und Rheinfelden analysiert und dabei die Feststellung macht, dass die sogenannt traditionellen Ateliers (Liestal, Rheinfelden und Basel) mit den gleichen Problemen konfrontiert sind, während sich Olten als Schule für Mode und Gestaltung deklariert und somit auch über Raum für das Experimentieren mit Mode und Material verfügt, was die Arbeit mit und für Kunden nicht ausschliesst.
Angesichts der Tatsache, dass
- die Nachfrage nach Dienstleistungen des Lehrateliers ungenügend sind
- im Lehratelier keine "normalen" Lehrlingslöhne bezahlt werden können (diese wären zu nahe am Lohn nach Lehrabschluss)
- Billigangebote von Modehäusern/Grossverteilern das Selber-Herstellen von Kleidungsstücken immer unattraktiver werden lässt
- selbst die Haute-Couture-Ateliers immer mehr Konkurrenz von ausländischen Herstellern (Fernost) erhalten, welche die Masse der Kleider in der Schweiz nehmen und dann im eigenen Land produzieren
- die meisten Modehäuser mit angelernten Kräften arbeiten, die zu entsprechend günstigen Lohnbedingungen arbeiten
erscheint der Kommission eine Neuausrichtung der Ausbildung unumgänglich.
Die geänderten Berufsaussichten - so fällt u.a. auch die Weiterbildung zur Handarbeitslehrerin künftig weg - zwingen ebenfalls zu konzeptionellen Anpassungen der Ausbildung, wobei der Betrieb eines Lehrateliers durch den Staat mehr oder weniger ein Unikum darstellt (bei der Grundschule Metall wird nur das 1. Lehrjahr vom Staat angeboten).
Die Diskussion mit den beiden Vertreterinnen des Modeverbandes zeigte überdies auf, dass der Verband nicht in der Lage wäre, die Lehrlinge selber auszubilden (zur Zeit gibt es - vom Lehratelier ausgenommen - nur 3 Lehrbetriebe); der basellandschaftliche Verband zählt wohl noch rund 20 Mitglieder, davon sind aber lediglich noch etwa 8 eigentlich aktiv.
Der Kommission war aber auch klar, dass es mit einer Schliessung allein nicht getan ist - eine Auffassung, der sich auch die Verwaltung anschliessen konnte. Sie vertritt die Meinung, dass eine gestalterische Ausbildung im textilen Bereich auch künftig angeboten werden soll. Dies im Sinne einer Grundausbildung, welche sowohl die handwerklichen Fähigkeiten vermittelt, aber auch auf weiterführende oder neue berufliche Herausforderungen vorbereitet. In diesem Sinn schlägt die Kommission vor, dass die Regierung unter Einbezug privater Ateliers sowie in Zusammenarbeit mit den Ateliers Basel und Rheinfelden eine Neukonzeption ausarbeitet.
Eintreten auf die Vorlage war von allen Seiten unbestritten.
3. Detailberatung des Landratsbeschlusses
Mit 12 zu 0 Stimmen und ohne Enthaltungen beantragt die Kommission somit einstimmig,
- der Schliessung des Lehrateliers für Damenschneiderinnen zuzustimmen
- der Regierung aber gleichzeitig den Auftrag zur Ausarbeitung einer regionalen Neukonzeption der Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin/zum Bekleidungsgestalter zu erteilen (neue Ziffer 2 des Landratsbeschlusses)
- auf die bisherige Ziffer 2 (Auftrag an Regierungsrat zum Vollzug der Schliessung) zu verzichten.
Pfeffingen, den 15. August 2001
Im Namen der Erziehungs- und Kulturkommission
Der Präsident: Eugen Tanner
Back to Top