2001-106

1. Zu Entstehung und Entwicklung des Lehrateliers


1.1. Gründungsgeschichte aus dem Jahre 1975


Das Lehratelier für Damenschneiderinnen ist durch Beschluss des Regierungsrates (Nr. 3851 vom 22. November 1974) im Frühjahr 1975 (Beginn des Schuljahres 1975/76) eröffnet worden.


Zur Legitimierung des Lehrateliers führte der Regierungsrat damals aus: ..." Das Amt für Berufsberatung bestätigt uns die Beobachtung, dass der Bedarf an ausgelernten Damenschneiderinnen gross ist, gilt er doch als ideale Ausbildung für anspruchsvolle Stellungen in Textilgeschäften und in der Konfektionsindustrie oder als gute Grundlage für Modeberufe, Fachlehrerin für Erwachsenenkurse oder Arbeitslehrerin. Aber auch für Damenschneiderinnen mit eigenem Atelier wird immer ein Bedürfnis bestehen.... Nachdem sich die Kantonale Lehrlingskommission schon im Jahre 1968 zum ersten Mal veranlasst sah, sich mit der Schaffung eines Lehrateliers zu beschäftigen, ist man heute zur Überzeugung gelangt, dass ein weiteres Zuwarten nicht mehr verantwortet werden kann. Dieser Antrag ist gleichzeitig auch eine Antwort auf das Postulat von Frau E. Bühler, Lupsingen, vom 22. August 1974 im Landrat."




1.2. Entwicklung des Lehrateliers


Das Lehratelier bildet pro Jahr vier bis fünf Lehrtöchter/Lehrlinge aus, was bei der dreijährigen Lehrzeit des Damenschneiderinnenberufes einen Bestand von 12 bis maximal 14 Auszubildenden ergibt. Ab 1978 wurde der Lehrmeisterin eine Aushilfsangestellte mit einem halbtägigen Einsatz pro Woche zur Seite gestellt, 1985 ist daraus eine Assistentinnenstelle mit einem 45-Prozentpensum (20 Wochenstunden) geschaffen worden.


Auf Ende 1988 ging die erste Leiterin des Ateliers in Pension; ihre Nachfolgerin führt bis heute das Lehratelier, zusammen mit der 1985 angestellten Assistentin.


Schwankende Ertragszahlen und die unterschiedliche Beschäftigungssituation der Ausgebildeten nach der Lehrzeit führten indessen in den vergangenen Jahren immer wieder zur Frage nach der Existenzberechtigung dieser Lehrwerkstätte. Mitte Juni 1999 setzte die Aufsichtskommission der Gewerblich-industriellen Berufsschule Liestal deshalb eine Arbeitsgruppe ein zum Thema "Lehratelier für Damenschneiderinnen - Quo vadis?". Sie hatte als Hauptfrage zu beantworten: "Was ist uns diese Ausbildungsstätte wert und welche Bedeutung hat sie im Rahmen einer attraktiven beruflichen Grundausbildung insbesondere für junge Frauen, dies auch im Hinblick auf die Schaffung einer Abteilung für Modedesign/Körper-Textil an der Fachhochschule beider Basel?".


Die Arbeitsgruppe setzt sich zusammen aus Annemarie Graf-Leuppi, Leiterin der Berufs- und Studienberatung, Heidy Uebelhart, Mitglied der Aufsichtskommission der GIBL und Vertreterin des Modegewerbeverbandes BL, Beatrice Geier, Vertreterin der Erziehungs- und Kulturkommission des Landrates, Ella Browar, ehemalige Atelierleiterin, Zürich, und Mitglied des schweizerischen Modegewerbeverbandes.


In ihrem Schlussbericht vom 19. April 2000 kommt die Arbeitsgruppe zu folgenden Schlussfolgerungen und Anträgen: .... Damit das Lehrstellenangebot in der Region erhalten bleibt und weiterhin eine Grundausbildung im Textilbereich angeboten werden kann, sind beim Damenschneiderinnenatelier in Liestal grundsätzliche Änderungen nötig. Dabei sind folgende Rahmenbedingungen zu beachten:


Die Neukonzeption des Lehrateliers ist ohne fundamentale Veränderungen nicht möglich, deshalb empfehlen wir, eine Zusammenlegung mit anderen Ateliers in der Region zu prüfen....


Als Antrag empfiehlt die Arbeitsgruppe die Einsetzung einer Projektgruppe zur Erarbeitung der Neukonzeption des Lehrateliers als Berufsfachschule , wie dies das neue Bundesgesetz über die Berufsbildung vorsieht.


Der Bericht der Arbeitsgruppe "Lehratelier für Damenschneiderinnen - Quo vadis?" ist der Aufsichtskommission der Gewerblich-industriellen Berufsschule wie auch dem Amt für Berufsbildung und Berufsberatung als Aufsichtsorgan des Lehrateliers zugestellt worden.


Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung weist in seinem Kommentar zum Bericht der Arbeitsgruppe darauf hin, dass Berufsfachschulen - in diese Richtung laufen die Diskussionen und die Ergebnisse der gesamtschweizerischen Vernehmlassung zum neuen Berufsbildungsgesetz - eher für Berufe im Gesundheitswesen oder für Berufe mit hohem Theorieanteil wie Informatiker, Mediamatiker etc. vorgesehen sind. Für die Ausbildung zur Schneiderin / zum Schneider sind keine Berufsfachschulen vorgesehen.


Im Weiteren hält das AfBB fest, dass sich ein Teil der Wirtschaft generell gegen die Einführung von Berufsfachschulen wehrt, weil eine Zweiteilung der Berufsbildung befürchtet wird.




2. Antrag auf Schliessung des Lehrateliers an der Gewerblich-industriellen Berufsschule Liestal


2.1. Stellungnahme der Aufsichtsorgane


Das Amt für Berufsbildung und Berufsberatung beantragt die Schliessung des Lehrateliers. Der Berufsbildungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat diesem Antrag einstimmig, bei zwei Enthaltungen, zugestimmt. Die Aufsichtskommission der gewerblich-industriellen Berufsschule Liestal hat von diesem Antrag Kenntnis genommen. Der Regierungsrat schliesst sich den Überlegungen, die zum Antrag "Schlies-sung des Lehrateliers" geführt haben, aus folgenden Gründen an:




2.2. Wirtschaftliche und bildungspolitische Überlegungen


In den vergangenen 25 Jahren haben sich sowohl die wirtschaftlichen als auch die bildungspolitischen Verhältnisse in unserer Region stark verändert. Die Textilbranche als ehemals bedeutsamer Industriezweig unseres Kantons hat ihre Produktionsstandorte in andere Regionen und Länder verlegt. Neben den Ausbildungsplätzen im Lehratelier gibt es im Kanton gerade noch drei Lehrmeisterinnen mit privaten Ateliers. Die Fachklassen an der Liestaler Berufsschule sind deshalb unterbelegt (7 - 9 Schüler/innen). Nach Bundesvorschriften werden in der Regel nur Berufsklassen mit einem Minimalbestand von 10 Schülern/Schülerinnen subventioniert; kleinere Klassen bedürfen einer Sondergenehmigung, welche zeitlich meist nur befristet gewährt wird.


Die Frage, ob der Beruf Damenschneiderin noch einem Bedarf der Wirtschaft unserer Region entspricht, und ob er immer noch eine ideale berufliche Grundausbildung für Jugendliche, insbesondere für junge Frauen darstellt (einer der klassischen Frauenberufe, wie 1975 zur der Einführung des Lehrateliers angeführt), muss deshalb verneint werden.


In Basel sind auf der Sek-Stufe 2 attraktive Ausbildungen Richtung Textil an der Berufs- und Frauenfachschule wie auch an der Schule für Gestaltung geschaffen worden. Interessenten und Interessentinnen aus unserem Kanton wird der Besuch dieser Ausbildungsgänge, die teilweise den von der Arbeitsgruppe geforderten Ausbildungen entsprechen, im Rahmen des Regionalen Schulabkommens ermöglicht. Es ist wenig sinnvoll, ein weiteres, ähnliches Angebot in Liestal zu konzipieren.




2.3. Personelle Konsequenzen


Von einer Schliessung des Lehrateliers sind betroffen:


Bei der Schliessung des Lehrateliers auf Ende Schuljahr 2003/04 könnte sowohl die Lehrmeisterin als auch die Fachlehrerin im Alter von 62 Jahren pensioniert werden. Für die Übergangszeit zwischen Ende Schuljahr und dem Erreichen des 62. Altersjahres per 4.8. bzw. 25.12.2004 kann für eine ungekürzte Rente eine Lösung gefunden werden.


Für die Assistentin und die Zeichnungslehrerin muss eine ordentliche Kündigung gemäss §19, Abs. 3, lit. b. des Personalgesetzes ausgesprochen werden.


Lehrtöchter, welche ihre Lehre im Atelier auf Schuljahr 2001/02 beginnen, schliessen diese Ende Schuljahr 2003/04 ab.




2.4. Finanzielle Konsequenzen


Die Nettokosten für das Lehratelier (Aufwendungen minus Verkaufseinnahmen) betragen jährlich rund Fr. 165'000.-- (Rubrik 2544). Die Kosten für den Berufskundeunterricht für angehende Schneiderinnen an der Gewerblich-industriellen Berufsschule betragen jährlich rund Fr. 85'000.-- (Rubrik 2542). Mit Schliessung des Ateliers per Sommer 2004 reduzieren sich die Aufwendungen an der Berufsschule Liestal gesamthaft um jährlich rund Fr. 250'000.--.




2.5. Zuständigkeit zur Aufhebung des Lehrateliers und Anpassung von Rechtserlassen


Die Errichtung des Lehrateliers erfolgte mit dem in Kapitel 1 erwähnten Regierungsratsbeschluss (RRB Nr. 3851 vom 22. November 1974). Er hat Geltung bis zu seiner Aufhebung, muss aber von der heute für den Bereich der Lehrwerkstätten zuständigen Behörde aufgehoben werden. Seit dem 1. Januar 1986 ist das kantonale Gesetz vom 10. Juni 1985 über die Berufsbildung in Kraft (SGS 681). Nach dessen §9 kann der Landrat für einzelne Berufe oder Berufsgruppen die Errichtung öffentlicher Lehrwerkstätten beschliessen, demnach kann auch nur er für die Aufhebung einer bereits bestehenden Lehrwerkstatt zuständig sein.


Die Schliessung des Lehrateliers bedingt eine Teilrevision der


durch den Regierungsrat.




3. Antrag


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, gemäss beiliegendem Entwurf zu beschliessen.


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Koellreuter
der Landschreiber: Mundschin



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