2001-44 (1)


1. Organisation der Kommissionsberatung

Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission hat die Vorlage anlässlich ihrer Sitzungen vom 15. Juni (Anhörung), 14. September und 24. Oktober 2001 beraten. Für Erläuterungen und Fragen standen zur Verfügung: Regierungsrat Erich Straumann; Rosmarie Furrer, Generalsekretär; Dominik Schorr, Kantonsarzt; Georges Krieg, Beauftragter für Drogenfragen. Zur Anhörung eingeladen wurden: Dr. Cornelia Conzelmann, Leiterin Gesundheitsförderung BL, Dr. Thomas Faust, Jugendanwalt BL; René Glauser, Schulinspektor BL, Jugend- und Gesellschaftsfragen; Dr. Urs Hafner, leitender Arzt Drogenberatung BL; Katharina Keller, Gesundheitsförderung im Frühbereich; Viktor Roth, Leiter Drogenfahndung BL; Nella Sempio, Fachbereichsleiterin Multikulturelle Suchtberatungsstelle beider Basel. An der Sitzung vom 24. Oktober 2001 wurde zusätzlich Regierungsrat Peter Schmid eingeladen, welcher von Dr. Martin Leuenberger, Generalsekretär, begleitet wurde.




2. Zielsetzung und Inhalt der Vorlage


Der Landrat hat am 16. Oktober 1997 die Vorlage 95/167 zustimmend zur Kenntnis genommen und folgenden zwei Empfehlungen zugestimmt.


1. In der Regel alle 3 Jahre soll der Landrat einen Bericht über die Aktivitäten und Entwicklungen in der Drogenarbeit im Sinne einer rollenden Information zum Bericht "Sucht- und Drogenarbeit im Kanton Basel-Landschaft" erhalten. Dabei sollen auch Trends in der Kostenentwicklung aufgezeigt werden.


2. Im Rahmen der neuesten Erkenntnisse und der finanziellen Mittel soll die Prävention im Frühbereich gefördert bzw. verstärkt werden.


Wie schon im ersten Bericht konzentriert sich die Darstellung auf den Bereich der illegalen Substanzen. Vor allem in den Bereichen Primär- und Sekundärprävention lassen sich die einzelnen Projekte aber ebenso wenig präzise zuordnen, wie die Grenze von der Gesundheitsförderung zur Sucht- und Drogenarbeit nicht scharf zu ziehen ist. Auch in anderen Verantwortungsbereichen wird in der Arbeit nicht mehr zwischen Sucht und Drogen getrennt. Gewalt ist oft mit dem Konsum von Suchtmitteln verknüpft, sowohl bei den Tätern als auch bei (früheren) Gewaltopfern. Die Vorlage enthält deshalb Querverweise auf Alkohol- und Gewalt-Prävention.


Die 4-Säulen-Politik des Bundes - Prävention, Therapie, Schadensverminderung und Ueberlebenshilfe sowie Repression - wurden umgesetzt. Zu den im Bericht aufgenommenen Leitlinien gehören zudem, dass regional, koordiniert, professionell und ressourcenorientiert gedacht und konsequent gehandelt werden soll.


Auf spezielle Punkte der Vorlage sei hier zusätzlich eingegangen:




Prävention und Gesundheitsförderung 2.1


Die Auflistung "Neue Projekte auf einen Blick" sowie die ergänzenden Kommentare zeigen auf, dass in Bezug auf Prävention und Gesundheitsförderung sehr viel getan wird. Hier strebt die VSD eine gute Vernetzung mit der Erziehungs- und Kulturdirektion wie auch der Justiz,- Polizei- und Militärdirektion an. Zum Projekt Gesundheitsförderung im Frühbereich , wofür 1999 durch den Landrat ein Verpflichtungskredit von Fr. 400'000.--, verteilt auf fünf Jahre, bewilligt wurde, wird ein separater Bericht erstellt. Besonders erwähnenswert ist Talk About , eine Informations- und Sensibilisierungskampagne "Jugend- und Alkohol", welche durch Testkäufe, ein Weiterbildungsangebot und zusätzlichen Informationen für das Verkaufspersonal bewirkt hat, dass die gesetzlichen Bestimmungen bezüglich Verkauf von alkoholischen Getränken an Minderjährige wesentlich besser eingehalten werden. Das Interventionsprojekt Gegen häusliche Gewalt basiert auf erschreckenden Zahlen einer ersten schweizerischen Zahlenerhebung, welche aufzeigt, dass mehr als ein Fünftel der erwachsenen weiblichen Bevölkerung von Gewalt in Ehe und Partnerschaft betroffen sind. Wie einleitend in der Vorlage erwähnt, wird heute die Gewaltprävention als Teil der Suchtarbeit verstanden.




Sekundäre Prävention und Früherfassung 2.2


Der Vorlage kann entnommen werden, dass sich die politische Entwicklung erschwerend auf die Suchtarbeit ausgewirkt hat. Bei den Jugendlichen hat sich die Meinung festgesetzt, dass Cannabiskonsum schon heute "legal" und damit nicht mehr diskussionswürdig sei. Die Gesundheitsförderung hat mit einem Faltblatt prononciert gegen einen unkritischen Konsum von Cannabis Stellung bezogen und damit auch ein politisches Statement abgegeben. Einer medizinischen Statistik auf Seite 26 "Psychiatrisch behandelte Patienten" kann z.B. entnommen werden, dass Behandlungen durch Cannabinoide (Haschisch) von 1998 total 77 auf 138 Fälle im Jahr 1999 oder um 79% zugenommen haben. Eine Statistik der Schweizerischen Fachstelle für Alkoholfragen zeigt zudem auf, dass der Konsum bei 14- und 15-jährigen Schülerinnen und Schülern stark angestiegen ist. Stark zugenommen habe auch die Anzahl der Cannabiskonsumenten, welche in den öffentlichen Verkehrsmitteln von der Bahnpolizei angehalten werden.


Unter "Festgestellte Probleme" muss das Fehlen einer spezialisierten Einrichtung für die Behandlung von Psychosen oder anderen schweren persönlichen Destabilisierungen, die im Zusammenhang mit dem Konsum von Halluzinogenen (v.a. von Cannabis) auftreten, als Lücke in der stationären Behandlung von Drogensüchtigen bezeichnet werden. In den Therapeutischen Gemeinschaften seien diese Klienten kaum integrierbar. Die Vorlage weist darauf hin, dass hier noch einige Konzeptarbeit zu leisten sei.




Überlebenshilfe und Substitutionsbehandlungen 2.5


1999 erfolgte ein umfangreicher Umbau des durch Baselland betriebenen Gassenzimmer an der Heuwaage in Basel mit neuer Namensgebung: Kontakt- und Anlaufstelle Baselland. Durch eine Zusatzfinanzierung konnte im Gassenzimmer ein Beratungsmodell eingerichtet werden, das über den ursprünglichen Leistungsauftrag hinausgeht, indem durch direkte, persönliche Kontakte versucht wird, Drogen komsumierende Personen für eine Änderung ihrer Lebenssituation zu motivieren.


Das im Juni 2000 mit Standort Reinach gestartete Projekt "Heroingestützte Behandlung Baselland" HeGeBe ist auf maximal drei Jahre befristet. Integraler Bestandteil der HeGeBe ist eine (somatisch-)medizinische Dienstleistung für Heroinbezüger, die auch den Methadonpatienten angeboten wird. Begleitprogramme zur Strukturierung des Tagesablaufes, Beschäftigung, später auch Gestaltung der Freizeit, Umgang mit Geld, Haushalt machen das HeGeBe zu einem höher und konsequenter strukturierten Behandlungsangebot als die Methadonprogramme. Ein den Kommissionsmitgliedern zur Verfügung gestellter Zwischenbericht zeigt auf, dass sich unser Baselbieter Modell bewährt hat. Zur Zeit besteht bereits eine laufend zunehmende Warteliste. Als besonders positiv darf auch bewertet werden, dass von Seiten der Standortgemeinde Reinach keine Beschwerden vorliegen.




Aktuelle Datenlage - Substitutionsbehandlungen 3.1


Als positiv darf zur Kenntnis genommen werden, dass sich bei den Methadonbehandlungen eine Stabilisierung (speziell bei den bis 20-Jährigen) abzeichnet. Stark gestiegen ist jedoch der Anteil der über 30-Jährigen. Die verschiedenen Grafiken, speziell jene der Entwicklung der Drogenkosten, verdeutlichen, dass die Bemühungen nach dem 4-Säulen-Prinzip richtig sind.




5 Zu erwartende Veränderungen


Prävention - Jugendförderung
Um eine breitere und nachhaltige Stärkung und Förderung der Gesundheit der nachfolgenden Generation zu erreichen, sollte in Zukunft das Augenmerk von der Suchtprävention im engeren Sinne vermehrt auf die Gesundheitsförderung, das heisst auf die Stärkung von individuellen und gesellschaftlichen Ressourcen von Kindern und Jugendlichen gerichtet werden. Speziell hingewiesen sei auf diesen letzten Punkt, welcher aussagt, dass seitens des Kantons geprüft werden muss, mit welchen Strukturen er Anliegen von Kindern und Jugendlichen, bzw. von Institutionen, welchen in diesen Bereichen tätig sind, wahrnehmen und umsetzen kann.


Therapie
Hier wird unter anderem auf die laufende Folgeplanung Psychiatrie II verwiesen. So gelte es, neuere Entwicklungen wie zahlenmässige Stabilisierung der Opiatabhängigkeit, Zunahme des mehrfachen Drogengebrauchs, vermehrtes Erfassen von Doppeldiagnosen, fehlende Therapieangebote für Cannabisprobleme und vermehrtes Rauschtrinken bei Jugendlichen zu berücksichtigen.


Repression
Speziell erwähnt sei Punkt 2, der vorsieht, dass man sich dem Problem Hanfläden annimmt und das gültige Betäubungsmittelgesetz zu vollziehen ist.


Kommentar und Ausblick
Der Rückzug des Bundesamtes für Sozialversicherung aus der Finanzierung der stationären Drogentherapien wird abgefedert durch die Einführung eines neuen Finanzierungsmodells für stationäre Drogentherapien und die beabsichtigte Änderung der Heimvereinbarung zur IVSE (Interkantonale Vereinbarung für soziale Einrichtungen). Trotzdem ist für unseren Kanton mit Mehrkosten von rund 1 Million Franken zu rechnen.




3. Detailberatung


Eintreten auf die Vorlage war bei allen Fraktionen unbestritten. Man äusserte den Eindruck, dass sich seit dem letzten Drogenbericht einiges in eine positive Richtung entwickelt habe und die gesteckten Ziele mehrheitlich erreicht wurden. Als besonders wertvoll wird gesehen, dass der Folgebericht die Verlagerungen aufzeigt, so etwa, dass die Problematik viel früher als angenommen einsetzt und dass der Cannabiskonsum heute fast gang und gäbe ist. Wie schon bei der Beratung der Vorlage 95/167 wird wiederum gewünscht, dass, im Sinne einer rollenden Information, in drei Jahren dem Landrat ein weiterer Folgebericht unterbreitet werden soll. Es wird auch festgehalten, dass ein Vergleich Cannabis - Alkohol so nicht statthaft sei, weil der Alkohol vor den Jugendlichen zumindest gesetzlich geschützt ist, während Cannabis schon Zehnjährige problemlos erwerben und konsumieren können. Da die Entwicklungen, wie diese Vorlage aufzeigt, auch in Zukunft nicht haltmache, werde von allen Beteiligten Offenheit und Anpassungsfähigkeit gefordert. Die Projektideen und die durchgeführten Projekte zeigen eine gute Richtung an, welche eine Verstärkung verdienen. Auf keinen Fall gelte es, auf dem bisher Erreichten auszuruhen.


Prävention
Die Mitglieder der VGK orten diesbezüglich einen zusätzlichen Handlungsbedarf. Heute sei es den einzelnen Schulhäusern überlassen, ob und allenfalls was für Aktivitäten sie unternehmen möchten. Bereits im Kindergarten und erst recht in der Primarschule jedoch müsse mit kindgerechten Projekten soziale Kompetenz gelehrt werden, und anhand konkreter Erlebnisse sollten die Kinder selber lernen, wie sie nein sagen und sich gegen den Gruppendruck wehren können. Mit dem laufenden Projekt "Gesundheitsförderung im Frühbereich" werden erste Schritte im Bereich bis zum Vorschulalter unternommen. Konkret bestehe ein Manko im Kindergarten- resp. Primarschulalter. Eine Erhebung der Erziehungs- und Kulturdirektion hat ergeben, dass vom Präventionspool im Jahr 2000 lediglich gut die Hälfte beansprucht wurde. Die Anregung aus der VGK, dass z.B. jede Schule jährlich eine Aktivität im Bereich Prävention durchführen soll, fand auch bei Regierungsrat Peter Schmid Unterstützung. Geld werde nicht benötigt, damit eine Lehrperson eine Unterrichtsstunde zum Thema Prävention durchführe, sondern für Aktivitäten, die über das Schulprogramm hinaus reichen, zum Beispiel für Veranstaltungen mit Fachpersonen unter Einbezug der Eltern.


Handel mit Cannabis (Marihuana und Haschisch)
Im Vergleich zum letzten Bericht dürfte sich in diesem Bereich die stärkste Veränderung, sprich Steigerung ergeben haben. Zwischenzeitlich sind im Kanton Basel-Landschaft etwa 16 Hanfläden geöffnet; 1995 war es ein einziger. Heute ist der Kanton Basel-Landschaft bei den Cannabis-Produkten nicht nur zu 100 Prozent Selbstversorger, sondern in der Lage, Export zu betreiben. Die Schweiz muss heute als das führende Marihuana Produktionsland in Europa bezeichnet werden. Der Anstieg der Cannabiskonsumenten verläuft parallel zur Zunahme der Hanfläden. Unsere Gesellschaft scheint vor einem neuen Problem zu stehen, nämlich dem eindeutig gestiegenen Konsum von Alkohol und Tabak und damit auch von Cannabisprodukten. Wie der Vorlage zu entnehmen ist, werden letztere Produkte im Gegensatz zu Alkohol nicht erst abends oder am Wochenende konsumiert. Lehrerinnen und Lehrer beklagen sich über wachsende Teilnahmslosigkeit und sind unsicher, wie sie sich verhalten sollen. Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission befasste sich intensiv mit dieser neuen Situation. Es wird als schwerwiegend empfunden, dass aktuell Jugendliche ohne etwelche gesetzliche Hindernisse freien Zugang zu Cannabisprodukten haben; dies im krassen Gegensatz zu alkoholischen Getränken.


Bekanntlich hat der Landrat am 16. Oktober 1997 eine Standesinitiative (Vorlage 97/100), welche den Verzicht auf gesetzliche Regelungen für Cannabisprodukte im Betäubungsmittelgesetz fordert, mit 44 zu 21 Stimmen überwiesen. Ebenfalls zugestimmt hatte er einem Zusatzantrag, welcher verlangt, geeignete Jugendschutzmassnahmen sind begleitend anzuordnen . Anfangs Januar 2000 bejahte der Regierungsrat anlässlich einer Vernehmlassung die Revision des neuen Betäubungsmittelgesetzes - betrachtete aber den Jugendschutz als zentralen Punkt dieses neuen Gesetzes. Die VGK erachtet die derzeitige Situation als absolut unhaltbar. Bis zum Inkrafttreten der neuen eidgenössischen Gesetzgebung verlangt sie deshalb mit einstimmigem Beschluss: "Die Kontrollen in den Hanfläden sind zu vollziehen, das Gesetz ist konsequent umzusetzen".


Heroin gestützte Behandlung HeGeBe
Die VGK erwartet mit Interesse den abschliessenden Bericht und den Entscheid, in welcher Form dieses Projekt weitergeführt werden kann.




4. Antrag


Die Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission beantragt dem Landrat einstimmig, den Bericht zur "Sucht- und Drogenarbeit im Kanton Basel-Landschaft" zustimmend zur Kenntnis zu nehmen und folgende zwei Empfehlungen aufzunehmen.


- Empfehlung 1: Verstärkung der Prävention auf Kindergarten-, Primar- und Sekundarstufe I


- Empfehlung 2: Die Kontrollen in den Hanfläden sind zu vollziehen, das Gesetz ist konsequent umzusetzen.


Muttenz, 5. November 2001


Im Namen der Volkswirtschafts- und Gesundheitskommission
Die Präsidentin: Rita Bachmann-Scherer



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