2001-11 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Schriftliche Antwort des Regierungsrates zur Interpellation von Thomas Haegler: Medikamentenabgabe in den Baselbieter Kantons- und Privatspitälern (2001/11)
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vom:
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13. Februar 2001
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Nr.:
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2001-011
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Bemerkungen:
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I.
Am 11. Januar 2001 hat Landrat Thomas Haegler folgende Interpellation zur Medikamentenabgabe in den Baselbieter Kantons- und Privatspitälern eingereicht, und um die schriftliche Beantwortung gebeten:
"Eine fatale Verwechslung in der Spitalapotheke des Berner Inselspitals hatte kurz vor Weihnachten zum Tod eines Neugeborenen geführt. Nach Aussagen einer Patientenorganisation ist dies kein Einzelfall, muss doch scheinbar mit rund 3000 Zwischenfällen pro Jahr in der Schweiz gerechnet werden. Dabei gibt es Verwechslungen, die je nach Gesundheitszustand des Patienten zu bleibenden gesundheitlichen Schäden bis zum Tode führen können. Ursachen der Verwechslungen können gleichwertige Packungen unterschiedlicher Medikamenten-konzentrationen, Falschetikettierungen usw. sein, dies aufgrund fehlender Kontrollinstanzen durch entsprechende Personalknappheit und eventuell auch fehlender fachlicher Qualifikation.
Ich bitte daher den Regierungsrat um die schriftliche Beantwortung folgender Fragen:
1.) Sind im Baselbiet in den letzten Jahren ähnliche Vorfälle passiert und wenn ja, an welchen Spitälern und mit welchen Konsequenzen?
2.) Welche Massnahmen hat man aufgrund des Vorfalls am Inselspital in Bern an den Baselbieter Kantonsspitälern und dem Kinderspital beider Basel getroffen, damit im Baselbiet ein ähnlicher Fall soweit wie möglich ausgeschlossen werden kann?
3.) Wie werden die Kantons- und Privatspitäler sowie die Arztpraxen im Baselbiet kontrolliert, ob und in welchem Rahmen die Medikamenten-Abgaben richtig und angemessen sind?"
II.
Auftragsgemäss berichtet der Regierungsrat was folgt:
Allgemeine Bemerkungen
Nach der fatalen Verwechslung am Inselspital in Bern haben die Medien die Frage der Arzneimittelsicherheit in den Spitälern wiederholt diskutiert. Dabei musste festgestellt werden, dass Fehler, insbesondere solche, die auf menschlichem Versagen beruhen, trotz allen Vorsichtsmassnahmen nie gänzlich ausgeschlossen werden können.
Mit der vorliegenden Interpellation möchte Landrat Thomas Haegler die spezifische Situation in den Spitälern des Baselbiets näher beleuchtet haben. Dazu ist bereits hier festzuhalten, dass der Fehler im Inselspital in Bern im Zusammenhang mit einer Eigenproduktion geschehen ist und nicht einfach bei der Abgabe von Medikamenten.
Beantwortung der Fragen
1. Sind im Baselbiet in den letzten Jahren ähnliche Vorfälle passiert und wenn ja, an welchen Spitälern und mit welchen Konsequenzen ?
In den Spitalapotheken des Kantons Basellandschaft hat sich zum Glück bisher kein ähnlicher Vorfall ereignet wie am Inselspital.
Dabei ist darauf hinzuweisen, dass zwar auch im Kantonsspital Bruderholz (KSB) und im Kantonsspital Liestal (KSL) Arzneimittel hergestellt werden, allerdings nicht im gleichen Umfang wie an der Insel (z.B. keine Infusionslösungen).
Festgehalten werden muss auch, dass solch folgenschwere Ereignisse bei der Herstellung von Arzneimitteln in Spitalapotheken auch in der übrigen Schweiz und im Ausland äusserst selten sind. Schlagzeilen in den letzten Jahren machten vor allem 2 tragische Vorfälle, die sich nicht in Spitalapotheken ereignet haben. So die Verwechslung von Kaliumchlorid und Natriumchlorid-Ampullen mit tödlichem Ausgang am Kantonsspital Luzern. Dort wurden auf der Pflegestation die Lösungen, nicht zuletzt wegen der ähnlichen Form und Aufmachung der Ampullen, verwechselt. Der zweite Fall ereignete sich vor 2 Jahren in Belgien: Zwei Säuglinge starben, weil eine pharmazeutische Firma Ampullen falsch etikettierte.
Medikationsfehler in Spitälern (Abgabe des falschen Medikamentes, Wahl einer falschen Dosierung, Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln, etc.) sind laut verschiedenen Studien wesentlich häufiger als Fehler bei der streng geregelten und kontrollierten Herstellung der Arzneimittel. Genaue Zahlen liegen nicht vor. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) rechnet allerdings insgesamt mit 2000 - 3000 Todesfällen in der Schweiz pro Jahr infolge von medizinischen Fehlern im Klinikalltag, zu denen unter anderem auch Medikationsfehler zählen.
2. Welche Massnahmen hat man aufgrund des Vorfalls am Inselspital in Bern an den Baselbieter Kantonsspitälern und dem Kinderspital beider Basel getroffen, damit im Baselbiet ein ähnlicher Fall soweit als möglich ausgeschlossen werden kann ?
Zunächst stellt sich die Frage, ob und wie Fehler bei der Medikamentenherstellung und vor allem bei deren Abgabe und Anwendung zu verhindern sind. Eine amerikanische Studie geht davon aus, dass mehr als die Hälfte der Ereignisse vermeidbar sind, wenn die notwendigen Massnahmen zur Qualitätssicherung konsequent umgesetzt werden. Dazu müssten Zwischenfälle systematisch erfasst, analysiert und die notwendigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Eine weitere Voraussetzung ist eine zweckmässige pharmazeutische Betreuung der Spitäler.
Die Optimierung der Arzneimittelsicherheit im Spital von der Herstellung bis zur Abgabe an die Patienten gehört nicht erst seit dem Ereignis in Bern zu den vordringlichen Aufgaben und Zielen der Spitalapotheken in den Kantonsspitälern. Eine Vielzahl von Massnahmen unterstützt das Bestreben, qualitativ hochstehende Medikamente zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Form und Dosierung, beim richtigen Patienten zu verabreichen.
Unter anderem sind zu erwähnen :
- Die Beschaffung der Arzneimittel: Bereits bei der Beschaffung wird darauf geachtet, dass sich die Präparate möglichst nicht nur in der Beschriftung, sondern auch optisch voneinander klar unterscheiden. So wurden z.B. im KSB schon vor dem Zwischenfall in Luzern Glasampullen für Kaliumchlorid und Plastikampullen für Natriumchlorid eingekauft.
- Die Evaluation von Arzneimitteln: Die Medikamenten-Kommissionen in den Spitälern beurteilen die Arzneimittel für die internen Sortimente nicht nur in Bezug auf ihre Wirkung, die Nebenwirkungen, den Preis und weitere Faktoren, sondern auch auf die Sicherheit bei der Anwendung. Die Präparate müssen somit umfassend dokumentiert sein.
- Die Herstellung in Spitalapotheken: Für die Eigenherstellung von Arzneimitteln wurden umfassende, den behördlichen Richtlinien entsprechende Qualitätssicherungssysteme aufgebaut, die laufend überprüft und angepasst werden. Beispielsweise wird die Spitalapotheke des KSB alle 2 Jahre im Auftrag des Kantons durch die Regionale Fachstelle für Heilmittelkontrolle (RFS) auf die Einhaltung der Regeln der Good Manufacturing Practice (GMP) hin inspiziert.
- Die Zentrale Herstellung von applikationsfertigen Lösungen in den Spitalapotheken: Durch die zentrale Bereitstellung von Lösungen, z.B. für die Behandlung von Onkologiepatienten und für die parenterale Ernährung, werden überflüssige Manipulationen an Arzneimitteln auf der Station eingeschränkt und damit die Sicherheit erhöht. In den Spitalapotheken ist zudem die entsprechende Infrastruktur und das spezifische pharmazeutisches Fachwissen vorhanden.
- Die Anwendung der Arzneimittel: Durch gezielte Informationen und Projekte wird das Verständnis und das Wissen für den korrekten Umgang mit Arzneimitteln beim Spitalpersonal gefördert.
- Die Fortbildung: Mit internen Fortbildungsveranstaltungen wird das Apothekenpersonal im Bereich der Qualitätssicherung regelmässig geschult.
- Die Förderung der Sicherheit: Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Spitäler werden immer wieder aufgefordert, Verwechslungsmöglichkeiten und Gefahrenquellen der Apotheke zu melden.
- Pharmaco-Vigilance (Überwachung des Arzneimittelmarktes): Über die Meldezentrale der Gesellschaft Schweizerischer Amts- und Spitalapotheker (GSASA) oder die Interkantonale Kontrollstelle für Heilmittel (IKS) werden die Spitalapotheken über angeordnete Arzneimittelrückrufe unverzüglich informiert, womit tragische Konsequenzen meist frühzeitig verhindert werden können. Diese Sicherheitsvorkehrung ist nur bei den in der Schweiz zugelassenen Präparaten möglich. Es muss deshalb in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass mit einer allfällige Annahme der Initiative, die auf den Arzneimittelbereich Einfluss nehem will, für die Arzneimittelsicherheit spürbare negative Folgen in Kauf genommen werden müssten.
Der Vorfall in Bern gab Anlass dazu, die vorhandenen Arbeitsabläufe, inbesondere solche bei der Herstellung von Arzneimitteln in den Spitälern, zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen.
Die Gefahr folgenschwerer Medikationsfehler im Spital ist gemäss vielen Studien jedoch nicht in den Spitalapotheken, sondern auf den Stationen am grössten. Hier werden die Arzneimittel vom Arzt verordnet, vom Pflegedienst für die einzelnen Patienten bereitgestellt und verabreicht. Massnahmen für die Qualitätssicherung im Sinne der klinischen Pharmazie sind deshalb auf den Stationen besonders wichtig. Vereinzelte Pilotprojekte in dieser Richtung laufen am KSB und am KSL. Bis heute fehlen allerdings grössere interdisziplinäre Projekte zwischen Pharmazeuten, Ärzteschaft und dem Pflegedienst, nicht zuletzt infolge des grossen Kostendruckes im Gesundheitswesen.
3. Wie werden die Kantons- und Privatspitäler sowie die Arztpraxen im Baselbiet kontrolliert, ob und in welchem Rahmen die Medikamentenabgaben richtig und angemessen sind ?
Grundsätzlich muss festgehalten werden, dass die Verantwortung für den fachgerechten Umgang mit Medikamenten, die Lagerung und Abgabe und gegebenenfalls die Herstellung und Prüfung der Heilmittel bei den einzelnen Fachpersonen, also den Ärztinnen und Ärzten, den Apothekerinnen und Apothekern und den Schwestern und Pflegern liegt. Sie tragen eine grosse Verantwortung, die ihnen letztendlich niemand abnehmen kann. Die wichtigste Voraussetzung für die sichere Berufsausübung ist und bleibt daher eine umfassende, praxisnahe Ausbildung, ergänzt durch die permanente Fort- und Weiterbildung.
Der Kanton überprüft nach Möglichkeit die Einhaltung vorhandener Gesetze und Vorschriften sowie die zur Qualitätssicherung in den Betrieben getroffenen organisatorischen Massnahmen. Für eine weitergehende Überwachung fehlen die personellen Mittel.
a) Kontrollen der Spitalapotheken
Gemäss der Verordnung über die Abgabe von Heilmitteln (Apothekenverordnung) vom 25. Februar 1997 werden die Spitalapotheken der 3 Kantonsspitäler, des UKBB und der 7 Privatspitäler durch einen Apotheker oder eine Apothekerin geführt. Er oder sie trägt zusammen mit den verordnenden Ärzten und Ärztinnen, den Schwestern und Pflegern die Verantwortung für das gesamte Medikamentenhandling.
Der Kanton und in seinem Auftrag der Kantonsapotheker überprüft mittels Visitationen periodisch und stichprobenweise die Führung und Organisation der Spitalapotheken.
Die Spitalapotheke des Kantonsspitals Bruderholz, die eine Bewilligung zur Herstellung von und zum Grosshandel mit Arzneimitteln besitzt, wird - wie bereits ausgeführt - zudem wie die pharmazeutischen Herstellerfirmen alle 2 Jahre im Auftrag des Kantons durch die Regionale Fachstelle für Heilmittelkontrolle (RFS) inspiziert.
b) Kontrolle der Privatapotheken in Arztpraxen
Der Arzt oder die Ärztin trägt in der eigenen Praxis die gesamte Verantwortung über die Führung, die Lagerung und die Abgabe der Medikamente. Der Kanton überprüft die Privatapotheken der Ärzte und Ärztinnen aus personellen Gründen nur dann, wenn vermutet werden muss, dass sie nicht fachgerecht geführt werden.
Zusammenfassung
Gut ausgebildete Fachpersonen und zahlreiche Massnahmen sorgen dafür, dass an unseren Spitälern eine hochstehende Medizin praktiziert wird, nur qualitativ einwandfreie, geprüfte und damit sichere Arzneimittel angewendet werden und Fehler bei der Anwendung möglichst ausgeschlossen werden. Die Verantwortung liegt im Einzelfall bei den zuständigen Fachpersonen.
Leider können Fehler trotz allen Massnahmen nicht immer verhindert werden, weder im täglichen Leben, noch im Spital. Der Regierungsrat ist jedoch überzeugt, dass in den Spitälern das Möglichste getan wird, damit sich im Interesse der Patienten und Patientinnen und aller Beteiligten solch tragische Ereignisse wie am Inselspital Bern nicht wiederholen.
Liestal, 13. Februar 2001
Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Koellreuter
der Landschreiber: Mundschin
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