2001-10 (1)

Der Interpellationstext


Die von Landrätin Simone Abt-Gassmann am 11. Januar 2001 eingereichte Interpellation hat folgenden Wortlaut:


"Mit dem Regierungsratsbeschluss vom 12. Dezember 2000, in Kraft seit 1. Januar 2001, wurde die Verordnung über Art und Massnahmen der Fürsorgeunterstützungen (SGS 851.12) wie folgt geändert:


Dies heisst im Klartext, dass die letzte Anpassung der SKOS-Richtlinien (Nachtrag 2000) in unserem Kanton nicht zur Anwendung gelangen soll.


Mit dem Nachtrag 2000 sollen die von der Fürsorge unterstützten Personen in den Genuss eines Teuerungsausgleichs von rund 3% kommen. Dies geschieht, indem ab 1.1.2001 die Prämien für Haushalt- und Haftpflichtversicherung, die bisher von den Unterstützten selbst zu entrichten waren, von der Fürsorge übernommen und direkt bezahlt werden, wie es bereits für Wohnungsmiete und Krankenversicherungsprämien der Fall ist.


Ich bitte den Regierungsrat um schriftliche Beantwortung folgender Fragen:


1. Welche Überlegungen waren ausschlaggebend für den Entscheid, von der bisherigen konsequenten Anwendung der SKOS-Richtlinien in ihrer jeweils aktuellen Version abzuweichen?


2. Welche Fachstellen / involvierten Institutionen wurden für die Entscheidfindung konsultiert? Wurden neben den behördlichen Entscheidungsträgern (Verband für Sozialhilfe) auch die Fachleute (Sozialarbeiter/innen in den Gemeinden, KOSA) zugezogen? Wenn nein, warum nicht?


3. Welche Wirkungen, insbesondere welche Einsparungen erhofft sich der Regierungsrat von dieser Massnahme?


4. Ist der Regierungsrat der Meinung, dass er sich mit dieser Verordnungsänderung nach wie vor eigenständig an den Richtlinien der SKOS orientiert? Oder dienen neuerdings andere Werte, wie z.B. die Handhabe der Richtlinien durch andere Kantone, als Massstab für den Kanton Basel-Landschaft?


5. Wie soll die Orientierung an den SKOS-Richtlinien im neuen Sozialhilfegesetz verwirklicht werden? Lässt sich der Ermessensspielraum des Regierungsrates / der Gemeinden klar abgrenzen? Kann eine willkürliche Handhabe ausgeschlossen werden?


6. Ist die Verordnungsänderung vom 12. Dezember 2000 in Anbetracht der derzeitigen finanziellen Situation des Kantons und des eingeschlagenen steuerpolitischen Kurses (z.B. Verzicht auf die Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer) notwendig, angemessen und ethisch vertretbar?


7. Ist der Regierungsrat bereit, sobald wie möglich wieder die Anwendung der SKOS-Richtlinien in ihrer geltenden Fassung zu verordnen?



Die Antwort des Regierungsrates

Einleitend muss festgehalten werden, dass die Verordnung vom 25. November 1997 über Art und Mass der Fürsorgeunterstützungen (1) nur noch eine begrenzte Geltungsdauer hat. Sobald das neue Sozialhilfegesetz, das sich gegenwärtig im Stadium der landrätlichen Kommissionsberatung befindet, in Kraft tritt, wird die Höhe der Unterstützungsleistungen auf dem Verordnungswege neu zu regeln sein. Die geltende Verordnung wurde bereits mehrere Male revidiert. Mit der Änderung durch RRB vom 12. Dezember 2000 wurde lediglich der Status quo klargestellt, da die Interpretation der Verordnung immer wieder zu Diskussionen Anlass gegeben hat, u.a. auch im Landrat.


Die einzelnen Fragen der Interpellantin können wie folgt beantwortet werden:


Welche Überlegungen waren ausschlaggebend für den Entscheid, von der bisherigen konsequenten Anwendung der SKOS-Richtlinien in ihrer jeweils aktuellen Version abzuweichen?


Schon bisher wurden die Richtlinien zum grössten Teil, aber nicht in allen Belangen vollumfänglich angewendet. Doch ist der Kanton Basel-Landschaft in seiner Praxis nahe den Empfehlungen - um solche handelt es sich nämlich - und beabsichtigt es auch in Zukunft zu bleiben. Mit dem gewählten Vorgehen, den jüngsten Nachtrag zumindest nicht sofort zu übernehmen, kann im Verlauf des Jahres die materielle und formelle Akzeptanz des jüngsten Nachtrags der Richtlinien bei den anderen Kantonen abgewartet und ein möglicher Alleingang vermieden werden. Für das voraussichtlich per 1. Januar 2002 in Kraft tretende neue Sozialhilfegesetz werden die ausführenden Verordnungen zu erarbeiten sein. Dabei wird auch die dannzumal gültige Version der SKOS-Richtlinien in die Überlegungen einbezogen werden können.




Welche Fachstellen / involvierten Institutionen wurden für die Entscheidfindung konsultiert? Wurden neben den behördlichen Entscheidungsträgern (Verband für Sozialhilfe) auch die Fachleute (Sozialarbeiter/innen in den Gemeinden, KOSA) zugezogen? Wenn nein, warum nicht?


Die Grundlage für den Entscheid wurde an einer Sitzung des Kantonalen Fürsorgeamtes erarbeitet, wobei der Vorstand des Verbandes für Sozialhilfe Baselland (VSO BL) dieser Lösung zugestimmt hat. Auch wenn die Sozialarbeiter/innen vermehrt in die Gespräche einbezogen werden sollen, darf nicht vergessen werden, dass die Fürsorgebehörden der Gemeinden alleine die rechtliche und finanzielle Verantwortung zu tragen haben. Deshalb fungieren sie auch als Ansprechpartner des Kantons. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialdienste befinden sich im Angestelltenverhältnis mit den Gemeinden, und die KOSA ist ein Angestelltenverband.




Welche Wirkungen, insbesondere welche Einsparungen erhofft sich der Regierungsrat von dieser Massnahme?


Mit dieser Massnahme werden Einsparungen weder angestrebt noch erzielt, da mit der Verordnungsänderung keine Kürzungen der Unterstützungsleistungen verbunden sind.




Ist der Regierungsrat der Meinung, dass er sich mit dieser Verordnungsänderung nach wie vor eigenständig an den Richtlinien der SKOS orientiert? Oder dienen neuerdings andere Werte, wie z.B. die Handhabe der Richtlinien durch andere Kantone, als Massstab für den Kanton Basel-Landschaft?


Die SKOS-Richtlinien dienen in Bezug auf Beratung und Betreuung den Kantonen und den Gerichten praktisch in der ganzen Schweiz als Auslegungshilfe, während die Tarife (d.h. die Höhe der wirtschaftlichen Unterstützung) sehr unterschiedlich gehandhabt werden. Wenn wie im vorliegenden Fall ein Nachtrag nicht oder nicht sofort übernommen wird, bleiben die Richtlinien dennoch ein wertvolles Arbeitsinstrument im Gebrauch von Kanton und Gemeinden. Die Nachbarkantone verhalten sich zur Zeit (Stand Januar 2001) wie folgt:


Baselland zahlt den vollen GBL I und beim GBL II den mittleren Wert. Dies ergibt für eine Person CHF 1'010.00 + 100.00, bei zwei Personen CHF 1'545.00 + 155.00, drei Personen CHF 1'880.00 + 190.00 usw. Nicht inbegriffen sind Wohnungskosten und medizinische Grundversorgung. Die Leistungen unseres Kantons bewegen sich damit nach wie vor weit über dem eidgenössischen Durchschnitt.




Wie soll die Orientierung an den SKOS-Richtlinien im neuen Sozialhilfegesetz verwirklicht werden? Lässt sich der Ermessensspielraum des Regierungsrates / der Gemeinden klar abgrenzen? Kann eine willkürliche Handhabe ausgeschlossen werden?


Höhe und Art der Unterstützung wird sich auch weiterhin weitgehend an den Richtlinien orientieren. Im neuen Gesetz und den ausführenden Verordnungen werden die Anwendung der Richtlinien sowie die Tarife festgehalten. Nach wie vor wird eine einheitliche Praxis im ganzen Kanton angestrebt. Den Gemeinden ist die Beratung und die Fallführung der Unterstützungen übertragen, dem Kanton, vertreten durch das Fürsorgeamt, die Kontrolle und die Koordination. Ergänzend dazu ist gegen die Entscheide der Fürsorgebehörden die Beschwerde an den Regierungsrat gegeben (§ 27 ff. Verwaltungsverfahrensgesetz vom 13. Juni 1988 (2) ). Damit kann sichergestellt werden, dass im Rahmen des pflichtgemässen Ermessens gehandelt wird.




Ist die Verordnungsänderung vom 12. Dezember 2000 in Anbetracht der derzeitigen finanziellen Situation des Kantons und des eingeschlagenen steuerpolitischen Kurses (z.B. Verzicht auf die Erhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer) notwendig, angemessen und ethisch vertretbar?


Es sind, wie bereits zu Frage 3 ausgeführt, keine Leistungskürzungen vorgesehen. Demzufolge stellen sich u.E. auch keine ethischen Fragen.




Ist der Regierungsrat bereit, sobald wie möglich wieder die Anwendung der SKOS-Richtlinien in ihrer geltenden Fassung zu verordnen?


Der Entwurf des neuen Sozialhilfegesetzes sieht vor, dass der Regierungsrat das Mass der Unterstützungen regelt. Dabei orientiert er sich an den SKOS-Richtlinien.




Fazit


Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der RRB vom 12. Dezember 2000 keine Änderung in der Fürsorgepraxis bringen wird. Die Leistungen unseres Kantons können sich im Vergleich mit den anderen Kantonen ohne weiteres sehen lassen.


Liestal, 20. März 2001


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Koellreuter
Der Landschreiber: Mundschin



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Fussnoten:


1. SGS 851.12; GS 32.950


2. SGS 175, GS 29.677