2000-176 (1)

Am 7. September 2000 hat Esther Maag, Grüne Fraktion, eine Interpellation "Massnahmen gegen Rassismus und Rechtsradikalismus" eingereicht. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:


"Brandanschlag am 17. Juli auf das Asylheim in Möhlin, Demonstration während der 1. Augustfeier auf dem Rütli, Aufmarsch zum Geburtstag des Stellvertreters von Hitler, Rudolf Hess, am 17.8. in Liestal, Massenschlägerei zwischen Skinheads und Schwarzafrikanern am 27.8. in St. Gallen darüber schreiben die Medien; solche Ausschreitungen einer potentiell gewalttätigen Szene werden von einer breiten Oeffentlichkeit wahrgenommen und grossmehrheitlich verurteilt.


Diese Vorkommnisse geben auch dem Eindruck von Bundespolizei-Chef Urs von Daeniken Recht, der von einer "neuen Qualität" in der rechtsextremen Szene spricht. Nach jahrelangem Aufbau träten viele aus der Konspiration heraus und suchten bewusst die Oeffentlichkeit. Damit wollten sie politisch wirken. Die Rekrutierung erfolgt offensichtlich nicht selten auf dem Fussplatz, wie die Bundespolizei annimmt. Sie geht davon aus, dass Sportanlässe eine willkommene Gelegenheit sind, um Nachwuchs zu animieren mitzumachen.


Selbst wenn es zutrifft, wie der Bezirksamtmann von Rheinfelden, A. Kessler, meint, dass viele jugendliche Anhänger des Rechtextremismus schlechte Erfahrungen gemacht hätten und mehr die Gruppe denn die Ideologie suchten, darf man solchen Entwicklungen nicht untätig zusehen. Denn dies ist nur die eine Seite: die lauten, zum teil akut bedrohlichen und von den Medien viel beachteten Aktivitäten einer Randgruppe.


Die andere Seite ist der viel stillere politische Nährboden, auf dem das rassistische Gedankenaut gedeiht und toleriert wird. Wir im Landrat sind nicht verschont davon, die Leserbriefspalten sind voll davon, unselige Abstimmungen wie die über die 18%-Initiative zeugen davon.


Hier braucht es Gegenstrategien Demonstrationen der Bevölkerung in St. Gallen, Malters, Liestal, Luzern und Bern machen den Anfang. Ebenso ist aber auch das Engagement der Regierungen gefragt.




Wir fragen den Regierungsrat deshalb an:


1. Wurden nach dem Nicht-Einschreiten der Polizei am 17.8.00 in Liestal (und den Auseinandersetzungen um die Bewilligung einer Gegendemonstration am 9.9.00) neue Weisungen erlassen?


2. Wie wird die Polizei in Zukunft auf (geplante) Neonazi-Treffen reagieren?


3. Werden die Polizeikräfte genügend, bzw. verstärkt dafür sensibilisiert, "auf dem rechten Auge nicht blind" zu sein?


4. Müsste bezüglich des Vorgehens gegen Rechtsextremismus nicht ein Strategiepapier erarbeitet werden (wie im Kanton Luzern)?


5. Kann sich der Kanton vorstellen, wie im Bezirk Dorneck/Thierstein eine Verordnung zu erlassen, die Neonazi-Treffen im Wald- und Vereinshütten sowie Mehrzweckhallen erschwert oder gar verunmöglicht?


6. Welche Präventionsmassnahmen (an Schulen und bei Sportanlässen) sind eingeleitet oder geplant?


7. Kann sich die Regierung vorstellen, ein Szene-Ausstiegsmodell gemäss demjenigen in Norwegen zu erarbeiten (siehe umseitiger Artikel)?"




Der Regierungsrat nimmt zur Interpellation wie folgt Stellung:


Frage 1:


Wurden nach dem Nicht-Einschreiten der Polizei am 17.8.00 in Liestal (und den Auseinandersetzungen um die Bewilligung einer Gegendemonstration am 9.9.00) neue Weisungen erlassen?


Nein. Es gab und gibt keinen Grund, Weisungen zu erlassen.




Frage 2:


Wie wird die Polizei in Zukunft auf (geplante) Neonazi-Treffen reagieren?


Die Polizei wird wachsam sein und zudem - wie es ihrem Auftrag entspricht - unbewilligte Demonstrationen verhindern.


Bei bewilligten Demonstrationen wird es wie bis anhin darum gehen, ein Aufeinanderprallen von Demonstranten und Gegendemonstranten zu verhindern. Dies unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit und zum Schutze der friedlichen Demonstrationsteilnehmenden, der Bevölkerung der Geschäftsbesitzerinnen und -besitzer.




Frage 3:


Werden die Polizeikräfte genügend, bzw. verstärkt dafür sensibilisiert, "auf dem rechten Auge nicht blind" zu sein?


Hinter dieser Frage steht ein verkappter Vorwurf, denen der Regierungsrat entschieden zurückweist. Die Mitarbeitenden der Polizei Basel-Landschaft benötigen keine zusätzliche Schulung. Sowohl in ihrer Grundausbildung, aber auch in späteren Fort- und Weiterbildungen lernen die Angehörigen der Polizei, mit Menschen - auch aus anderen Kulturen - sowie mit den verschiedensten Bereichen und Aspekten umzugehen. Als Wegweiser dienen ihnen dazu unter anderem auch die Unternehmensphilosophie und die Polizei-Ethik.




Frage 4:


Müsste bezüglich des Vorgehens gegen Rechtsextremismus nicht ein Strategiepapier erarbeitet werden (wie im Kanton Luzern)?


Der Regierungsrat hat am 5. September - wie vorangekündigt - eine verwaltungsinterne Arbeitsgruppe eingesetzt, die von den beiden Regierungsräten Peter Schmid und Andreas Koellreuter begleitet wird. Inzwischen hat die Arbeitsgruppe zwei Mal getagt.




Frage 5:


Kann sich der Kanton vorstellen, wie im Bezirk Dorneck/Thierstein eine Verordnung zu erlassen, die Neonazi-Treffen im Wald- und Vereinshütten sowie Mehrzweckhallen erschwert oder gar verunmöglicht?


Eine der Massnahmen, die innerhalb der Arbeitsgruppe geprüft wird, ist ein Schreiben an die Gemeinden und Bürgergemeinden, bei der Vermietung von Hütten etc. genau zu schauen, an wen und zu welchem Zweck solche Lokalitäten vermietet werden sollen.




Frage 6:


Welche Präventionsmassnahmen (an Schulen und bei Sportanlässen) sind eingeleitet oder geplant?


(vgl. auch die Antwort zur Interpellation 2000/171 von Roland Plattner)


- Mit Unterrichtsmitteln


Zum Rechtsextremismus existieren bereits zahlreiche Informations- und Unterrichtsmaterialien, vor allem für die Sekundarstufen I und II, zu denen Lehrerinnen und Lehrer Zugang haben. Die meisten Kantone der Schweiz, auch Baselland, verfügen über spezifische Merkblätter, Broschüren und Unterrichtsmittel - auch audiovisuelle - zur Gewalt und zum Rechtsextremismus.


- Mit Weiterbildungskursen für Lehrpersonen und Eltern


Immer wieder sind in den letzten Jahren Weiterbildungskurse angeboten worden, die vielleicht weniger den Rechtsextremismus, ganz sicher aber das Thema "Gewalt an den Schulen" zum Gegenstand haben.


- Mit Präventionsprojekten


Theater (Das Herz eines Boxers", 1999), Ausstellungen ("Rassismus", BFF, 1999), Forumsveranstaltungen "Hau den Lukas", Sissach, 1998), Tagungen mit Expertinnen und Experten (Gewalttagung mit Allan Guggenbühl) - all diese Veranstaltungen können dazu beitragen, den Sinn der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer "gegen Rechts" zu schärfen.


- Mit Beratungen für Jugendliche, Eltern und Lehrpersonen


In unserem Kanton sind mehrere Ansprechpartnerinnen und -partner vorhanden, die Schulen und Lehrpersonen beraten, unterstützen und bei Problemlösungen mitwirken. So zum Beispiel das Schulinspektorat - dort der Beauftragte für Jugendfragen -, der schulpsychologische Dienst, die Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung, der Jugendpsychiatrische Dienst, die Jugendanwaltschaft und nicht zuletzt auch die Polizei Basel-Landschaft.




Frage 7:


Kann sich die Regierung vorstellen, ein Szene-Ausstiegsmodell gemäss demjenigen in Norwegen zu erarbeiten (siehe umseitiger Artikel)?


(vgl. auch die Antwort zur Interpellation 2000/171 von Roland Plattner)


Im im Rahmen der oben erwähnten Arbeitsgruppe "Rechtsextremismus" wird geprüft, ob und allenfalls in welcher Form Ausstiegshilfen angeboten werden könnten. Es hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Jugendliche, die sich in rechtsextremen Kreisen bewegen, dies oftmals auch des sozialen Kontakts tun. Verschiedene Modelle in Europa - vorab in den skandinavischen Ländern - zeigen, dass Jugendliche den Ausstieg aus dieser Szene mit gezielter Hilfe und Unterstützung auch wieder schaffen können.


Liestal, 19. Dezember 2000


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Koellreuter
Der Landschreiber: Mundschin



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