2000-171 (1)
Vorlage an den Landrat |
Titel:
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Beantwortung der Interpellation von Roland Plattner, SP, Reigoldswil, "Rechtsradikalismus" (2000/171)
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vom:
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19. Dezember 2000
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Nr.:
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2000-171
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Am 7. September 2000 hat Roland Plattner eine Interpellation "Rechtsradikalismus" eingereicht. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:
" Xenophobes Gedankentum, latente Fremdenfeindlichkeit, offener Fremdenhass und rechtsextreme Gewalt sind alltäglich und allgegenwärtig, menschenverachtend, für die Betroffenen schrecklich und einer humanitären Gesellschaft nicht würdig.
Die Medien berichten in jüngerer Zeit vermehrt über fremdenfeindliche Ereignisse, Ausschreitungen, Anschläge und drgl. Der persönliche Erfahrungshorizont füllt sich zusehends mit Bildern, welche mit Farben des Fremdenhasses gezeichnet sind. Die Summe dieser Informationen ergibt schon seit längerer Zeit, dass hier ein ernstzunehmendes Problemfeld vorhanden ist, dem sich die Politik mit der nötigen Vehemenz und entsprechendem Fingerspitzengefühl annehmen muss. Neben der präventiven und repressiven Vorgehensweise muss eine nachhaltige Politik gegen die Fremdenfeindlichkeit bei der Jugend ansetzen.
Deshalb stellen wir dem Regierungsrat gestützt auf § 38 Landratsgesetz die folgenden Fragen, mit der Bitte um schriftliche Beantwortung:
1. Wie beurteilt der Regierungsrat die Lage zum Rechtsradikalismus im Kanton Basel-Landschaft? Welche Form der Lagebeurteilung (Rhythmus, Gremium) besteht?
2. Wie beurteilt die Polizei ihr rechtliches Handlungsinstrumentarium im Zusammenhang mit Gewalt, öffentlichem Skandieren von rechtsradikalen Versen, dem Bemalen und Besprayen von der Öffentlichkeit zugänglichen Orten mit rechtsradikalen Inhalten und dem Tragen faschistischer Emblems?
3. Welche gesetzlichen Grundlagen bestehen im Zusammenhang mit der (präventiven und repressiven) Gefahrenabwehr? Bestehen nach Auffassung des Regierungsrates Lücken im rechtlichen Instrumentarium? Falls ja, welche und wie gedenkt der Regierungsrat diese zu schliessen?
4. Mit welchen präventiven Massnahmen könnte nach Auffassung des Regierungsrates in den Schulen und bei Jugendlichen Wirkung gegen die rechtsextreme Szene erzielt werden?
5. Welche Formen der kantonsübergreifenden Zusammenarbeit bestehen, um bei entsprechenden Anlässen Manifestationen und Ausschreitungen vorzubeugen.
6. Wie schätzt der Regierungsrat die Möglichkeiten ein, eine kantonale Fachstelle oder eine andere geeignete Anlaufstelle einzuführen, welche in vorbeugender und beratender Funktion Schulen, Eltern, Institutionen (Vereine etc.) und Betroffenen zur Seite steht?"
Der Regierungsrat nimmt zur Interpellation wie folgt Stellung:
Frage 1
Wie beurteilt der Regierungsrat die Lage zum Rechtsradikalismus im Kanton Basel-Landschaft? Welche Form der Lagebeurteilung (Rhythmus, Gremium) besteht?
Der Regierungsrat nimmt die Situation ernst. Dies hat er in Stellungnahmen, aber auch in seinen Aktivitäten bewiesen. Lagebeurteilungen werden von den zuständigen Behörden laufend vorgenommen und dem Regierungsrat in gegebener Form auch kommuniziert. Überdies hat der Regierungsrat am 5. September eine entsprechende verwaltungsinterne Arbeitsgruppe eingesetzt. Begleitet wird diese Arbeitsgruppe durch die beiden Regierungsräte Peter Schmid und Andreas Koellreuter. Inzwischen hat das Gremium zwei Mal getagt.
Frage 2
Wie beurteilt die Polizei ihr rechtliches Handlungsinstrumentarium im Zusammenhang mit Gewalt, öffentlichem Skandieren von rechtsradikalen Versen, dem Bemalen und Besprayen von der Öffentlichkeit zugänglichen Orten mit rechtsradikalen Inhalten und dem Tragen faschistischer Emblems?
Der Regierungsrat beurteilt das rechtliche Handlungsinstrumentarium der Polizei im Zusammenhang mit den vom Interpellanten aufgeführten Bereichen als genügend. Das Problem besteht nicht primär im Tätigwerden gegen Straftäter, sondern in der Möglichkeit, Straftaten einem Täter oder einer Tätergruppierung zuordnen zu können. Zudem kann die Polizei nur tätig werden, wenn ihr strafbare Handlungen oder Vorbereitungen dazu gemeldet werden.
Frage 3
Welche gesetzlichen Grundlagen bestehen im Zusammenhang mit der (präventiven und repressiven) Gefahrenabwehr? Bestehen nach Auffassung des Regierungsrates Lücken im rechtlichen Instrumentarium? Falls ja, welche und wie gedenkt der Regierungsrat diese zu schliessen?
Die Polizei stützt ihr Handeln auf das Polizeigesetz, die Strafprozessordnung, das Strafgesetzbuch und das Bundesgesetz über die Wahrung der Inneren Sicherheit ab. Dass die Polizei bei der Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages regelmässig sehr subtil vorgehen muss, um die heikle Grenze zwischen den verfassungsmässig garantierten Grundrechten wie Meinungsäusserungs-, Versammlungs- und persönlicher Freiheit und dem rechtsstaatlichen Grundsatz nach Beachtung der inneren Ordnung zu verwischen, liegt in der Natur der Sache. Auf eidgenössischer Ebene wird zur Zeit abgeklärt, ob die bundesrechtlichen Bestimmungen ausreichen, um dem Phänomen des Rechtsextremismus mit den Mitteln des Rechtsstaates entgegenzutreten. Es stellt sich speziell die Frage, ob rechtliche Regelungen zur Bekämpfung des rechtsextremen Propagandamaterials zu schaffen sind und ob möglicherweise der Rassendiskriminierungsartikel (Artikel 261bis StGB) zu verschärfen ist. Der Regierungsrat unterstützt diese Bestrebungen auf eidgenössischer Ebene.
Frage 4
Mit welchen präventiven Massnahmen könnte nach Auffassung des Regierungsrates in den Schulen und bei Jugendlichen Wirkung gegen die rechtsextreme Szene erzielt werden?
(vgl. auch die Antwort zur Interpellation 2000/176 von Esther Maag)
- Mit Unterrichtsmitteln
Zum Rechtsextremismus existieren bereits zahlreiche Informations- und Unterrichtsmaterialien, vor allem für die Sekundarstufen I und II, zu denen Lehrerinnen und Lehrer Zugang haben. Die meisten Kantone der Schweiz, auch Baselland, verfügen über spezifische Merkblätter, Broschüren und Unterrichtsmittel - auch audiovisuelle - zur Gewalt und zum Rechtsextremismus.
- Mit Weiterbildungskursen für Lehrpersonen und Eltern
Immer wieder sind in den letzten Jahren Weiterbildungskurse angeboten worden, die vielleicht weniger den Rechtsextremismus, ganz sicher aber das Thema "Gewalt an den Schulen" zum Gegenstand haben.
- Mit Präventionsprojekten
Theater (Das Herz eines Boxers", 1999), Ausstellungen ("Rassismus", BFF, 1999), Forumsveranstaltungen "Hau den Lukas", Sissach, 1998), Tagungen mit Expertinnen und Experten (Gewalttagung mit Allan Guggenbühl) - all diese Veranstaltungen können dazu beitragen, den Sinn der Schülerinnen und Schüler, aber auch der Lehrerinnen und Lehrer "gegen Rechts" zu schärfen.
- Mit Beratungen für Jugendliche, Eltern und Lehrpersonen
In unserem Kanton sind mehrere Ansprechpartnerinnen und -partner vorhanden, die Schulen und Lehrpersonen beraten, unterstützen und bei Problemlösungen mitwirken. So zum Beispiel das Schulinspektorat - dort der Beauftragte für Jugendfragen -, der schulpsychologische Dienst, die Lehrerinnen- und Lehrerfortbildung, der Jugendpsychiatrische Dienst, die Jugendanwaltschaft und nicht zuletzt auch die Polizei Basel-Landschaft.
Frage 5
Welche Formen der kantonsübergreifenden Zusammenarbeit bestehen, um bei entsprechenden Anlässen Manifestationen und Ausschreitungen vorzubeugen.
Unter anderem stehen das Nordwestschweizer Polizeikonkordat und das Rechtshilfeabkommen zur Verfügung. Überdies können Informationen in verschiedenen Gremien - auch über die Landesgrenzen hinweg, beispielsweise im Rahmen der trinationalen polizeilichen Zusammenarbeit mit dem Elsass und Baden-Württemberg - ausgetauscht werden.
Frage 6
Wie schätzt der Regierungsrat die Möglichkeiten ein, eine kantonale Fachstelle oder ein andere geeignete Anlaufstelle einzuführen, welche in vorbeugender und beratender Funktion Schulen, Eltern, Institutionen (Vereine etc.) und Betroffenen zur Seite steht?"
Im Rahmen der oben erwähnten Arbeitsgruppe "Rechtsextremismus" wird geprüft, ob und allenfalls in welcher Form Ausstiegshilfen angeboten werden könnten. Es hat sich in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass Jugendliche, die sich in rechtsextremen Kreisen bewegen, dies oftmals auch des sozialen Kontakts tun. Verschiedene Modelle in Europa - vorab in den skandinavischen Ländern - zeigen, dass Jugendliche den Ausstieg aus dieser Szene mit gezielter Hilfe und Unterstützung auch wieder schaffen können.
Liestal, 19. Dezember 2000
Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Koellreuter
Der Landschreiber: Mundschin
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