2000-72 (1)

Landrat / Parlament || Bericht vom 25. Mai 2000 zur Vorlage 2000-072


Bericht der Justiz- und Polizeikommission an den Landrat


1. Wahl eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode
2. Wahl von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen





1. Organisation der Kommissionsberatung

Die Justiz- und Polizeikommission (JPK) hat die Vorlage anlässlich ihrer Sitzungen vom 8. Mai 2000 und 22. Mai 2000 beraten. Die Beratungen wurden begleitet von Regierungsrat Andreas Koellreuter, Stephan Mathis, Direktionssekretär der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, Dr. Toni Walter, Präsident des Obergerichts (8. Mai) und Dr. Adrian Jent, Präsident des Strafgerichts (22. Mai).




2. Ausgangslage


Angesichts der Entwicklung der Kriminalität wurden in letzter Zeit im Bereiche der Strafverfolgung verschiedene Massnahmen beschlossen:


Mit dem seit 1999 operativ tätigen Besonderen Untersuchungsrichteramt (BUR) sollen die Wirtschaftskriminalität und das organisierte Verbrechen gezielt bekämpft werden. Zudem ist im Rahmen des Konzeptes zur erweiterten Kriminalitätsbekämpfung beschlossen worden, den Personalbestand bei der Polizei Basel-Landschaft deutlich zu erhöhen. Während die Auswirkungen der letzteren Massnahme sich erst in Zukunft zeigen werden, bringt das BUR nun die ersten Fälle zur Anklage. Im Vordergrund steht dabei der sogenannte „Transfer-Fall". Dabei handelt es sich um ein Verfahren mit rund 25 Beteiligten, welcher in 5 Tranchen aufgeteilt das Strafgericht nach heutigem Kenntnisstand über zwei Jahre beanspruchen wird. Neben der hohen Anzahl von Beteiligten zeichnet sich der Fall vor allem durch das äusserst umfangreiche Aktenmaterial, welches vom Gericht zu bewältigen sein wird, aus. Im Anschluss daran, teilweise auch parallel dazu, werden weitere Fälle des BUR erwartet. Daneben fallen selbstverständlich die von den übrigen Statthalterämtern überwiesenen Fälle an.


Das Obergericht und mit ihm das Präsidium des Strafgerichts beantragen die Einsetzung eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode sowie die Wahl von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern für den gleichen Zeitraum. Mit dem aktuellen Personalbestand können der Transfer-Fall, die weiteren BUR-Fälle sowie die verfahrensrechtlich aufwändigeren Fälle nach neuer Strafprozessordnung vom Strafgericht nicht in einem vernünftigen und rechtsstaatlich gebotenen Zeitrahmen beurteilt werden.




3. Ausserordentliches Strafgerichtspräsidium


Angesichts der unter Ziffer 2 geschilderten Ausgangslage ist innerhalb der JPK die Einrichtung eines 3. Strafgerichtspräsidiums gemäss Antrag des Obergerichts unumstritten.


Mit der Ausweitung der Kapazität auf der Ebene der Strafverfolgung ist es logisch, dass es auf der Ebene der Strafgerichtsbarkeit zu einem Engpass („Flaschenhals-Prinzip") kommen muss. Die Ausweitung der Kapazität in der Strafverfolgung hat aber nur dann einen Sinn, wenn auf der Ebene der Strafgerichtsbarkeit die zur Beurteilung der an das Gericht überwiesenen Fälle notwendige Kapazität geschaffen wird, denn sonst droht die Verjährung. Eine solche Justiz wäre unglaubwürdig. Dazu kommt, dass gemäss neuer Strafprozessordnung angeschuldigte Personen aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, wenn die Hälfte einer zu erwartenden unbedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe verstrichen ist, was ebenfalls zu einem zusätzlichen Zeitdruck für die gerichtliche Behandlung der Fälle führt.


Unter diesen Umständen könnte man sich sogar fragen, ob es richtig ist, dieses Präsidium als ausserordentlich einzurichten und ob nicht ein ordentlichen Präsidium geschaffen werden müsste. Obwohl die JPK heute davon ausgeht, dass die beiden ordentlichen Präsidien in Zukunft kaum ausreichen werden, um die Geschäftslast des Strafgerichts zu bewältigen, erachtet sie die Befristung bis zum Ende der laufenden Amtsperiode und damit den ausserordentlichen Charakter der Massnahme als gerechtfertigt. Bekanntlich ist per 1. Januar 2000 die neue Strafprozessordnung in Kraft getreten. Deren Auswirkungen auf die Geschäftslast der Präsidien können noch nicht beurteilt werden. Sie bringt für die Präsidien einerseits einen Mehraufwand im Bereiche der Instruktion und der erweiterten Zuständigkeit (Polizeigerichtsbarkeit), andererseits aber auch eine Entlastung durch eine deutliche Erhöhung der Einzelrichterkompetenz. Bevor über die definitiv notwendigen Präsidienstellen entschieden werden kann, müssen die Erfahrungen mit den Auswirkungen der neuen Strafprozessordnung ausgewertet werden. Dies dürfte frühestens im Laufe des Jahres 2001 möglich sein.


Aufgrund dieser Überlegungen unterstützt die JPK einstimmig und ohne Enthaltung den Antrag, ein ausserordentliches Strafgerichtspräsidium vom 1. August 2000 bis zum Ablauf der Amtsperiode zu wählen.




4. Wahl von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode


Weniger klar ausgewiesen erschien der JPK zunächst das Begehren nach einer zusätzlichen Kammer des Strafgerichts bzw. 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern. Sie beschloss deshalb anlässlich ihrer Sitzung vom 8. Mai 2000, den Entscheid dazu auszustellen und weitergehende Abklärungen zu treffen.


Die JPK liess sich schliesslich von folgenden, die Vorlage ergänzenden Überlegungen überzeugen:


- Bei den grösseren BUR-Fällen und bei Haftfällen, die (wie unter Ziffer 3 ausgeführt) mit erhöhtem Zeitdruck behandelt werden müssen, handelt es sich in der Regel um Kammerfälle. Das heisst, es braucht neben der präsidierenden Person 4 nebenamtliche Richter. Die grosse Zahl der Fälle führt dazu, dass die Einsätze der verschiedenen Kammern parallel laufen können und somit eine höhere Anzahl von nebenamtlichen Richtern gleichzeitig im Einsatz ist.


- Zur Sicherstellung einer korrekten Besetzung der Richterbank ist es bei den bevorstehenden lang-dauernden Fällen notwendig, mit Ersatzrichtern zu arbeiten für den Fall, dass ein Richter beispielsweise wegen Krankheit ausfällt.


- Offenbar ist es im Weitern heute so, dass nicht alle nebenamtliche Richter gleich disponibel sind und es häufig zu Absagen kommt. Dieser nicht voll befriedigende Zustand kann einerseits dadurch verbessert werden, dass eine grössere Anzahl Richter zur Verfügung steht, andererseits aber auch dadurch, dass der Landrat inskünftig bei der Wahl von Strafrichtern besser auf die zeitliche Disponibilität der Kandidatinnen und Kandidaten achtet.


- Schliesslich führt eine grössere Anzahl von nebenamtlichen Richtern mit ihren unterschiedlichen Fähigkeiten auch dazu, dass dem Gericht ein breiteres Fachwissen zur Verfügung steht und es davon profitieren kann. Dies setzt allerdings selbstverständlich auch eine zweckmässige Einsatzplanung der Richter voraus.


Für die Kommission war deshalb auch das zweite Begehren der Vorlage ausgewiesen. Eintreten war schliesslich unbestritten.


Einer starken Minderheit ging jedoch die Zahl der beantragten ausserordentlichen Richterinnen und Richter zu weit. Mit der Begründung, die ausgewiesenen Bedürfnisse liessen sich auch mit 5 zusätzlichen ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern abdecken und es sei nicht klug, den vom Regierungsrat im Rahmen der Justizreform unterbreiteten Vorschlag faktisch bereits vorzuziehen, wurde ein entsprechender Antrag gestellt. Mit 7:5 Stimmen wurde jedoch dem Antrag des Obergerichts auf Wahl von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern der Vorzug gegeben.


Bei den in den Vorlage genannten besonderen Qualifikationen für die ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichter (qualifizierte Wirtschafts- oder Buchhaltungs- oder Informatikkenntnisse oder Kenntnisse im Bereich der organisierten Kriminalität) handelt es sich mangels gesetzlicher Grundlage letztlich um einen Wunsch an den Landrat, nicht aber um eine eigentliche Wahlvoraussetzung.




5. Anträge


Die Justiz- und Polizeikommission beantragt dem Landrat:


1. Mit 10:0 Stimmen die Einsetzung eines ausserordentlichen Strafgerichtspräsidiums vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode (31. März 2002).


2. Mit 12:0 Stimmen die Einsetzung von 7 ausserordentlichen Strafrichterinnen und Strafrichtern vom 1. August 2000 bis Ende Amtsperiode (31. März 2002).




Lausen, den 25. Mai 2000


Im Namen der Justiz- und Polizeikommission
Der Präsident: Dieter Völlmin


Back to Top