2000-70
Änderung des Steuer- und Finanzgesetzes vom 7. Februar 1974;
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Vorlage 2000-070 vom 28. März 2000
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Inhalt:
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1.
Ausgangslage
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5.
Auswirkungen
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7.
Antrag
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1. Ausgangslage
Es geht darum, eine verfassungskonforme Ehegattenbesteuerung in unserem Kanton zu gewährleisten. Die Bestimmungen des kantonalen Steuer- und Finanzgesetzes genügen in ihrer bestehenden Form nicht mehr ganz den aktuellen Anforderungen an eine verfassungskonforme Ehe- und Familienbesteuerung. Diesen Mangel stellte ja schon das kantonale Verwaltungsgericht in seinem Entscheid vom 29. April 1998 fest. In den bisherigen Vorlagen zur Änderung des Steuer- und Finanzgesetzes (einjährige Veranlagung/Paket 1; Steuerharmonisierung/Paket 2) wurde noch nicht speziell auf eine Neuregelung der Familienbesteuerung hingearbeitet. Nur eine Ausweitung des bisherigen Teilsplitting-Abzuges wurde aufgrund des Urteils des Verwaltungsgerichts sozusagen als Sofortmassnahme bereits innerhalb des Pakets 2 vorgenommen.
2. Politischer Handlungsbedarf
Nachdem im Landrat verschiedene Vorstösse zur Anpassung der Familienbesteuerung unternommen worden sind, wurde von der Regierung angekündigt, dass die Familienbesteuerung innerhalb eines Revisionspakets 3 behandelt werden soll. Anlässlich der Vernehmlassung und in den Beratungen der landrätlichen Finanzkommission über das Steuerpaket 2 wurde hingegen verlangt, dass die Familienbesteuerung bereits zusammen mit dem Paket 2 zu behandeln und dem Landrat vorzulegen sei. In der Vorlage Nr. 1999/025 des Regierungsrates an den Landrat (Paket 2) musste deshalb eine zeitliche Zusage gemacht werden. Diese Zusage stützt sich auf den Auftrag im Regierungsratsbeschluss Nr. 167 vom 2. Februar 1999. Wie der Regierungsrat in einem Schreiben vom 4. Oktober 1999 den Mitgliedern des Landrates bereits mitgeteilt hat, ist die Zeit nun gekommen, sich Gedanken über die zukünftige Familienbesteuerung in unserem Kanton zu machen.
3. Verschiedene Modelle
Die Finanz- und Kirchendirektion wollte vor der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage den wohl von allen Kantonen mit einer gewissen Spannung erwarteten Bericht einer vom Bundesrat beauftragten Expertenkommission abwarten. Die Ergebnisse dieses nun vorliegenden Expertenberichts zum Thema "Familienbesteuerung" haben gezeigt, dass grundsätzlich verschiedene Modelle möglich wären, welche eine insgesamt befriedigende Besteuerung gewährleisten könnten. Die Expertenkommission hat dabei folgende drei Varianten näher untersucht:
(1) Vollsplitting (mit Wahlrecht): Verheiratete Personen werden wie bisher als wirtschaftliche Einheit veranlagt und besteuert. Die Einkommensbestandteile werden zwar addiert, jedoch zum Steuersatz des hälftigen Gesamteinkommens besteuert. Konkubinatspaare können beantragen, wie Ehepaare besteuert zu werden.
(2) Individualbesteuerung (modifiziert): Alle erwachsenen Personen und damit auch Verheiratete werden getrennt veranlagt und besteuert. Es findet also keine gemeinsame Veranlagung von Ehepaaren mehr statt, sondern eine individuelle mit jeweils zugewiesenen Einkommens- und Vermögensbestandteilen.
(3) Familiensplitting : Diese Variante stellt eine Kombination von Individualbesteuerung und Vollsplitting dar. Grundsätzlich werden alle erwachsenen Personen individuell besteuert. Nur Ehepaare mit minderjährigen Kindern und auf Antrag auch Konkubinatspaare mit minderjährigen Kindern werden als wirtschaftliche Einheit veranlagt und gemeinsam besteuert.
Nach dem geltenden Steuerharmonisierungsrecht des Bundes kann aber zur Zeit keines dieser drei Varianten in Reinformat umgesetzt werden: Einzig das System des sog. "Vollsplittings" könnte übernommen werden, aber ohne Wahlrecht für Konkubinatspaare. Dieses System wurde erstmals vom Kanton St. Gallen ausgearbeitet und ist mittlerweile auch im Kanton Aargau beschlossen worden.
Der Vorsteher des Eidg. Finanzdepartementes, Bundesrat Kaspar Villiger, hat sich neulich dahingehend geäussert, dass das Modell des Vollsplittings zwar in Diskussion sei. An Boden gewonnen habe aber auch die Individualbesteuerung , welche in der Schweiz zwar eine völlige Neuheit darstellen würde, in den meisten umliegenden Staaten - mit Ausnahme von Frankreich - aber schon lange praktiziert werde. Gesamtschweizerisch sollte letztendlich ein einheitliches Modell zur Anwendung kommen.
Da mit einem Entscheid, welches System in der Schweiz definitiv zur Anwendung kommen soll, sicher nicht vor dem Jahre 2001 gerechnet werden kann, will sich der Regierungsrat verständlicherweise auch noch nicht festlegen. Zudem lässt sich zur Zeit ja keines der vom Expertenbericht des Bundes vorgeschlagenen Modelle in Reinformat umsetzen. Deshalb wäre eine kantonale Festlegung im aktuellen Zeitpunkt noch als verfrüht zu bezeichnen. Würde die Vorlage mit dem System des Vollsplittings realisiert, anschliessend aber beim Bund die Individualbesteuerung favorisiert, so könnte unserem Kanton innert kurzer Frist ein erneuter Systemwechsel bevorstehen, was natürlich auf keinen Fall anzustreben wäre.
Der Regierungsrat schlägt deshalb eine alternative Lösung vor, wie er es an der Landratssitzung vom 14. Oktober 1999 bezüglich des als Postulat überwiesenen Vorstosses der CVP-Fraktion vom 24. Juni 1999 (1999/135) mitgeteilt hat. Mit diesem Vorgehen lassen sich zeitliche Verzögerungen bei der Umsetzung einer Steuererleichterung für Familien auf jeden Fall vermeiden.
4. Alternativer Lösungsvorschlag
Zwischenzeitlich soll - sozusagen als Übergangsordnung - per 1.1.2001 folgende Korrektur im Steuergesetz erfolgen: Der bestehende Teilsplittingabzug von max. 16'000 Fr. soll auf 20'000 Fr. erhöht werden. Damit wird das bisherige System grundsätzlich beibehalten. Mit dieser Lösungsvariante könnte schon jetzt eine verfassungskonforme Ehegattenbesteuerung im Sinne der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung erreicht werden. Zusammen mit der bereits im Paket 2 vorgenommenen Ausweitung des Teilspittingabzuges auch auf Ersatzeinkommen, wie z.B. AHV- und Pensionskassenleistungen, können auch Steuerpflichtige im Rentenalter in den Genuss einer steuerlichen Entlastung kommen.
5. Auswirkungen
Die Erhöhung des Teilsplittingabzugs auf 20'000 Fr. vermag unerwünschten Progressionswirkungen der gemeinsamen Veranlagung von Ehepaaren entgegenzuwirken, wenn Erwerbs- oder Ersatzeinkommen beider Ehegatten vorhanden ist (sog. Dopelverdiener-Situation). Diese steuerliche Entlastung hat zwangsläufig Ertragsausfälle zur Folge, die aber nicht derart ins Gewicht fallen, sondern eher noch als kostengünstig bezeichnet werden können: Der Kanton verzichtet dadurch pro Jahr auf rund 4 Mio. Fr. Einkommenssteuern. Zur Erinnerung: Es stehen geschätzte 12,5 Mio. Fr. pro Jahr Steuermehreinnahmen gegenüber, welche bedingt durch die Steuerharmonisierung (Paket 2) entstehen werden.
Trotz der Ertragsausfälle gilt es in jedem Fall zu Bedenken, dass mit der vorliegenden Lösung schon jetzt eine verfassungskonforme Besteuerung erreicht werden kann : Das erwerbstätige Ehepaar zahlt - gesamthaft betrachtet - nicht mehr Steuern als ein Konkubinatspaar in gleichen Verhältnissen. Beim Vergleich der Steuerbelastung von Ehepaaren mit Konkubinatspaaren mit gleicher Einkommensstruktur zahlen die Ehepaare mit der neu vorgeschlagenen Lösung in weit weniger Fällen etwas mehr Steuern als unter geltendem Recht. Bei denjenigen Konstellationen, bei denen Ehepaare trotz der Neuregelung etwas mehr Steuern zu bezahlen haben, liegen die Mehrbelastungen aber immer noch innerhalb der vom Bundesgericht aufgestellten Toleranzgrenze von 10%. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass mit dem regierungsrätlichen Lösungsvorschlag die Ehegattenbesteuerung in unserem Kanton einer bundesgerichtlichen Überprüfung standzuhalten vermag.
Ein Vergleich der Steuerbelastung unter geltendem Recht mit der vorgeschlagenen Lösungsvariante (Teilsplitting Fr. 20'000) befindet sich nachfolgend in tabellarisch dargestellter Form. Im Anhang zu dieser Vorlage sind zudem grafisch dargestellte Vergleichskurven zu finden.
Vergleich der Steuerbelastung unter bisherigem und neuem Recht
Ehepaar vs. Konkubinatspaar bei gleicher interner Aufteilung des Erwerbseinkommens
Vergleich der Steuerbelastung in Prozent (Konkubinat = 100%) 1999 / 2001 Teilsplittingerhöhung Fr. 16'000 auf 20'000
Geltendes Recht: "alt" Teilsplitting Fr. 16'000 Neues Recht: Split 20' Teilsplitting Fr. 20'000
Lohneink
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Aufteilung
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verheiratet Tarif A
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Aufteilung
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verheiratet Tarif A
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im Haushalt
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50:50%
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alt
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Split 20'
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60:40%
|
alt
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Split 20'
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Netto
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in Tausend
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in% des Konkubinats
|
in Tausend
|
in % des Konkubinats
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||
40'000
|
20:20
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90,31
|
38,75
|
24:16
|
77,41
|
32,22
|
50'000
|
25:25
|
117,2
|
87,80
|
30:20
|
104,5
|
78,28
|
60'000
|
30:30
|
115,2
|
101.4
|
36:24
|
108,5
|
95,41
|
70'000
|
35:35
|
110,9
|
101,9
|
42:28
|
107,3
|
98,68
|
80'000
|
40:40
|
106,0
|
101,2
|
48:32
|
106,7
|
101,9
|
90'000
|
45:45
|
106,9
|
102,5
|
54:36
|
104,8
|
100,5
|
100'000
|
50:50
|
107,6
|
103,6
|
60:40
|
104,0
|
100,1
|
150'000
|
75:75
|
106,9
|
105,2
|
90:60
|
104,9
|
103,3
|
200'000
|
100
:
100
|
108,9
|
108,5
|
120:80
|
107,5
|
107,1
|
300'000
|
150:150
|
103,7
|
103,5
|
180:120
|
103,1
|
102,9
|
Geltendes Recht: "alt" Teilsplitting Fr. 16'000 Neues Recht : Split 20' Teilsplitting Fr. 20'000
Lohneink
|
Aufteilung
|
verheiratet Tarif A
|
Aufteilung
|
verheiratet Tarif A
|
||
im Haushalt
|
70:30%
|
alt
|
Split 20'
|
80:20%
|
alt
|
Split 20'
|
Netto
|
in Tausend
|
in% des Konkubinats
|
in Tausend
|
in % des Konkubinats
|
||
40'000
|
28:12
|
37,52
|
18,95
|
32:8
|
24,4
|
12,34
|
50'000
|
35:15
|
80,52
|
60,33
|
40:10
|
57,0
|
42,75
|
60'000
|
42:18
|
92,19
|
81,10
|
48:12
|
73,7
|
64,85
|
70'000
|
49:21
|
98,16
|
90,26
|
56:14
|
81,4
|
74,85
|
80'000
|
56:24
|
99,24
|
94,68
|
64:16
|
87,7
|
83,68
|
90'000
|
63:27
|
100,2
|
96,03
|
72:18
|
92,2
|
88,4
|
100'000
|
70:30
|
103,5
|
99,65
|
80:20
|
96,2
|
92,63
|
150'000
|
105:45
|
102,6
|
101,0
|
120:30
|
97,6
|
96,11
|
200'000
|
140:60
|
106,4
|
106,1
|
160:40
|
104,5
|
104,1
|
300'000
|
210:90
|
103,9
|
103,7
|
240:60
|
101,8
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101,5
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6. Vernehmlassung
Das durchgeführte Vernehmlassungsverfahren hat insgesamt gezeigt, dass sich der Regierungsrat mit seiner Übergangslösung auf der richtigen Marschlinie bewegt. Durchwegs wurde es als sinnvoll empfunden, dass mit dieser Sofortmassnahme schon jetzt eine Besserung erreicht werden könne, bis sich gesamtschweizerisch ein System der Familienbesteuerung durchgesetzt habe. Immer wieder wurde aber betont, dass dieses Vorgehen tatsächlich nur als Übergangslösung verstanden werde - und deshalb nicht eine definitive Lösung darstellen solle.
Im einzelnen ergaben sich folgende befürwortende Stellungnahmen :
Parteien EVP, FDP, SVP, SP, SD
Gemeinden Buckten, Ormalingen, Buus, Reinach, Gelterkinden, Brislach, Bretzwil, Tecknau, Arlesheim, Känerkinden, Bennwil, Reigoldswil, Therwil, Frenkendorf, Birsfelden, Füllinsdorf, Lausen, Arboldswil, Waldenburg, Lauwil, Bottmingen, Aesch, Muttenz, Münchenstein, Oberwil, Titterten, Tenniken, Maisprach, Hölstein, Ettingen, Bubendorf, Niederdorf, Schönenbuch (Modell Vollsplitting) Langenbruck, Allschwil, Böckten, Sissach, Pfeffingen, Rothenfluh
Verbände, private und öffentliche Institutionen
Verband Basellandschaftlicher Gemeinden (fehlender Gesamtüberblick wegen tranchenweisem Vorgehen), Verband der Gemeindesteuerbeamten, Hauseigentümerverband, Treuhandkammer, Handelskammer beider Basel, Wirtschaftskammer der KMU, Liga der Baselbieter Steuerzahler, Mieterinnen- und Mieterverband BL und Dorneck-Thierstein (Mietkostenabzug anpassen), Basler Volkswirtschaftsbund, Seniorenverband Nordwestschweiz, Fachstelle für Gleichstellung von Mann und Frau (Kinderbetreuungskostenabzug einführen), Frauenrat (Kinderbetreuungskostenabzug einführen), Erziehungs- und Kulturdirektion, Bau- und Umweltschutzdirektion, Justiz,- Polizei- und Militärdirektion, Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion
Befürwortend , aber mit deutlichen Vorbehalten :
CVP (absolute Minimallösung, Kritik am Vorgehen, Gefahr des Etikettenschwindels bei nicht fristgerechter Umsetzung einer echten Neugestaltung der Familienbesteuerung, Erweiterung der Vorlage mit zusätzlichen Verbesserungen für die Familie, keine Abschreibung der politischen Vorstösse)
Gemeinde Oberdorf (Modell Vollsplitting und Abzug für Kinderbetreuungskosten).
Auf eine Stellungnahme haben ausdrücklich verzichtet:
Zwingen, Hemmiken, Hersberg, Biel-Benken, Verwaltungsgericht, Obergericht
7. Antrag
Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, der Änderung des Steuer- und Finanzgesetzes gemäss beiliegendem Entwurf zuzustimmen. Die folgenden politischen Vorstösse sind demzufolge abzuschreiben:
- Motion Alfred Peter vom 19. März 1992 ( 1992/067 )
- Postulat CVP-Fraktion vom 3. September 1998 ( 1998/153 )
- Postulat CVP-Fraktion vom 24. Juni 1999 ( 1999/135 )
Liestal, 28. März 2000
IM NAMEN DES REGIERUNGSRATES
der Vizepräsident: Koellreuter
der 2. Landschreiber: Achermann
Zum Gesetzesentwurf
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