2000-138 (1)

Landrat Heinz Mattmüller (SD / Pratteln) hat am 8. Juni 2000 unter Nummer 2000/138 eine schriftliche Anfrage mit folgendem Wortlaut gestellt:


" KVG-Versicherte haben Anspruch auf die Ausrichtung von Prämienverbilligung, wenn die Jahresrichtprämie 4.5 % des "bereinigten" steuerbaren Einkommens übersteigt und kein Vermögen besteuert wird. Gemäss Fussnote des Merkblattes Volkswirtschafts- und Sanitätsdirektion wird unter dem "bereinigten" steuerbaren Einkommen jedoch die Aufrechnung der Freibeträge von allfällige Altersrenten verstanden. Das heisst, dass bei der Berechnung der Prämienverbilligung für Personen im Rentenalter der steuerliche Rentenabzug zum steuerbaren Einkommen wieder aufgerechnet wird. Daraus resultieren für diese schmerzlich Betroffenen geringere oder gar keine Verbilligungsbeträge mehr.


Ich bitte den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:


1. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage oder aus welchen sonstigen Gründen wurde diese Praxis zur Berechnung des "bereinigten" Einkommens eingeführt?


2. Wie verfahren andere Kantone, welche den Rentenabzug kennen?


3. Ist der Regierungsrat bereit dafür zu sorgen, dass den betroffenen Rentnerinnen und Rentnern die ihnen m.E. zu Unrecht weggekürzten Beträge der Rentenverbilligung nachgezahlt werden?"



Der Regierungsrat nimmt zur schriftlichen Anfrage wie folgt Stellung:

Vorbemerkung : Die schriftliche Anfrage datiert vom 8. Juni 2000. Der Regierungsrat beantwortet die schriftlichen Anfragen gemäss § 41 Absatz 3 des Landratsgesetzes innert drei Monaten schriftlich. Die Frist ist versehentlich massiv überschritten, was der Regierungsrat bedauert. Die Antwort wäre allerdings vor dem Urteil des Versicherungsgerichts vom 3. Oktober 2000 vermutlich auch anders ausgefallen.




Zur Frage 1:


Laut § 8 Absatz 2 des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG) (1) wird die Krankenkassenprämienverbilligung (KKPV) aufgrund des "massgebenden, steuerbaren Einkommens" bestimmt. Präzisierend zu § 8 EG KVG bestimmt § 6 Absatz 3 der Verordnung über den Vollzug der Prämienverbilligung (2) in der Krankenversicherung (Verordnung I zur Prämienverbilligung): "Das jeweils massgebende Einkommen ist das steuerbare Einkommen, zuzüglich Steuerfreibeträge von Renten, abzüglich einmalige Kapitalabfindungen."


Das Versicherungsgerichtspräsidium hat mit Urteil vom 3. Oktober 2000 eine Beschwerde vom 9. Februar 2000 gegen die Ausgleichskasse gutgeheissen, wonach für die Berechnung der KKPV ausschliesslich auf das steuerbare Einkommen ohne nachträgliche Aufrechnung von Freibeträgen abzustellen sei.


Das Urteil argumentiert nicht inhaltlich (materiellrechtlich), sondern gesetzestechnisch (formalrechtlich), dass der niederwertigere Verordnungstext in diesem Punkt vom höherwertigeren Gesetzestext nicht abgedeckt werde. Am 1. Januar 1996 ist bekanntlich das KVG in Kraft getreten. Aufgrund einer Kompetenznorm im KVG führte der Regierungsrat die KKPV selbständig mittels einer provisorischen Verordnung vom 3. Oktober 1995 per 1. Januar 1996 ein. Es trifft nun zu, dass die Überführung dieser provisorischen Verordnung ins EG KVG im März 1996 gesetzestechnisch nicht gerade über alle Zweifel erhaben war.


Der Regierungsrat will die bisherige Praxis weiterführen und deshalb mit der Vorlage 2000/257 betreffend urteilsbedingte Änderung des Einführungsgesetzes vom 25. März 1996 zum Bundesgesetz über die Krankenversicherung (EG KVG) vom 12. Dezember 2000 die gesetzliche Grundlage der bisherigen Praxis anpassen.


Inhaltlich ist die Lösung, Steuerfreibeträge von Renten aufzurechnen, nämlich richtig und seit 1. Januar 1996 konstante Praxis. Es war von allem Anfang an klar, dass die Steuerfreibeträge auf Renten aufgerechnet werden sollen: So stand es im Merkblatt zur KKPV vom November 1995; so stand es in der Vorlage zum EG KVG, und der Landrat war damit einverstanden; so stand es in den Abstimmungserläuterungen für die Volksabstimmung vom 9. Juni 1996. Die bisherige konstante Praxis, wonach Steuerfreibeträge auf Renten aufgerechnet und einmalige Kapitalabfindungen vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden, entspricht somit dem Willen des Gesetzgebers. Die bisherige konstante Praxis ist richtig, weil der Rentenfreibetrag kein Sozialabzug, sondern ein Ausgleich dafür ist, dass die Beitragszahlungen an die Renteneinrichtungen früher bereits einmal zu versteuern waren; mit der aktuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hat dies nichts zu tun. Der Rechtsdienst des Regierungsrates stellte vielmehr die Frage, ob sich das Urteil des Versicherungsgerichts im Ergebnis mit dem Gebot rechtsgleicher Behandlung überhaupt vereinbaren lässt; denn es führt zu neuen Ungerechtigkeiten, indem es Rentner/innen und Nichtrentner/innen in vergleichbaren wirtschaftlichen Verhältnissen bezüglich KKPV ungleich behandelt. Das Verwaltungs- und Versicherungsgericht begrüsste denn auch im Rahmen seiner Vernehmlassung ausdrücklich den Vorschlag des Regierungsrates, "die bisherige Praxis der Einkommensbestimmung weder zu ändern noch abzuschaffen, sondern im Rahmen einer normen- und kompetenzgerechten Bestimmung auf Gesetzesstufe im formellen Sinne aufzunehmen".




Zur Frage 2:


Es gibt eine Reihe von Kantonen, die für die Berechnung der Krankenkassenprämienverbilligung für Personen im Rentenalter die AHV- und IV-Renten aufrechnen, so beispielsweise Bern, Solothurn, St. Gallen, Obwalden.


Mit der Anpassung des kantonalen Steuergesetzes an das Steuerharmonisierungsgesetz des Bundes per 1. Januar 2001 fallen die Rentenfreibeträge - und ihre Aufrechnung für die KKPV ab 2002 - ohnehin weg.




Zur Frage 3:


Im Lichte seiner Erwägungen zu Frage 1 hält der Regierungsrat eine Rückzahlung nicht für opportun. Die KKPV-Verfügungen sind rechtskräftig. Eine Rückzahlung führte zur Ungleichbehandlung von Rentner/innen und Nichtrentner/innen in vergleichbaren wirtschaftlichen Verhältnissen. Der administrative Aufwand wäre überdies ausserordentlich hoch, und die Praxisänderung brächte dem Kanton Zusatzkosten von etwa 1.9 Mio. Franken pro Jahr.


Liestal, 20. März 2001


Im Namen des Regierungsrates
Der Präsident: Koellreuter
Der Landschreiber: Mundschin



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Fussnoten:


1. SGS 362


2. SGS 362.12