2000-110

Landrat / Parlament

Dringliche Interpellation von Simone Abt-Gassmann: Änderung der Verordnung über Art und Massnahmen der Fürsorgeunterstützungen (RRB vom 25. April 2000) per 1. Juni 2000



Geschäfte des Landrates || Hinweise und Erklärungen



Autor: Simone Abt-Gassmann, SP-Fraktion

Eingereicht: 18. Mai 2000


Nr.: 2000-110





Mit dem Regierungsratsbeschluss vom 25. April 2000 wird die Verordnung über Art und Massnahmen der Fürsorgeunterstützungen (SGS 851.12) wie folgt ergänzt:

Die bisherige Unterstützungspraxis im Kanton Basel-Landschaft richtete sich konsequent nach den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), die eine Gliederung der Unter-stützungsbeträge („Grundbedarf I" und „Grundbedarf II") im Sinn eines „sozialen Existenzminimums" vorgibt. Mit der Änderung vom 25. April 2000 weicht nun der Regierungsrat deutlich von den Empfehlungen der SKOS ab:


- Der neu eingeführte „Notbedarf" entspricht einem um 15% reduzierten Grundbedarf. Hiermit unterschreitet der Regierungsrat nicht nur das von der SKOS empfohlene soziale Existenz-minimum, sondern gar das betreibungsrechtliche Existenzminimum.


- Die Präambel zu den SKOS-Richtlinien sieht zwar die Verbindlichkeit derselben nur für längerfristig unterstützte Personen vor. Abweichungen von den Richtlinien bei kurzfristigen Unterstützungen sollten jedoch situationsgerecht - also im Einzelfall, im Sinn eines Spielraums für die Sozialdienste in den Gemeiden - begründet sein. Von einer individuellen Begründung kann jedoch im Zusammenhang mit der besagten Verordnungsänderung nicht gesprochen werden.


- Bei der massgebenden „Kurzfristigkeit", die gemäss den SKOS-Richtlinien begründete Abweichungen zulässt, wird von der SKOS selbst in ihren Kommentaren von höchstens drei Monaten ausgegangen. Die Verordnung sieht hingegen die Entrichtung des vollen sozialen Existenzminimums erst nach 6 Monaten vor.


- Der „Zuschlag für Haushalte mit drei und mehr Personen über 16 Jahren", d.h. 200 Franken monatlich für jede/n betroffene/n Jugendliche/n, wird durch ein „Sackgeld" von 50 Franken für Jugendliche ab 16 Jahren, entrichtet ab dem 7. Unterstützungsmonat, ersetzt. Dies entspricht einer Kürzung um 75% und einer ersatzlosen Streichung in den ersten 6 Monaten.




Ich bitte den Regierungsrat um Beantwortung folgender Fragen:


1. Welche Überlegungen waren ausschlaggebend für die Änderung der Verordnung?


2. Welche Fachstellen / involvierten Institutionen wurden für die Entscheidfindung konsultiert?


3. Ist die geänderte Verordnung nach Ansicht des Regierungsrates mit den SKOS-Richtlinien noch konform?


4. Ist sich der Regierungsrat bewusst, dass


4.1 mit Anwendung dieser Verordnungsänderung bei vielen Betroffenen das betreibungsrechtliche Existenzminimum unterschritten wird?


4.2 die Armutsgrenze weiter gesenkt wird?


4.3 viele Menschen durch die Herabsetzung des Grundbedarfs keinen Zugang mehr zur finanziellen Sozialhilfe haben werden und dass eine stärkere Verschuldung und andere Überlebensstrategien, wie das Nichtbezahlen von Krankenkassenprämien, Steuern, etc. sowie die Entfremdung von administrativen Prozessen und öffentlichem Leben die Folgen einer solchen Entwicklung sind?


5. Welche Einsparungen erhofft sich der Regierungsrat von dieser Massnahme? Wurden mögliche Folgekosten thematisiert und berücksichtigt?


6. In welchem Ausmass fliesst die Verordnungsänderung in die neue Sozialhilfe-Gesetzgebung ein?


7. Wie ist eine solche Kürzung der Fürsorgeunterstützungen in Anbetracht der derzeitigen finanziellen Situation des Kantons und mit Blick auf die bevorstehenden Diskussionen über Steuersenkungen resp. -aufhebungen zu verstehen?


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