Postulat von Max Ribi betreffend Verkürzung der Behandlungsdauer von Beschwerden
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Postulat von Max Ribi betreffend Verkürzung der Behandlungsdauer von Beschwerden |
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Vorlage 2000-151 vom 11. Juli 2000 - [Vorlage 2000-151; Inhalt ] |
4. Beurteilung des Postulates
- Die Notwendigkeit, Beschwerdeverfahren innert nützlicher oder angemessener Frist zum Abschluss zu bringen, ist im Rechtsstaat unbestritten. Ein entsprechender Anspruch ist sowohl in Artikel 29 Absatz 1 der revidierten Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 18. Dezember 1998 (BV) als auch in § 9 Absatz 3 der Verfassung des Kantons Basel-Landschaft vom 17. Mai 1984 (KV) ausdrücklich verankert. Welche Frist als "angemessen" zu betrachten ist, lässt sich nicht allgemein bestimmen und hängt auch nicht allein von der Komplexität des konkreten Falles ab; massgebend sind nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung vielmehr die Natur und der Umfang der Sache sowie die Gesamtheit der übrigen Umstände (vgl. BGE 108 Ia 169 E.e). Die gesetzliche Fixierung von allgemeinen, starren Behandlungsfristen vermag der Vielfalt der Lebenssachverhalte, die bei der Behandlung von Beschwerden zu berücksichtigen sind, nicht gerecht zu werden.
- Es darf mit Fug und Recht davon ausgegangen werden, dass im Kanton Basel-Landschaft über verwaltungsrechtliche Beschwerden im Allgemeinen innert angemessener Frist entschieden wird. Dies zeigt auch die Tatsache, dass Rechtsverzögerungsbeschwerden in Verwaltungssachen (§ 42 VwVG, § 32 Absatz 4 VPO) äusserst selten sind. Deshalb drängt sich eine allgemeine gesetzliche Festsetzung von Behandlungsfristen für das verwaltungsinterne Beschwerdeverfahren nicht auf (6) . Dies will jedoch nicht heissen, dass man sich nicht ständig verbessern darf und sich deshalb entsprechende Gedanken dazu macht (siehe weiter hinten).
- Mit dem vorliegenden Postulat wird eine Regelung vorgeschlagen, die höchstens für diejenigen Beschwerdefälle sinnvoll erscheint, in denen die Beschwerde als "Verhinderungsmittel " eingesetzt wird und in denen deshalb nicht auf Seiten der beschwerdeführenden Person, sondern auf Seiten anderer Verfahrensbeteiligter (Private oder Behörden) ein besonderes Interesse an einem raschen Abschluss des Beschwerdeverfahrens besteht (z.B. bei sog. Drittbeschwerden in planungs- und baurechtlichen Verfahren (7) ). Eine solche Interessenkonstellation stellt in Beschwerdeverfahren jedoch nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme dar. In der Regel ist in erster Linie die beschwerdeführende Person selbst an einem möglichst baldigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens interessiert (vgl. oben Ziffer 3.a) Es besteht kein Grund, für solche Fälle starre gesetzliche Behandlungsfristen der vorgeschlagenen Art einzuführen. Im Übrigen können es - unabhängig von der Komplexität eines Falles - verschiedene Gründe (auch Gründe verfahrens- oder verwaltungsökonomischer Art) sinnvoll oder sogar rechtlich notwendig erscheinen lassen, durch Einschaltung zusätzlicher Verfahrensschritte eine längere Verfahrensdauer in Kauf zu nehmen (vgl. oben Ziffer 3.c).
- Es ist schliesslich darauf hinzuweisen, dass der Sinn und das Ziel von Beschwerdeverfahren nicht einfach darin besteht, innert möglichst kurzer Frist zu einem endgültigen Entscheid zu gelangen. Im Vordergrund soll vielmehr die materielle Richtigkeit oder Korrektheit des Entscheids stehen. Ausserdem hat das Beschwerdeverfahren - wie aus den vorstehenden Darlegungen hervorgeht - auch eine wichtige friedensstiftende oder Versöhnungs-Funktion, und zwar nicht nur für das Verhältnis zwischen Behörden und Bürger oder Bürgerin, sondern gelegentlich auch für das Verhältnis zwischen Bürgern oder Bürgerinnen untereinander. Starre Behandlungsfristen können dem Finden eines Ausgleichs entgegenstehen. Werden allgemeine, starre Behandlungsfristen im vorgeschlagenen Sinne eingeführt, so wird es in vielen Fällen nicht mehr möglich sein, die genannten wichtigen Funktionen des Beschwerdeverfahrens zum Tragen zu bringen. Ist in Bereichen wie besonders im Bau- und Planungsrecht die Verhinderermentalität ausgeprägt, so können allerdings Behandlungsfristen dagegen ein probates Mittel sein. Der Regelungsstandort müsste allerdings in den entsprechenden Spezialgesetzen sein. Das revidierte Raumplanungs- und Baugesetz ist insofern beispielhaft (8) .
Fussnoten:
6. Würden Behandlungsfristen eingeführt und könnten diese nicht eingehalten werden, ist hingegen eine Zunahme von Rechtsverzögerungsbeschwerden denkbar. Aufgrund der chronischen Überbelastung unserer Gerichte dürfte dies kaum eine erwünschte Option sein.
7. In diesen Fällen können Behandlungsfristen unter anderem dienlich sein, der missbräuchlichen Beschwerdeerhebung durch Dritte einen Riegel zu schieben. Weil der Missbrauchsfall jedoch eher der Ausnahmefall und besonders im Raumplanungs- und Baurecht verbreitet ist, sollten spezifische Fristenregelungen auf die Spezialgesetzgebung beschränkt bleiben. Wegen der besonderen Interessenkonstellation in bau- und planungsrechtlichen Verfahren lassen sich deshalb Behandlungsfristen, wie sie in die revidierte Raumplanungs- und Baugesetzgebung eingeflossen sind, rechtfertigen (§ 128 Absatz 5 und § 134 Absatz 3 RBG des Raumplanungs- und Baugesetzes vom 8. Januar 1998 = RBG).
8. In komplexen Fällen allerdings, wie z.B. bei grossen Projekten, bei denen eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist (Artikel 9 USG) und Behörden der verschiedenen staatlichen Ebenen (Kanton, Gemeinden, Bund) involviert sind, dürfte auch eine starre Frist von sechs Monaten oft zum Vorneherein nicht ausreichen. Dem hat der Gesetzgeber insofern Rechnung getragen, als er bei komplizierten Bauvorhaben der Baubewilligungsbehörde maximal ein Jahr (und der Baurekurskommission in der Regel 3 Monate) Entscheidungsspielraum zugestanden hat.