Postulat von Max Ribi betreffend Verkürzung der Behandlungsdauer von Beschwerden
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Postulat von Max Ribi betreffend Verkürzung der Behandlungsdauer von Beschwerden |
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Vorlage 2000-151 vom 11. Juli 2000 - [Vorlage 2000-151; Inhalt ] |
3. Vom Beschwerdeeingang bis zum Entscheid - Möglichkeiten und Grenzen für einen beschleunigten Verfahrensablauf (3)
Verschiedene Faktoren und Umstände können die Dauer eines Beschwerdeverfahrens beeinflussen. Einige Gründe, die zu einer Verzögerung des Beschwerdeverfahrens führen können, seien im Folgenden erwähnt.
a) Nachträgliche Einreichung der Beschwerdebegründung
- Gemäss § 33 Absatz 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 13. Juni 1988 (VwVG) kann die verfahrensleitende Instanz auf Gesuch der beschwerdeführenden Person eine Frist für die nachträgliche Begründung der Beschwerde gewähren. Das Gesetz selbst macht die Fristerstreckung nicht vom Vorliegen besonderer, qualifizierter Gründe abhängig. Die verfahrensleitende Behörde hat somit nach Ermessen zu entscheiden, ob eine Fristerstreckung gewährt werden soll. Sie wird dabei den Interessen der Verfahrensbeteiligten an einer beförderlichen Behandlung der Beschwerde Rechnung tragen müssen. Entgegen der Annahme des Postulanten liegt dieses Interesse in der Mehrzahl der Beschwerdefälle in erster Linie bei der beschwerdeführenden Person selbst. Es handelt sich dabei vor allem um Beschwerden gegen Verfügungen, mit denen die Vorinstanz ein Gesuch des Beschwerdeführers (z.B. Baugesuch, Stipendiengesuch, Steuererlassgesuch, Gesuch eines ausländischen Staatsangehörigen um Erteilung einer Anwesenheitsbewilligung, Gesuch um Erteilung einer wirtschaftspolizeilichen Bewilligung, Gesuch um Bewilligung einer Namensänderung, Gesuche um andere Bewilligungen, Subventionsgesuche etc.) abgewiesen hat. In allen diesen Fällen besteht kein Grund, die beschwerdeführende Person bezüglich der Einreichung der Beschwerdebegründung unter besonderen zeitlichen Druck zu setzen und Gesuche um Gewährung oder Erstreckung einer Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung zum Vorneherein abzuweisen. Andernfalls müsste sich die verfahrensleitende Behörde den Vorwurf der Willkür (Entscheid ohne sachlichen Grund) gefallen lassen.
- Auf Seiten der beschwerdeführenden Person können vielfältige Gründe bestehen, welche die Erstreckung der Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung zu rechtfertigen vermögen. In erster Linie ist hier darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdefrist nach basellandschaftlichem Verwaltungsverfahrensrecht lediglich 10 Tage beträgt. Namentlich in denjenigen Fällen, in denen die beschwerdeführende Person nach Erhalt der anfechtbaren Verfügung einen Anwalt oder eine Anwältin beizieht, ist es in der Regel praktisch nicht möglich, die Beschwerdebegründung bereits innerhalb der 10-tägigen Beschwerdefrist einzureichen. Weitere Gründe für eine Fristerstreckung können sein: Arbeitsüberlastung; Krankheit; berufs- oder ferienbedingte Abwesenheit; das Bedürfnis der beschwerdeführenden Person, die Rechtslage näher zu prüfen oder prüfen zu lassen (mit der Möglichkeit, die Beschwerde aufgrund dieser näheren Prüfung zurückzuziehen, bevor die Beschwerdebegründung hat ausgearbeitet werden müssen); die Notwendigkeit, weitere sachdienliche Unterlagen zu beschaffen; die Absicht des Beschwerdeführers, mit andern Verfahrensbeteiligten durch Verhandlungen zu einer gütlichen Einigung zu gelangen etc. Insbesondere können also auch Gründe der Verfahrensökonomie eine Fristerstreckung rechtfertigen.
- Wie eine Umfrage bei den Rechtsabteilungen der Direktionen ergeben hat, wird in der Praxis die Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung auf Gesuch hin höchstens dreimal um je ca. vier Wochen bis einen Monat erstreckt, sofern nicht besondere öffentliche oder private Interessen einen möglichst raschen Abschluss des Beschwerdeverfahrens erfordern (4) . So lässt sich in jedem Fall gewährleisten, dass das allgemeine öffentliche Interesse an einem Beschwerdeentscheid innert nützlicher Frist gewahrt bleibt. Im Übrigen ist an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass die verfahrensleitende Instanz in denjenigen Fällen, in denen das öffentliche Interesse den sofortigen Vollzug einer (angefochtenen) belastenden Verfügung oder in denen ein überwiegendes privates Interesse die sofortige Wirksamkeit einer (angefochtenen) begünstigenden Verfügung verlangt, die aufschiebende Wirkung, die der Beschwerde von Gesetzes wegen zukommt, entziehen kann (§ 34 Absatz 2 VwVG).
b) Vernehmlassungsverfahren
Nach Eingang der Beschwerdebegründung hat die verfahrensleitende Behörde die Beschwerde der Vorinstanz sowie allfälligen Gegenparteien zur Vernehmlassung zuzustellen (vgl. § 36 VwVG). Für die Ausarbeitung dieser Vernehmlassung ist ebenfalls genügend Zeit einzuräumen. Insbesondere sollen die Vorinstanzen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens die Gelegenheit haben, die angefochtene Verfügung noch einmal gründlich zu prüfen und gegebenenfalls in Wiedererwägung zu ziehen. In der Regel ist für das Vernehmlassungsverfahren eine Dauer von einem Monat in Rechnung zu stellen (5) . Dies erscheint vor allem in denjenigen Fällen gerechtfertigt, in denen Verfahrensbeteiligte, die zur Vernehmlassung eingeladen werden, durch einen Anwalt vertreten sind. Es liegt ja vor allem auch im Interesse der Beschwerdeinstanz, dass sich die Vorinstanz und die übrigen Verfahrensbeteiligten in ihren Vernehmlassungen eingehend mit der Beschwerdebegründung auseinandersetzen. Je gründlicher der "Rechtsstoff" im Rahmen des Schriftenwechsels aufgearbeitet wird, desto kleiner ist der übrige Instruktionsaufwand der verfahrensleitenden Behörde und desto grösser sind die Chancen, dass der Beschwerdeentscheid der "materiellen Wahrheit" entspricht.
c) Vom Vorliegen der Vernehmlassung(en) bis zur Fallerledigung ...
- In der Regel kann die verfahrensleitende Behörde nach Eingang der Vernehmlassung(en) den Beschwerdeentscheid vorbereiten und der Beschwerdeinstanz Antrag stellen. Da die verfahrensleitenden Instanzen neben der Beschwerdeinstruktion noch weitere (oft ebenfalls dringliche) Aufgaben haben und personell nicht derart grosszügig dotiert sind, dass ein/e Sachbearbeiter/in sofort nach Eingang der (letzten) Vernehmlassung mit der Ausarbeitung des Antrags für einen Beschwerdeentscheid beginnen kann, muss auch für diese Phase des Verfahrens (bis und mit Ausfertigung des Entscheids nach Beschlussfassung der Beschwerdeinstanz) mit einem Zeitaufwand von mindestens drei bis vier Wochen gerechnet werden.
- In manchen Fällen ist es indessen nicht möglich oder nicht sinnvoll, unmittelbar nach Eingang der Vernehmlassung(en) den Beschwerdeentscheid vorzubereiten und der Beschwerdeinstanz Antrag zu stellen:
- In Fällen, in denen mit den Verfahrensbeteiligten ein Augenschein durchgeführt werden muss, ist mit einer Verfahrensverzögerung um weitere zwei bis vier Wochen zu rechnen (ausgebuchte Terminkalender!).
- In manchen Fällen ist die angefochtene Verfügung nur rudimentär begründet . Die Vorinstanzen legen in diesen Fällen erst in ihren Vernehmlassungen eine eingehende Begründung vor. Zuweilen werden in diesen Vernehmlassungen auch neue, zusätzliche Argumente vorgetragen, die der beschwerdeführenden Person bisher nicht bekannt waren . In solchen Fällen ist die instruierende Behörde verpflichtet, der beschwerdeführenden Person von der Vernehmlassung Kenntnis zu geben und ihr Gelegenheit zur Einreichung einer ergänzenden Beschwerdebegründung (Replik) einzuräumen. Andernfalls würde sie den Anspruch der beschwerdeführenden Person auf das rechtliche Gehör verletzen.
- Wenn sich erweist, dass die Beschwerde offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist, wird nach der Praxis des Rechtsdienstes des Regierungsrates der beschwerdeführenden Person die Rechtslage in der Regel noch einmal kurz schriftlich erläutert. Gleichzeitig wird sie ersucht, ihre Beschwerde im Lichte dieser Erläuterungen noch einmal zu prüfen und innert einer Frist von etwa drei Wochen mitzuteilen, ob sie an ihr noch festhält. In der Mehrzahl dieser Fälle wird die Beschwerde in der Folge zurückgezogen. Dieses Vorgehen ermöglicht es nicht nur, den Arbeitsaufwand der instruierenden Behörde zu vermindern, sondern sollte es auch den Betroffenen erleichtern, für sie ungünstige Verfügungen zu akzeptieren.
- Erweist sich hingegen nach Eingang der Vernehmlassungen und Prüfung der Akten durch die verfahrensleitende Behörde, dass die Beschwerde vermutlich gutgeheissen werden muss , so nimmt diese Behörde in der Regel mit der Vorinstanz noch einmal Kontakt auf und bittet sie zu prüfen, ob die angefochtene Verfügung nicht in Wiedererwägung gezogen werden soll, so dass sich ein materieller Beschwerdeentscheid erübrigt.
- Schliesslich zeigt sich zuweilen im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens, dass die Möglichkeit einer gütlichen Einigung besteht. In diesen Fällen erscheint es sinnvoll, die Parteien noch vor der Antragstellung an die Beschwerdeinstanz zu einer "Einigungsverhandlung" einzuladen. Auch in diesen Fällen geht es nicht in erster Linie darum, innert möglichst kurzer Frist einen Beschwerdeentscheid herbeizuführen. Vielmehr soll das Bestreben im Vordergrund stehen, eine Lösung zu finden, mit der sich alle Verfahrensbeteiligten (mehr oder weniger) einverstanden erklären können. Dies kann nicht zuletzt auch dazu dienen, die "Akzeptanz" des Verwaltungshandelns bei den Betroffenen zu erhöhen.
- Fazit: In allen Fällen, in denen ein zusätzlicher Verfahrensschritt im erwähnten Sinne eingeschaltet wird, ist es kaum möglich, das Beschwerdeverfahren innert drei Monaten seit Einreichung der Beschwerde abzuschliessen. Wird die zulässige Dauer des Beschwerdeverfahrens durch Gesetz auf in der Regel drei Monate begrenzt, so wird es in Zukunft wohl kaum mehr möglich sein zu versuchen, im Rahmen eines solchen zusätzlichen Verfahrensschrittes zu einer Erledigung von Beschwerden zu gelangen, ohne dass die Beschwerdeinstanz einen materiellen Entscheid fällen muss.
d) Sistierung des Beschwerdeverfahrens
Oft zeigt sich bereits vor der Durchführung des Vernehmlassungsverfahrens, dass erst über die Beschwerde wird entschieden werden können, wenn ein anderes, mit dem Beschwerdeverfahren in Zusammenhang stehendes Verfahren abgeschlossen ist. Dies trifft etwa bei Beschwerden gegen Verfügungen der Polizei Basel-Landschaft über den Warnungsentzug des Führerausweises zu, wenn das Strafverfahren betreffend die Verkehrsregelverletzung, die Anlass zum Führerausweisentzug gegeben hat, noch hängig ist. Nach der Praxis des Bundesgerichts darf der Regierungsrat in der Regel erst dann über solche Beschwerden entscheiden, wenn das entsprechende Strafverfahren abgeschlossen ist (BGE 119 Ib 158 ff.). Allgemein ist die Sistierung des Beschwerdeverfahrens dann angezeigt, wenn der Beschwerdeentscheid von einem andern Entscheid oder Urteil (straf-, zivil- oder verwaltungsrechtlicher Art) abhängt oder wesentlich beeinflusst wird. In der Regel werden Beschwerdeverfahren nur mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten formell sistiert (Sistierungsverfügungen, die für eine Partei einen nichtwiedergutzumachenden Nachteil bewirken können, können mit Verwaltungsbeschwerde angefochten werden; § 28 Absatz 2 VwVG). Die Sistierung dauert in der Regel mehr als drei Monate.
Fussnoten:
3. Im Kanton Basel-Landschaft gehen beim Regierungsrat, bei der Landeskanzlei und bei den Direktionen jährlich rund 800 Beschwerden gegen Verwaltungsverfügungen ein (siehe Bericht des Regierungrates an den Landrat vom 18. Januar 2000 zum Postulat 98/198 vom 15. Oktober 1998 betreffend Abschaffung des verwaltungsinternen Beschwerdeverfahrens; Landratsvorlage Nr. 2000/019). Davon wird durchschnittlich die Hälfte durch den Rechtsdienst des Regierungsrates - der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion angehörend - instruiert. Die andere Hälfte wird vorwiegend durch die Rechtsabteilungen der anderen Direktionen sowie durch die Landeskanzlei behandelt. Ein Quervergleich zeigt, dass in der Handhabung des Verwaltungsverfahrensgesetzes unter den Instruktionsbehörden nicht allzu grosse Unterschiede bestehen. Wo nachstehend auf die Instruktionspraxis hingewiesen wird, sei es deshalb erlaubt, in erster Linie diejenige des Rechtsdienstes des Regierungsrates anzuführen. Im Interesse einer möglichst einheitlichen Handhabung des Verwaltungsverfahrensrechts ist dieser bestrebt, von Zeit zu Zeit zu dieser Thematik verwaltungsinterne Veranstaltungen durchzuführen (bspw. Seminar vom 13. Juni 1996 zum Thema Verfahrenskosten und Parteientschädigung).
4. Der Rechtsdienst des Regierungsrates ist dazu übergegangen, die Fristerstreckungspraxis insofern zu verschärfen, als im Regelfall nur noch maximal zwei Erstreckungen für die Nachreichung der Beschwerdebegründung gewährt wird (siehe dazu Ziffer 5 hinten).
5. Ebenfalls neu ist die Praxis beim Rechtsdienst des Regierungsrates und bei der Mehrzahl der Rechtsabteilungen, dass den Vorinstanzen (inkl. den Gemeinden) für die Einreichung der Vernehmlassungen Fristen gesetzt werden.