2000-057_6.htm

Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 2000-057 vom 29. Februar 2000


Postulat 1996/036 vom 15. Februar 1996 betreffend Abschaffung des Datenschutzbeauftragten


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen





6. Bewertung

Die Frage der Kompetenz und Verfügbarkeit hat der Landrat 1990 auch schon bei der Beratung des Datenschutzgesetzes diskutiert (20) : Eine Kommission - wurde dabei betont - arbeite schwerfälliger als ein Datenschutzbeauftragter, der ständig anwesend sei und mit den datenbearbeitenden Behörden permanent Kontakt habe. Ein Datenschutzbeauftragter würde - so der Bericht der vorberatenden Landratskommission wörtlich - seine "Aufgaben besser, schneller und gezielter erfüllen als eine Milizkommission" (21) . Die spätere (kontroverse) Diskussion drehte sich nie mehr um die Frage Datenschutzbeauftragte(r) oder Datenschutzkommission, sondern einzig noch um die Wahlbehörde für die/den Datenschutzbeauftragte(n).


Diese Überlegungen zu Arbeitsvoraussetzungen und Arbeitsweise sind auch heute noch gültig.


Eine Datenschutzkommission könnte Information/ Sensibilisierung und Weiterbildung für datenbearbeitende Behörden nicht mehr anbieten. Damit würde die Multiplikations- und Präventivwirkung entfallen. Die Beratung von Behörden würde auf weniger und relativ abstrakte Empfehlungen reduziert und damit weniger praxisnah und lösungsorientiert. Eine Beratung Privater wäre wohl kaum mehr möglich. Die Qualitätssicherungs-Dienstleistung im Sinne von Kontrolle und Überwachung - etwa in Form von zusammenarbeitsintensiven "Datenschutz-Reviews" - könnte wenn überhaupt dann nur sehr reduziert erbracht werden. Die Zusammenarbeit mit dem Bund und anderen Kantonen, die Mitarbeit in Gremien, der Erfahrungsautausch müsste - so zeigt der Vergleich mit Kantonen mit einer Datenschutzkommission - weitgehend unterbleiben, was dazu führen würde, dass auch die Unterstützung aus diesen Gremien und Kooperationen entfiele.


Oder, wie es der Präsident einer kantonalen Datenschutzkommission an der 3. Schweizerischen Konferenz der Datenschutzbeauftragten ungeschminkt auf den Punkt gebracht hat: Eine Kommissionslösung bringt unweigerlich weniger Datenschutz für die Betroffenen und weniger Unterstützung für die Behörden .




7. Zu einzelnen Argumenten in der Postulatsbegründung


7.1 "Keine Datenschutzprobleme mehr"


Im Postulat wird der aus dem Studium von "datenschutz.konkret" entstandene Eindruck angeführt, es würden Probleme geschaffen, weil praktisch keine mehr bestünden.


Erstens dient die Publikation "datenschutz.konkret" nicht der Illustration der Vielfalt von Datenschutzproblemen. Gesucht wird damit die Multiplikationswirkung, indem verallgemeinerungsfähige Lösungsansätze für Probleme, die bei vielen Behörden vorkommen, auch den anderen bekannt gemacht werden (22) . Deshalb kommen darin auch relativ viele Probleme kommunalen Datenbearbeitens vor.


Dass zweitens keine Datenschutzfragen mehr bestehen sollen, muss mit Blick auf die laufenden Entwicklungen und die grosse Zunahme der Anfragen (1997: 192, 1998: 205, 1999: 249 Geschäfte) klar verneint werden. Die Datenschutzaufgaben sind keineswegs gelöst, sie nehmen im Gegenteil aufgrund der rechtlichen und technischen Entwicklungen sogar zu und werden komplexer, wie die Übersicht über behandelte und zu behandelnde Fragen im Anhang 1 belegt. Auch der Landrat scheint dies so zu beurteilen, wie der vermehrte Beizug des Datenschutzbeauftragten durch landrätliche Kommissionen (Staatsschutz, Internet, Veröffentlichung von Untersuchungsberichten, Organisation des Vormundschaftswesens usw.) beispielhaft illustriert.




7.2 "Perfektionistischer Datenschutz ist hinderlich"


Dieser Auffassung stimmt der Regierungsrat zu. Doch der möglicherweise dahinterstehenden Meinung des Vorstössers, der Baselbieter Datenschutzbeauftragte hätte unserem Kanton einen perfektionistischen Datenschutz verschrieben (23) , muss mit Blick auf die inzwischen achtjährigen Praxis klar widersprochen werden. Im Gegenteil: Die Lösung hat sich ausgesprochen bewährt.


Das kommt etwa im (externen) Schlussbericht zum Projekt Polizei 2000-Datenverarbeitung DAT der Polizei Basel-Landschaft betreffend die Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten wie folgt zum Ausdruck: "Die intensive, von gegenseitiger hoher Professionalität gekennzeichnete und sehr offene Zusammenarbeit im Rahmen des Projektes kann, besonders auch was das praktische Vorgehen anbelangt, für weitere Projekte durchaus Modellcharakter haben." (24)




8. Zusammenfassung


- Datenschutzfragen sind primär Rechtsfragen . Es geht um heikle Interessenabwägungen zwischen der staatlichen Aufgabenerfüllung und dem Schutz der Grundrechte von Personen. Datenschutz ist somit eine freiheitsbewahrende - also im ursprünglichen Sinne liberale - Aufgabe und eine Lebensvoraussetzung für das Funktionieren einer auf Freiheit basierenden Gesellschaft, eines demokratischen Staates und einer auf Wettbewerb basierenden Marktwirtschaft.


- Die Datenschutzaufgaben sind keineswegs gelöst, sie nehmen im Gegenteil aufgrund der rechtlichen und technischen Entwicklungen sogar zu und werden komplexer .


- Bundesdatenschutzrecht und internationales Recht (Europaratskonvention 108) verlangen von den Kantonen, dass sie den Datenschutz regeln und die Einhaltung der Datenschutzbestimmungen wirksam kontrollieren.


- Angesichts der zu erfüllenden Aufgaben - insbesondere mit Blick auf die Entwicklung der zu behandelnden rechtlichen Fragestellungen (von den Fragen an der "Datenschutzfront" zu den Fragen dahinter) und auf die veränderten Rahmenbedingungen staatlichen Handelns (zunehmende Vernetzung, wirkungsorientierte Verwaltungsführung, zunehmende Aufgabenkomplexität) - ist eine Datenschutzkommission mit ihrer Arbeitsweise als Milizkommission für die Datenschutzaufsicht weniger geeignet als ein(e) Datenschutzbeauftragte(r).


- Die Gründe, die den Landrat 1990/1991 zur Schaffung einer bzw. eines Datenschutzbeauftragten anstelle einer Datenschutzkommission bewogen haben, gelten heute noch mehr, als damals vorauszusehen war. Eine Kommission arbeitet schwerfälliger, aber letztlich wohl nicht billiger; ein(e) Datenschutzbeauftragte(r) erfüllt die Aufgaben - vor allem die präventive Beratung der Behörden an der "Datenschutzfront" - mit den Worten des Kommissionsberichtes " besser, schneller und gezielter, kurz: effizienter! "


- Kontrolle ist besser als Vertrauen - Kontrolle schafft Vertrauen , aber nur eine wirkungsvolle Kontrolle.


- Mit einer weniger wirkungsvollen Datenschutzaufsicht durch eine Datenschutzkommission riskieren wir mehr Persönlichkeitsverletzungen , mehr Beschwerden wegen Persönlichkeitsverletzungen vor gerichtlichen Instanzen, weniger Legitimation für das immer mehr auf Daten angewiesene New Public Management.




9. Folgerungen


Gestützt auf diese Überlegungen vertritt der Regierungsrat die Auffassung, dass sich die bestehende Organisationsform sehr bewährt hat, was auch die positiven Reaktionen von Behörden, Bevölkerung und Medien belegen. Die Entwicklung in den anderen Kantonen bestätigt diese Beurteilung. Es besteht kein Anlass, die bewährte Lösung zu ändern.




10. Antrag


Mit dem vorliegenden Bericht hat der Regierungsrat auftragsgemäss die Fragestellungen des Postulats geprüft und über seine Abklärungen berichtet.


Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, das Postulat 1996/036 Abschaffung des Datenschutzbeauftragten vom 15. Februar 1996 von Landrat Max Ribi als erledigt abzuschreiben.


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Fünfschilling
der 2. Landschreiber: Achermann


Back to Top


Fussnoten:


20. (1.) Bericht der Spezialkommission an den Landrat betreffend Erlass eines Gesetzes über den Schutz von Personendaten (Datenschutzgesetz), 88/323, vom 26. Januar 1990, S. 11.


21. (1.) Bericht der Spezialkommission (siehe vorgehende Fussnote), S. 11.


22. Die durchwegs positiven Rückmeldungen von Mitarbeiter(inne)n der kantonalen und kommunalen Verwaltungen, sie seien dankbar für die verständliche Umsetzung des recht abstrakten Gesetzestextes, beweisen den Erfolg dieses Bestrebens. Die Inhalte von "datenschutz.konkret" sind inzwischen auch auf dem Internet verfügbar  (www.baselland.ch/datenschutz) und gelten als hervorragendes Anschauungsmaterial für Datenschutzfragen.


23. Es ist bezeichnend, dass das in der Postulatsbegründung angeführte Beispiel für einen "perfektionistischen Datenschutz" auf einer polemischen, aber - wie inzwischen bekannt ist - unzutreffenden Darstellung in einer grösseren Tageszeitung beruht: Der Datenschutzbeauftragte hatte sich im Vorfeld der Staatsanwaltswahl vom Februar 1996 gegenüber der Landeskanzlei nie zur Frage der Geheimhaltung der Namen der Bewerber(innen) geäussert. Die entsprechende Tageszeitung hat am übernächsten Tag in einem längeren Interview mit dem Datenschutzbeauftragten den Sachverhalt implizit korrigiert. Da war aber die Motion bereits eingereicht.


24. Schlussbericht der SMC Management Consultant, Zürich, vom 4. Mai 1998, Seite 24.