2000-55 (1)

I.


Landrat Remo Franz hat am 24. Februar 2000 eine Interpellation betreffend "Nur noch ein Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB)" mit folgendem Wortlaut eingereicht:


"Die gemeinsame Kinderklinik beider Basel ist seit gut einem Jahr in Betrieb. Am 16. Februar 2000 war im Regionaljournal von Radio DRS von zwei Problemkreisen zu vernehmen: Erstens ist die Schweizerische Ärztegesellschaft FMH zum Schluss gekommen, dass die Weiterbildungsmöglichkeiten am UKBB ungenügend sind. Sie stützt sich dabei auf eine Untersuchung, bei der Assistenzärzte befragt worden sind. Mit der Note 3,9 schnitt das Kinderspital beider Basel ungenügend ab. Noch schlechter gar - mit der Note 3,5 - wurde die Qualität der Weiterbildung bewertet. Der ärztliche Direktor begründete dies im Radiobericht mit "zu wenig Zeit" und dem allgemeinen Spardruck. Zweitens weitete er das Unbehagen auf Pflegende und administrative Aufgaben aus. Er erwähnte die "komplizierte Struktur mit den beiden Standorten" als Nachteil. Auf die Frage, ob nicht auch diese Struktur zum Thema gemacht werden solle, führte er aus, dies sei notwendig, darüber sollte man in den politischen Gremien konkret diskutieren.


Das Thema ist nicht neu. Schon am 14. Mai letzten Jahres war in der Basler Zeitung vom Verwaltungsdirektor des UKBB die Aussage zu lesen: "Die Zweiteilung sei mit Sicherheit aufwendiger, medizinisch schwieriger und wirtschaftlich teurer". Verständlicherweise ging es ihm damals schon in erster Linie um die Erhaltung der universitären Kindermedizin. Im Lichte der oben erwähnten Umfrage ist genau das jedoch ein Anliegen, das nicht zuletzt aufgrund der "einmaligen" Konstruktion in den beiden Basel als gefährdet angesehen werden muss. Und am 22. Februar dieses Jahres lesen wir in der gleichen Zeitung: "Die Lösung? Ein Standort."


Das UKB13 ist aus politischen Gründen entstanden, und die Zusammenlegung ist aus Sicht der Patienten, aus Sicht der Aerzteschaft und aus Sicht der Verwaltung falsch. Wir haben zwar tapfer ein politisches Opfer gebracht, aber wir dürfen nach vollbrachtem Opfer durchaus aufgrund der konkreten Erfahrungen klüger werden. In Basel-Stadt geht es zudem darum, in absehbarer Zeit den alten Standort am Rhein aufzugeben und sich nach einem Ersatz umzusehen. Damit stellen sich kritische Fragen, bei denen ich wenn möglich um schriftliche Beantwortung bitte:


1. Welche Gründe haben dazu geführt, dass das gemeinsame Kinderspital auch über ein Jahr nach der Inbetriebnahme noch nicht zur Zufriedenheit funktioniert?


2. Ist die Regierung auch der Meinung, dass im Lichte der konkreten Erfahrungen und angesichts des in Basel-Stadt bevorstehenden Umzuges des Kinderspitals eine gemeinsame Lösung - an einem Standort - erneut ins Auge gefasst werden muss? Dies im Interesse der zu behandelnden Kinder, der universitären Medizin und der Wirtschaftlichkeit.


3. Kann sich die Regierung vorstellen, dass wir im Sinne einer realen Aufgabenteilung das Paket des gemeinsamen Kinderspitals mit Basel-Stadt unvoreingenommen neu und frei von "Kantönligeist" auf den Verhandlungstisch legen und darüber ernsthaft noch einmal diskutieren?


4. Ist die Regierung in der Lage, die Unannehmlichkeiten und Nachteile für Patienten, für die Arzteschaft (inklusive universitäre Medizin), für das Pflegepersonal und das Verwaltungspersonal aufzulisten und zusätzlich auch die Kostenfolge einer getrennten Spitalführung für das gesamte Gesundheitswesen zu beziffern?


5. Teilt der Regierungsrat die Auffassung, dass möglichst rasch die Korrektur eines politischen Irrtums vorgenommen werden muss, damit ein Entscheid, von dem man heute schon weiss, dass er uns in wirklich jeder Beziehung teurer zu stehen kommt, nicht auf viele Jahre hinaus zementiert wird?"




II.


Die Beantwortung erfolgt gemeinsam mit dem Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt, der eine gleichlautende Interpellation von Marie-Thérese Jeker-Indermühle, CVP BS, zu beantworten hat.




Vorbemerkungen


Die Bemühungen der beiden Kantone Basel-Stadt und Basel-Landschaft um eine engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der stationären Kindermedizin gehen bis auf die frühen 80er-Jahre zurück. Die politischen Auseinandersetzungen und die damit verbundenen Volksabstimmungen in beiden Kantonen ergaben denn auch, dass zwar grundsätzlich ein gemeinsames Kinderspital erwünscht wäre, jedoch dem Vorhandensein eines solchen auf jeweils eigenem Kantonsgebiet grosse Bedeutung beigemessen wird. Diese politische Pat-Situation, verbunden mit dem wachsenden Druck auf die universitäre Kindermedizin unserer Region und die hohen Kosten der beiden (sich konkurrenzierenden) Kinderspitäler Basel und Bruderholz, führte zur Option, ein gemeinsames Universitäts-Kinderspital beider Basel mit zwei Betriebsstandorten zu schaffen.


Gestützt auf eine Machbarkeitstudie durch einen externen Gutachter vom Juli 1995 wurde in der Folge das Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) mit zwei Standorten in einem breit abgestützten Planungsprozess zusammen mit den Spitalverantwortlichen vorbereitet und von den beiden Kantonen per 1.1.1999 realisiert - wissend, dass dies sowohl aus medizinischer als auch aus betriebswirtschaftlicher und organisatorischer Sicht nur die zweitbeste Lösung sein kann.


Das UKBB hat inzwischen sein erstes Betriebsjahr als selbständige öffentlich-rechtliche Institution zweier Kantone abgeschlossen. Allerdings befindet es sich zwangsläufig noch immer in der Entwicklungsphase: Der Bekanntheitsgrad nimmt kontinuierlich zu, ebenso die Identität der Mitarbeitenden mit ihrem neuen Unternehmen. Die Verschmelzung zweier unterschiedlicher Unternehmenskulturen gestaltet sich ebenso schwierig, wie dies aus der Privatwirtschaft bekannt ist. Hinzu kommt die Bautätigkeit am UKBB-Betriebsstandort Bruderholz bei gleichzeitigem Klinikbetrieb, welche der Belegschaft ein gerütteltes Mass an Improvisationsvermögen abverlangt. Diese hat eine kurzfristige Verknappung der Bettenkapazität mit sich gebracht, verbunden mit Einbussen an Erträgen. Trotzdem ist es gelungen, den von den beiden Parlamenten und Regierungen vorgegebenen Budgetaufwand weitgehend einzuhalten.


Die Klinikorganisation und -führung an zwei örtlich getrennten Standorten gestaltet sich problematischer als ursprünglich angenommen. Die weitgehende Trennung der Pädiatrie von den operativen Disziplinen Chirurgie und Orthopädie bereitet der UKBB-Ärzteschaft, der Direktion und dem Kinderspitalrat Sorgen, insbesondere im Bereich der Zentrumsmedizin und in der Aus- und Weiterbildung der Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte. Der Betrieb an zwei Standorten ist für die Mehrzahl der Mitarbeitenden mit Erschwernissen verbunden, welche die Motivation und Neu-Identifikation belasten. Im Weiteren muss das Zusammenwirken zwischen dem UKBB und dem Kantonsspital Bruderholz (KSB) überdacht, neu definiert und auf eine partnerschaftliche organisatorische Basis gestellt werden.


Die Spitaldirektion und der Kinderspitalrat haben die Stärken und Schwächen des noch jungen Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) erkannt und sind gemeinsam mit dem Personal dabei, die Schwachstellen des Zwei-Standorte-Betriebes soweit als möglich zu beseitigen. Mit dem bevorstehenden Abschluss der Bauarbeiten am Standort Bruderholz kann dort endlich der Normalbetrieb aufgenommen werden. Es zeigt sich allerdings schon heute, dass damit die strukturellen und organisatorischen Probleme eines Zweistandort-Betriebs sich nicht aus der Welt schaffen lassen. Sowohl die Spitaldirektion als auch der Kinderspitalrat sind deshalb zum Schluss gekommen, unverzüglich auf ihrer Ebene eine strategische Planung zu erstellen und den politischen Behörden Vorschläge für die Zukunft des Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB) zu unterbreiten.


Die Regierungen der beiden Kantone gewärtigen diese Vorschläge noch im laufenden Jahr. Gleichzeitig werden die Berichte der mit der Evaluation des UKBB-Prozesses beauftragten externen Experten (Firma Prognos) vorliegen. Beide Regierungen sind gewillt, diese Unterlagen unvoreingenommen zu prüfen und dem UKBB eine Weiterentwicklung zu ermöglichen, die sich konsequent an den Bedürfnissen der kinder- und jugendmedizinischen Versorgung für die Region Basel auf universitärem Niveau orientiert.




Zu den Fragen im Einzelnen


Zu Frage 1:


Bauverzögerungen am Standort Bruderholz, die auch zu solchen am Standort Basel führten, haben bewirkt, dass das UKBB den Betrieb bis anhin nicht vollumfänglich im geplanten Rahmen aufnehmen konnte. Noch immer wird teilweise in Provisorien gearbeitet; weitere Rochaden und Zusammenlegungen von Abteilungen stehen bevor. Der endgültige Vollbetrieb wird erst im Spätsommer 2000 aufgenommen werden können.


Aufgrund der bisherigen Erfahrungen steht bereits heute fest, dass das Zweistandortemodell strukturelle und organisatorische Nachteile aufweist, die der sorgfältigen Analyse bedürfen:


- Die örtliche Trennung der Pädiatrie von den operativen Disziplinen erschwert jene Behandlungen, die auf ein interdisziplinäres Fachteam angewiesen sind. Dies gilt für etwa 10% aller hospitalisierten Kinder. Dazu gehören Kinder mit schweren akuten Erkrankungen, Kinder mit komplexen und seltenen chronischen Krankheiten, die operiert werden müssen, und Kinder, die einer intensivmedizinischen Betreuung bedürfen. Für diese Patienten gilt, dass sie derzeit nur am Standort Bruderholz hospitalisiert werden können, dass zur Behandlung aber die konstante Unterstützung der pädiatrischen Spezialisten vom Standort Basel benötigt wird.


- Die bestehenden Doppelspurigkeiten bewirken bei Eltern und Einweisenden immer wieder Unsicherheiten und Verwirrung. Es kommt zu Überweisungen an den anderen Standort. Für Eltern ist es oft schwierig abzuschätzen, ob ihr Kind nun ein leichter oder schwerer chirurgischer Notfall darstellt; ersterer kann auch in Basel, zweiterer jedoch nur am Standort Bruderholz behandelt werden.


- Die zwei Betriebsstandorte erschweren die erforderliche Aus- und Weiterbildung der Assistenz- und Oberärzte. Die Evaluation 1999 zeigte Unzufriedenheit der Ärztinnen und Ärzte mit Arbeitsorganisation, Arbeitszeit, Pikettdienst und Überzeitkompensation, die jedenfalls teilweise auf der Standortproblematik berugt.


- Die Ansprüche an die Ärzteschaft, aber auch an das Pflegepersonal, bezüglich Flexibilität und Einsatzbereitschaft sind ausserordentlich hoch.




Zu Frage 2:


Der Kinderspitalrat als das oberste Führungs- und Aufsichtsorgan des UKBB ist, wie erwähnt, dabei, die Standortfrage zu analysieren und mögliche Zukunftsstrategien zu entwickeln. Beide Regierungen werden sich noch vor Ende 2000 mit entsprechenden Vorschlägen befassen.




Zu Frage 3:


Die Ausgangslage für eine sachliche Prüfung der Zukunftsstrategien für das gemeinsame Universitäts-Kinderspital ist heute eine andere als noch 1992 und 1995. Damals sind in den Volksabstimmungen die Bemühungen um ein gemeinsames Kinderspital an einem Standort nicht zuletzt deshalb gescheitert, weil sich Widerstand bei der Mitarbeiterschaft derjenigen Kinderklinik breit machte, welche als Standort nicht vorgesehen war. Inzwischen sind die beiden Personalkörper im Zuge der Zusammenführung der damaligen beiden Kinderkliniken verschmolzen. Die Konstituierung eines von den Kantonen gemeinsam getragenen, selbständigen Universitäts-Kinderspitals erlaubt es, eine übergeordnete, sachbezogene strategische Planung an die Hand zu nehmen, auch bezüglich der örtlichen Ansiedlung der Leistungsangebote des UKBB.


Der Kinderspitalrat wird beauftragt, zu Handen der beiden Regierungen einen Situationsbericht


- aus medizinischer Sicht,
- aus betriebswirtschaftlicher Sicht,
- aus Sicht der Eltern und einweisenden Ärzteschaft,
- aus Sicht baulicher und umwelttechnischer Aspekte und
- aus Sicht geltender Gesetze und Verträge


als Grundlage zur weiteren Entscheidung zu erstellen.


Die beiden Regierungen werden über das weitere Vorgehen gemeinsam entscheiden.




Zu Frage 4:


Auf die Unannehmlichkeiten für Patientinnen und Patienten und für die Ärzteschaft wurde bereits eingegangen. Direkt oder indirekt betroffen von den strukturellen und organisatorischen Schwierigkeiten des Zweistandorte-Betriebs sind selbstverständlich auch die Pflegenden und die Verwaltung, wenn auch nicht in gleichem Ausmass. Dass ein Spital mit nur einem Betriebsstandort und ohne jegliche Doppelspurigkeiten effizienter, effektiver und kostengünstiger zu betreiben ist, als ein solches an zwei Standorten, liegt auf der Hand. Nähere Angaben zu den Kosten und Kostenvergleiche sind aber erst möglich, wenn ein künftiger Leistungsauftrag und die entsprechenden Betriebsstrukturen sowie der Investitionsbedarf für ein Einstandortmodell definiert sind.




Zu Frage 5:


Der Regierungsrat teilt die in der Interpellation vertretene Auffassung nicht, wonach der bisherige Weg des UKBB einem politischen Irrtum gleichkomme. Das heutige UKBB entspricht vielmehr dem zum Zeitpunkt der damaligen Planung politisch Machbaren.


Es gilt nun, das bestehende Leistungsangebot an zwei Standorten nach Abschluss der Bauarbeiten gemeinsam mit dem Personal zu optimieren. Gleichzeitig soll die Zukunftsplanung, nicht zuletzt im Hinblick auf den ohnehin anstehenden baulichen Ersatz für den heutigen Standort Basel des UKBB, zügig und mit der gebotenen Offenheit an die Hand genommen werden. Dieser Prozess ist eingeleitet.


Liestal, 4. April 2000


Im Namen des Regierungsrates
der Präsident: Fünfschilling
der Landschreiber: Mundschin


Back to Top