2000-50
Landrat / Parlament
Motion von Esther Maag: Entlastung der Bürgergemeinden von ihrer Aufgabe der Einbürgerung
Geschäfte des Landrates || Hinweise und Erklärungen
Autor: Esther Maag, Grüne (Mitunterzeichnerinnen/Mitunterzeichner Fuchs, Graf, Hilber, Joset, Meury, Schmied, Stöcklin, Wüthrich, Wyss D., Ziegler, Zimmermann A. (11))
Eingereicht: 24. Februar 2000
Nr.: 2000-050
Die Erteilung des Bürgerrechts ist eine staatspolitische Angelegenheit, bei der Bund, Kanton und Bürgergemeinde involviert sind. Von den AnwärterInnen wird das Prozedere in der Gemeinde als wichtigstes empfunden, was nebst der Nähe zum täglichen Bezugsrahmen auch darin begründet sein mag, dass man sich gemäss Studien primär mit der Wohngemeinde und erst sekundär mit dem Staat und an letzter Stelle mit dem Kanton identifiziert, in dem man wohnt. Beim bestehenden Einbürgerungsverfahren kommt der Gemeinde damit eine emotional inadäquate Bedeutung zu, da es für den Erwerb der Staatsbürgerschaft, die durch Bund und Kanton verliehen wird, letztlich irrelevant ist, ob man auch Bürgerin einer Gemeinde ist.
Nach bestehendem (und revidiertem) Bürgerrechtsgesetz kann die Bürgergemeinde (neu auch in Kompetenzübertragung der Bürger- oder Gemeinderat) abschliessend und endgültig darüber entscheiden, ob jemand das Schweizer Bürgerrecht erhält oder nicht. Rekursmöglichkeiten gegen einen solchen Entscheid gibt es keine, was an sich schon stossend ist und gleichzeitig gemäss Revisionsentwurf dennoch nicht geändert werden soll. Auch von erleichterter Einbürgerung der Zweit- und Drittgeneration und einem Recht aufs Bürgerrecht wollte man im Landrat anlässlich der Debatte vom 10. Februar nichts wissen.
Prof. Georg Müller geht in seinem Aufsatz 'Reservate staatlicher Willkür - Grauzonen zwischen Rechtsfreiheit, Rechtsbindung und Rechtskontrolle' sogar noch weder, wenn er sagt : " Es gibt nach meiner Meinung keinen Grund dafür, die BerwerberInnen für die Aufnahme ins Bürgerrecht der Willkür eines Staatsorgans auszusetzen". Die demokratische Legimitation der Bürgergemeinden könnte man insgesamt als sehr schwach und fragwürdig bezeichnen. Denn grundsätzlich kann jede Rechtsgemeinschaft nur so viele Rechte weitergeben, als sie selber hat. Die allermeisten Bürgergemeinden 'verleihen' aber den neu eingebürgerten AusländerInnen nicht nur das Stimm- und das Wahlrecht in Bürger-, sondern auch in Einwohnerangelegenheiten. Konsequent gedacht kann jedoch eine Untermenge (Bürgergemeinde) nicht über die Rechte der ihr übergeordneten Obermenge (Einwohnergemeinde, bzw. gar Staatsbürgerschaft) bestimmen.
Auch bei öffentlichen Veranstaltungen wird immer wieder darauf hingewiesen, dass man das 'Verfahren von den Bürgergemeinden abkoppeln müsste', dass die Bürgergemeinden 'ein alter Zopf', 'im Zeitalter der Mobilität überholt' und 'anachronistisch' seien. Tatsächlich stammt das Prinzip der Bürgergemeinde aus vorrevolutionärer, genaugenommen gar aus germanischer Zeit.
Und anstatt das Bürgerrecht auf altgermanisches Abstammungsrecht (ius sanguinis 'woher stammt unser Blut') zurückzuführen, wäre es angemessener analog zum Rechtsgrundsatz gegenüber Findelkindern von einem 'Bodenrecht (ius solis 'an welchen Ort hin hat mich das Schicksal verschlagen') auszugehen. Gemäss §2 der Bürgerrechts erhält eine Findelkind nämlich das Bürgerrecht derjenigen Gemeinde, in der es gefunden wird. Und insofern wäre es auch logischer, dass sich das Bürgerrecht auf den Ort (und nicht auf die Blutsabstammung) gründet. Vor diesem Hintergrund wird nämlich auch deutlich, dass man von einem Einwohner- und nicht von einem Bürgerrecht ausgehen muss, das logischerweise auch durch die Einwohner- oder deren Exekutivorgane, aber nicht durch die Bürgergemeinde verliehen wird.
Dies wäre zudem gar keine besonders revolutionäre Neuerung. Denn bereits jetzt gibt es Kantone (NE, VD) und Gemeinden, in denen der 'alte Zopf' abgeschnitten wurde und zeitgemässeren Strukturen, einfacheren Abläufen, mehr Effizienz und einer einheitlichen Verwaltung Platz gemacht hat. Im eigenen Kanton können wir Birsfelden als Vorbild nehmen, wo es gar keine Bürgergemeinde gibt, Auch die Stadt Luzern wird auf den 1.9.2000 die Bürgergemeinden mit den Einwohnergemeinden vereinigen, nachdem sie eine diesbezügliche Initiative der Liberalen angenommen hat.
Ausgehend von diesen Ueberlegungen halten wir es für stossend, dass eine relativ kleine Minderheit von OrtsbürgerInnen abschliessend über die Staatsbürgerschaft beschliessen kann und beantragen dem Regierungsrat, eine Vorlage auszuarbeiten, die den Gemeinden die Möglichkeit einräumt, darüber zu bestimmen, dass
a) die Bürgergemeinden entweder ganz in den Einwohnergemeinden aufgehen (Modell Birsfelden, Luzern) oder
b) die Erteilung der Staatsbürgerschaft (nebst Bund und Kanton) in der Kompetenz der Einwohnergemeinde (ER, Gemeindekommissionen oder Gemeindeversammlung) oder deren Exekutivorgane liegt, keinesfalls jedoch einer geheimen Urnenabstimmung untersteht.
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