Ziele
Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 2000-030 vom 8. Februar 2000
Bewilligung der Verpflichtungskredite für den Bau eines Ableitungskanals für gereinigte Abwässer von der ARA Birs 2 in Birsfelden zum Rhein und für die Revitalisierung der Birs in diesem Abschnitt
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
3. Bedarf
3.1 Verhältnis zum Regierungsprogramm
Im Entwurf zum Regierungsprogramm 1999 bis 2003 ist unter dem Programmpunkt "Umweltschutz" im Abschnitt "Abwasserbehandlung" das geplante Vorhaben gemäss Abb. 5 erwähnt
Ziele |
Massnahmen |
Abwasserbehandlung
Verbesserung der Gewässerqualität im Bereich von lokalen und regionalen Kläranlagen |
- .......... - Schrittweiser Ausbau der Abwasseranlagen im Birstal (4.01.14) Baukreditvorlagen an den Landrat - .......... |
Abb. 5 Auszug aus dem Regierungsprogramm 1999 - 2003
Die im folgenden dargestellten Massnahmen sind ein erster Schritt in Richtung Umsetzung der im Regierungsprogramm zum Ausdruck gebrachten Absicht. Im Investitionsprogramm 1999 - 2009 der Bau- und Umweltschutzdirektion sind die notwendigen finanziellen Mittel für die aufgeführten Massnahmen bereits vorgesehen.
3.2 Problemanalyse
In den Jahren 1995 und 1996 wurden von der Aufsichtsbehörde verschiedene Untersuchungen durchgeführt, um den Zustand der Birs zu erfassen. Die Ergebnisse, die im folgenden kurz zusammengefasst sind, müssen aus den verschiedenen Blickwinkeln des Gewässerschutzes betrachtet werden. Im weiteren wird auf die Belastung des Rheins durch die Siedlungsentwässerung Birsfelden und auf den Zustand der Kläranlagen Birs 1, Reinach, und Birs 2, Birsfelden, eingegangen.
3.2.1 Belastung der Birs durch die Siedlungsentwässerung
Abb. 6 Belastung der Birs
Im Birstal, zwischen Grellingen und dem Birskopf, leben rund 90'000 Menschen. Diese produzieren mit ihren Aktivitäten in Haushalt, Gewerbe und Industrie rund 40'000 m 3 Abwasser pro Tag. Das Abwasser der Gemeinden Grellingen bis Münchenstein wird über Kanalisationssysteme den beiden Kläranlagen Birs 1 in Reinach und Birs 2 in Birsfelden zur Reinigung zugeführt. Das Abwasser der Gemeinde Birsfelden fliesst zur ARA Basel.
Die Einleitung gereinigter Abwässer aus den Kläranlagen wirkt sich auf die Wasserqualität der Birs unterschiedlich stark aus:
Bei Trockenwetter ist eine deutliche Zunahme des Stickstoff- (N) und des Kohlenstoffgehalts (C) im Längsverlauf der Birs festzustellen. Trotz der deutlichen Belastung aus der ARA Zwingen gilt die Birs bis zur Einleitung der gereinigten Abwässer aus der ARA Birs 1 in Reinach als belastetes Gewässer, das den Qualitätszielen noch entspricht. Unterhalb der ARA Birs 1 gilt die Birs als deutlich belastet, und das gereinigte Abwasser der ARA Birs 2 erhöht die Belastung auf ein Mass weit über den tolerierbaren Werten (vergl. Abb. 6). Namentlich bei der Einleitstelle der ARA Birs 2 bilden sich in den Sommermonaten mit geringem Abfluss der Birs in der Abwasserfahne, welche sich bis zum Rhein hinzieht, massive Grünalgenteppiche.
Im Regenwetterfall belasten die sogenannten Mischwasserentlastungen im Einzugsgebiet der Kläranlagen das Gewässer stofflich sehr stark. Auch die Entlastungsrückstände der Mischwassereinleitungen erreichen bei Regenwetter ein für ein derart stark frequentiertes Naherholungsgebiet unerträgliches Ausmass. Ferner fliesst bei bereits geringem Hochwasser Birswasser über die Mischwasserentlastungen der Gemeinde Birsfelden unterhalb der ARA Birs 2 in die Kanalisation.
3.2.2 Hygiene der Birs (Badegewässer)
Die Birs erfüllt bereits beim Eintritt in unseren Kanton die Anforderungen an ein Badegewässer nicht, da die Einleitungen der oberliegenden, ausserkantonalen Kläranlagen die Grenzwerte bezüglich Fäkalbakterien bereits überschreiten. Die hygienische Belastung nimmt flussabwärts als Folge weiterer Abwassereinleitungen zu. Im Bereich des Birskopfs, welcher intensiv als Naherholungsgebiet genutzt wird, müsste heute aus hygienischen Gründen gänzlich vom Baden abgeraten werden.
3.2.3 Ökomorphologie der Birs
Das Fliessgewässer ist Lebensraum für zahlreiche Pflanzen und Tiere, deren Artenvielfalt nicht nur von der Wasserqualität, sondern stark auch von den strukturellen Gegebenheiten beeinflusst wird (Ökomorphologie). Wie naturnah der Lebensraum Fliessgewässer tatsächlich ist, ergibt sich aus der Bewertung verschiedener, ökologisch relevanter Strukturmerkmale wie beispielsweise Verbauung von Gewässersohle und Uferbereich, Dynamik der Linienführung und des Abflussregimes, Durchgängigkeitsstörungen (Abstürze, Wehre etc.).
Die Birs kann in ökomorphologischer Hinsicht grob in zwei Abschnitte unterteilt werden: von der Grenze zum Kanton Jura bis nach Aesch ist der Fluss über weite Strecken strukturell wenig beeinträchtigt.
Abb. 7 Die Birs unterhalb Zwingen: natürliches Ufer aus Fels
Im Gegensatz dazu wird der Unterlauf der Birs von Aesch bis zur Mündung in den Rhein einem starken Zivilisationsdruck ausgesetzt: Der Fluss wurde deshalb in der Vergangenheit immer mehr in ein begradigtes, eintöniges Gerinne gezwängt. Gleichzeitig wurden die Ufer durch Blockwurf oder anderen harten Verbauungen gesichert. Die zahlreichen Abstürze und Wehre bilden für viele Fischarten, welche zum Laichen oder zur Nahrungsaufnahme verschiedene Habitate im Gewässersystem aufsuchen, zum Teil schwer überwindbare Aufstiegshindernisse mit Auswirkungen auf deren Fortpflanzung.
Abb. 8 Die Birs unterhalb der ARA Birs 2 in Birsfelden: Kanal mit gemauerten Ufern
Heute ist der Birslauf, unterhalb der St. Jakobbrücke, aufgrund des kanalartigen Flussbetts ökomorphologisch als stark beeinträchtigt einzustufen. Das Selbstreinigungspotenzial und der Wasserhaushalt des Gewässers sind beeinträchtigt. Die Bachsohle ist zwar unverbaut aber eintönig bezüglich Strömungsverhältnissen, Fliessgeschwindigkeiten und Wassertiefen. Das Flussprofil besteht aus einem etwa 20 Meter breiten Mittelgerinne und beidseitigen Vorlandbereichen von etwa 15 Metern Breite, welche nur bei Hochwasserabflüssen überflutet werden. Die Mittelrinne ist kanalartig mit harten Längsverbauungen und blockartigen Querschwellen verbaut. Die beiden Vorlandbereiche dienen als Zonen für Werkleitungen, welche mit einem entsprechend massiven Verbau der Birsufer geschützt sind.
3.2.4 Belastung des Rheins durch die Siedlungsentwässerung Birsfelden
Ein wesentlicher Teil des Abwassers aus der Gemeinde Birsfelden wird im Pumpwerk Birskopf hochgefördert und wird dann mit dem restlichen freifliessenden Abwasser durch zwei Dükerrohre unter der Birs durch in das Kanalisationsnetz der Stadt Basel geleitet. Das Pumpwerk ist gleichzeitig als Mischwasserentlastung in den Rhein ausgebildet.
Bereits bei geringen Hochwasserständen drückt der Rhein über die Entlastungsleitung in das Pumpwerk.
Um nicht ständig Rheinwasser in die ARA zu pumpen, schaltet bei diesen Zuständen die Abwasserförderung ab. Das Rohabwasser fliesst dann direkt in den Rhein.
3.2.5 Zustand der Abwasserreinigungsanlagen Birs 1 und Birs 2
Die ARA Birs 1 in Reinach wurde 1964, die ARA Birs 2 1977 in Betrieb genommen. Die Kläranlagen sind nur auf den Abbau von Kohlenstoffverbindungen ausgelegt und erfüllen nach wie vor die Ablaufwerte gemäss eidgenössischer Verordnung. Aufgrund der geringen Verdünnung mit Bachwasser reicht die Reinigung jedoch nicht mehr aus, um die Zielwerte an ein schwach belastetes Gewässer in der Birs zu erreichen.
Die ARA Birs 1, die nie erweitert wurde, vermag nur rund die Hälfte des zufliessenden Abwassers - mit Ablaufwerten gemäss eidgenössischer Verordnung - zu reinigen. Der Rest wird über die bestehende Kanalisation zur ARA Birs 2 abgeleitet. Im Hinblick auf eine anstehende umfassende Beurteilung der Situation wurden 1990 auf der ARA Birs 1 nur die wichtigsten Sanierungen und Energiesparmassnahmen durchgeführt. Der Handlungsbedarf für Sanierungs- und Erhaltungsmassnahmen (Bau, Maschinen, Steuerung) ist auf beiden Anlagen gross.
Der Kanton Basel-Stadt, der mit 18,1% an der ARA Birs 2 beteiligt ist, plant, das Abwasser aus dem Gebiet Bruderholz/Dreispitz durch bestehende Leitungen neu direkt zur ARA Basel abzuleiten.
3.2.6 Folgerungen
Die deutliche bis starke Belastung der Birs durch Einleiten von gereingtem Abwasser sowie die vielen bei einsetzendem Regen anspringenden Mischwasserentlastungen aber auch die ungenügende Morphologie der Birs namentlich im Unterlauf verlangen nach Verbesserungen. Aufgrund des Sanierungsbedarfes der Kläranlagen und der mangelhaften Situation am Birskopf sind umfassende Lösungsansätze zu suchen.
3.3 Postulat Hiltmann
Im Zusammenhang mit dem geplanten Vorhaben ist das am 21. November 1985 (85/73) überwiesene Postulat von Klaus Hiltmann vom 1. April 1985 betreffend Entlastung des Birs-Unterlaufs von Abwasser von Bedeutung. Das Postulat hat folgenden Wortlaut:
"Trotz der Abwasser-Reinigungsanlagen ARA Birs 1 (Reinach) und ARA Birs 2 (Hagnau) bestehen um die Wirksamkeit der Klärung und um die Ableitung des Abwassrs echte Probleme. So können gewisse Schmutzstoffe durch die bestehenden Anlagen nur ungenügend eliminiert werden und bei niedrigem Wasserstand der Birs (während 80 bis 100 Tagen im Jahr) ist die Verdünnung des eingeleiteten (geklärten) Abwassers nicht ausreichend gewährleistet. Abgesehen vom ökologischen Schaden muss deshalb im Sommer unterhalb der ARA Hagnau für die Birs praktisch ein Badeverbot erlassen werden, was u.a. den Naherholungsraum Birskopf beeinträchtigt.
Die ARA-Reinigungskapazitäten sind aber auch bei Platzregen überfordert, so dass es zu Schmutzwasser-Entlastungen und bei der ARA Hagnau zu Schlammtreiben kommt.
Soweit bekannt, sind Verbesserungen an den Kläranlagen geplant (Regenklärbecken, Optimierung der Anlagen), was sehr zu begrüssen ist. Die Ausführung der vorgesehenen Massnahmen ist dringlich. Ebenso dringlich sollte aber ergänzend die besonders auch aus Fischerkreisen seit Jahren geforderte direkte Ableitung des Abwassers von der ARA Hagnau in den Rhein verwirklicht werden, womit eine weitestgehende Entlastung des unteren Birsabschnitts von Rest-Schmutzstoffen erreicht werden könnte. Die Arbeiten für die Abwasserableitung sollte mit jenen für die Blocksteinwurf-Anlage (vgl. Postulat 85/19) koordiniert werden.
Der Regierungsrat wird gebeten, das Nötige für eine umfassende Sanierung in die Wege zu leiten und zu berichten."
Die in diesem - nach wie vor hängigen - Postulat geforderte Direktableitung des Abwassers von der ARA Birs 2 (im Postulat mit ARA Hagnau bezeichnet) in den Rhein ist als eine von möglichen Lösungen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersucht, bewertet und wie im Kapitel 4 dargestellt, weiterverfolgt worden.
Beim obenerwähnten Postulat 85/19 handelt es sich um den ebenfalls am 21. November 1985 überwiesenen Vorstoss von Louis Kuhn, Münchenstein, vom 24. Januar 1985 betreffend Gestaltung einer natürlichen Uferlandschaft im Birsunterlauf. Das Postulat hat folgenden Wortlaut:
"Bis zu den N-2 und Eisenbahnbrücken über die Birs beim Schänzli ist es gelungen, einen Teil der Birsuferlandschaft relativ natürlich zu erhalten oder neu zu gestalten. Leider findet diese Flusslandschaft von der ARA Birs 2 bis zur Birsbrücke keine natürliche Fortsetzung.
Der Regierungsrat wird deshalb eingeladen, dem Landrat ein Projekt zur Gestaltung einer möglichst natürlichen Uferlandschaft der Birs im Birsfelderbann bis zur Birsbrücke, z.B. durch Anlegen eines Blocksteinwurfes und, wo möglich, durch Aufforsten, zu unterbreiten.
Der Kanton Basel-Stadt und die Gemeide Birsfelden sind dabei zu begrüssen."
Die Berichte des Regierungsrates vom 17. Februar 1987 und der Bau- und Planungskommission vom 10. November 1987 zum obenerwähnten Postulat von Louis Kuhn wurden am 13. Juni 1988 im Landrat behandelt. Mit 32 zu 19 Stimmen hat sich der Landrat für Abschreibung des Postulates ausgesprochen.
Die im abgeschriebenen Postulat vorgebrachte Forderung nach einer natürlichen Uferlandschaft im Birsunterlauf kann mit der in den gesetzlichen Grundlagen geforderten und mit dieser Vorlage auch angestrebten ganzheitlichen Sicht des Gewässerschutzes wieder aufgegriffen werden.