2000-030_5.htm
Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 2000-030 vom 8. Februar 2000
Bewilligung der Verpflichtungskredite für den Bau eines Ableitungskanals für gereinigte Abwässer von der ARA Birs 2 in Birsfelden zum Rhein und für die Revitalisierung der Birs in diesem Abschnitt
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
5. Lösungsmöglichkeiten
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie ist die Abwassersituation bei Trockenwetter im unteren Birstal 1998 beurteilt und nach Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung gesucht worden. Absicht war es, die Abwassersanierung im Birstal integral zu studieren; also nicht nur einzelne Anlagen isoliert zu betrachten. Neben den beiden Kläranlagen Birs 1 und Birs 2 ist auch die ARA Basel sowie das Gewässer selbst und das Einzugsgebiet der Birs in die Betrachtung einbezogen worden. Diese integrale Betrachtungsweise und die möglichen Lösungsansätze haben sich insbesondere nach folgenden Kriterien richten müssen:
- Qualität des Gewässers und seiner Umgebung als Erholungsraum (ökologischer Nutzen)
- Betriebs- und Kapitaldienstkosten (Jahreskosten)
5.1 Vorbemerkungen
Zum besseren Verständnis der Inhalte unterschiedlicher Lösungsansätze sind an dieser Stelle noch zwei Vorbemerkungen zum Ausbaugrad einerseits und zum Reinigungsgrad anderseits von Abwasserreinigungsanlagen angebracht:
Beim Ausbaugrad wird unterschieden zwischen Vollausbau (100% der möglichen Abwasserfracht wird der Kläranlage zugeleitet) und Teilausbau (hier wird nur ein Teil der Abwasserfracht im Einzugsgebiet der entsprechenden Anlage zugeleitet; der Rest der betrachteten Abwasserfracht wird einer unterliegenden Kläranlage über einen Ableitungskanal zugeleitet).
Man unterscheidet verschiedene Reinigungsgrade :
-
Kohlenstoffabbau
(C):
Der Kohlenstoff wird dem Abwasser entzogen.
-
Nitrifikation
(N):
Der Ammoniumstickstoff wird in Nitrat-Stickstoff umgewandelt, der die Gewässer wesentlich weniger belastet.
-
Denitrifikation
(DN):
Der Nitrat-Stickstoff wird zusätzlich in molekularen Stickstoff, der an die Atmosphäre weggeht, umgewandelt. Dieser Prozess kann nur in Kombination mit der Nitrifikation ablaufen.
-
Filter
(F):
Der dem Nachklärbecken nachgeschaltete Filter hat zum Zweck, die gesamten ungelösten Stoffe im gereinigten Abwasser zu begrenzen. Das nachgeklärte Abwasser wird über ein mehrschichtiges Filterbett aus verschiedenkörnigen Sanden geführt.
Unter weitergehender Reinigung werden diejenigen Reinigungsstufen verstanden, die über den Kohlenstoffabbau hinausgehen. Beispielsweise verfügen die neuen ARAs Ergolz 1 in Sissach und Birsig in Therwil über alle oben aufgeführten Reinigungsstufen. Die heutigen ARAs Birs 1 und Birs 2 hingegen vermögen nur den Kohlenstoff abzubauen.
5.2 Lösungen für die ARA Birs 1, Reinach
Um die von der Aufsichtsbehörde festgelegten Grenzwerte für das gereinigte Abwasser zu erreichen, sind grundsätzlich folgende Lösungen möglich:
- Vollausbau ARA Birs 1
Die Kläranlage wird massiv ausgebaut, um das gesamte Abwasser aus dem Einzugsgebiet bis Grellingen zu reinigen. Die Anlage muss auf den Kohlenstoffabbau (C), die Nitrifikation (N), allenfalls Denitrifikation (DN) ausgelegt werden und benötigt einen Filter (F).
- Teilausbau ARA Birs 1
Der ARA wird nur noch soviel Abwasser zugeleitet, dass mit den bestehenden Becken die neu festgelegten Ablaufwerte eingehalten werden. Die ARA vermag so noch ca. 20 % der Abwassermenge aus dem Einzugsgebiet zu behandeln. Der Rest (80 %) wird zur ARA Birs 2 abgeleitet.
- Aufhebung ARA Birs 1
Die Kläranlage wird aufgehoben und das anfallende Abwasser durch den bestehenden Kanal zur ARA Birs 2 abgeleitet.
5.3 Lösungen für die ARA Birs 2, Birsfelden
In Abhängigkeit der Massnahmen auf der ARA Birs 1 (Vollausbau, Teilausbau, Aufhebung) gelten die nachfolgenden Varianten einerseits nur für das heutige Einzugsgebiet der ARA Birs 2 oder anderseits inklusive des Einzugsgebietes der ARA Birs 1.
- Vollausbau und Einleitung in die Birs
Die Kläranlage reinigt das gesamte Abwasser aus dem angeschlossenen Einzugsgebiet und muss auf Kohlenstoffabbau (C), Nitrifikation (N), allenfalls Denitrifikation (DN) ausgelegt werden und benötigt einen Filter.
- Vollausbau und Ableitung in den Rhein
Die ARA reinigt das gesamte Abwasser aus dem angeschlossenen Einzugsgebiet und muss nur auf Kohlenstoffabbau (C) und allenfalls Denitrifikation (DN) ausgelegt werden. Ein Filter wird nicht benötigt. Das gereinigte Abwasser fliesst über einen neuen Ableitungskanal direkt in den Rhein.
- Aufhebung ARA Birs 2
Die Kläranlage wird aufgehoben und das anfallende Abwasser wird über zu bauende Kanäle in das Netz der Stadt Basel abgeleitet und in der ARA Basel (ProRheno) gereinigt.
5.4 Bewertung
Die Vielzahl der möglichen Kombinationen aus den vorgestellten Lösungsansätzen wurden im Rahmen eines Projektwettbewerbes durch drei namhafte gesamtschweizerisch und international tätige Ingenieurbüros untersucht und bewertet. Für die Möglichkeiten der Ableitung zur ARA Basel wurde das damalige Gewässerschutzamt Basel-Stadt und die ProRheno AG zugezogen.
In der Grundaussage gelangen alle teilnehmenden Ingenieurbüros zu den selben Schlussfolgerungen.
- Ableitung zur ARA Basel
Der aktuelle Betrieb der ARA Basel kann die Einleitbedingungen in Bezug auf einen Kohlenstoffabbau gut einhalten. Bei der hydraulischen Belastung ist die Kapazitätsgrenze erreicht, und bei den heute gegebenen Volumina der Nachklärung kann die ARA Basel bei Regenwetter knapp den zweifachen Trockenwetteranfall aus dem Einzugsgebiet übernehmen. Der Mehranfall von zusätzlichem Mischwasser bei Regenwetter aus dem Birstal müsste bei einem Zusammenschluss in Birs und Rhein entlastet werden. Ohne aufwändige Ausbauten im Kanalisationsnetz der Stadt Basel und auf der Kläranlage selbst kann das Abwasser aus dem Birstal nicht in Basel gereinigt werden.
Zusammen mit der zu bauenden Leitung bis zum Anschlusspunkt an das basel-städtische Kanalnetz (Birskopf) wird die Variante extrem teuer und daher nicht weiter verfolgt.
- Qualität des Gewässers mit seiner Umgebung als Erholungsraum (ökologischer Nutzen)
Die Nutzung der Birs und deren Ufer als Freizeitraum macht eine Einleitung von Abwasser in den schwachen Vorfluter in jedem Fall problematisch. In geruchlicher und bakteriologischer Hinsicht wird das gereinigte Abwasser, auch nach einer biologischen Behandlung mit Nitrifikation und Denitrifikation, nicht den Anforderungen an ein Badegewässer und einen Spielbach für Kinder genügen. Eine denkbare Behandlung mit UV-Strahlen, Chlor oder Ozon ist bei der gegebenen Möglichkeit zur Ableitung in den Rhein eine unverhältnismässige Lösung mit zuvielen Restrisiken. Bei den Varianten mit einer Ableitung in den Rhein kann die Birs maximal entlastet werden.
Da der Unterlauf der Birs nicht zur Trinkwasseranreicherung und -Nutzung dient, kann akzeptiert werden, dass bei Niederwasser (Q 347 ) die Birs rund 20 % weniger Wasser führt.
- Betriebs- und Kapitaldienstkosten
Die Jahreskosten (Betriebs- und Kapitaldienstkosten) eines Ableitungskanals von der ARA Birs 2 zum Rhein (um das gereinigte Abwasser direkt in den Rhein zu leiten) sind bei allen Varianten tiefer als die Jahreskosten der notwendigen ARA-Ausbauten, welche ermöglichen würden, das gereinigte Abwasser in die Birs einzuleiten.
Bedingt durch Alter und Zustand von Bau und maschinellen Einrichtungen sind die Varianten mit einem Voll- oder Teilausbau der ARA Birs 1 immer teurer als deren Aufhebung und Ableitung zur ARA Birs 2.
5.5 Schlussfolgerungen
Die Bewertung der im Projektwettbewerb aufgezeigten Lösungen zeigt, dass das Ziel einer dauerhaften Verbesserung der Qualität des Birswassers im Unterlauf mit dem kleinstmöglichen Aufwand nur mit folgenden drei Massnahmen erreicht werden kann:
1. Bau eines Ableitungskanals von der ARA Birs 2 in den Rhein
2. Realisierung von Erhaltungsmassnahmen und evtl. (abhängig von Vorgaben von Bund und Aufsichtsbehörde) moderater Ausbau der ARA Birs 2 in Birsfelden.
3. Aufhebung der ARA Birs 1 in Reinach
Diese drei Massnahmen sind im Laufe der nächsten Jahre zeitlich gestaffelt zu verwirklichen.