1999-182 (2)
Bericht Nr. 1999-182a an den Landrat |
Bericht der:
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Justiz- und Polizeikommission
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vom:
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14. Januar 2002
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zur Vorlage Nr.:
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1. Bericht
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Titel des Berichts:
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Revision des Gesetzes über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB) in Sachen Vormundschaftswesen
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Bemerkungen:
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Entwurf Gesetz über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB)
(Fassung der Redaktionskommission)
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1. Zwischenbericht 1999/182 der Justiz- und Polizei-kommission an den Landrat vom 7. Januar 2000
Im Zwischenbericht der Justiz- und Polizeikommission (JPK) vom 7. Januar 2000 ist die Ausgangslage mit dem wesentlichen Inhalt der Vorlage, das Vorgehen der JPK und der Eintretensbeschluss rapportiert worden. Für diese Punkte sei an dieser Stelle auf den genannten Zwischenbericht (1999/182) verwiesen.
Da die Meinungen innerhalb der JPK zu der Vorlage stark auseinander gingen und die Anhörungen der Kommission eher zu mehr offenen Fragen als zu Antworten führten, wurde bekanntlich dem Landrat beantragt, zustimmend davon Kenntnis zu nehmen, dass die Behandlung der Vorlage für ein Jahr sistiert wird und anschliessend bei den Gemeinden eine erneute Umfrage zur Organisation des Vormundschaftswesens unter Einbezug der Erfahrungen mit dem neuen Scheidungsrecht durchgeführt wird. Der Landrat hat diesem Vorgehen zugestimmt.
2. Ergebnis der Umfrage bei den Gemeinden
Mit Schreiben vom 19. Januar 2001 wurden sämtliche Gemeinden sowie auf seine Anfrage hin auch der Verband Basellandschaftlicher Gemeinden zu einer Stellungnahme eingeladen. Es wurden ihnen für die Organisation der Vormundschaftsbehörden 3 Varianten vorgelegt:
Variante 1 (Status Quo):
Beibehaltung der geltenden Organisation der Vormundschaftsbehörden, wonach jede Gemeinde ihre Vormundschaftsbehörde hat, sei diese identisch mit dem Gemeinderat oder eine besondere Behörde.
Variante 2:
Der Kanton schreibt den Gemeinden Zweckverbände zur Erfüllung der vormundschaftlichen Aufgaben zwingend vor.
Variante 3 (Kantonalisierung):
Die Vormundschaftsbehörde ist eine professionelle kantonale Behörde (z.B. regionale oder kantonale administrative Vormundschaftsbehörde, kantonales Vormundschaftsgericht).
Der Gemeindeverband und mit ihm rund 20 Gemeinden schlagen als weitere Variante vor, den Status Quo beizubehalten nebst der Möglichkeit, dass die Gemeinden im Vormundschaftswesen Zweckverbände oder gemeinsame Behörden bilden. Zwei Drittel der Gemeindebehörden sprachen sich für die Beibehaltung der heutigen Organisationsform aus bzw. für die vom Gemeindeverband vorgebrachte Variante, während ein Drittel der Gemeinden eine Professionalisierung mehrheitlich im Sinne der Variante 3 favorisierten.
Im Rahmen dieser Umfrage legten 14 Gemeinden auch dar, welche Vorkehren sie in den letzten 5 Jahren in organisatorischer und/oder personeller Hinsicht getroffen haben, um das kommunale Vormundschaftswesen auf die heutigen Bedürfnisse auszurichten. Aus der Umfrage ging auch hervor, dass das neue Scheidungsrecht mindestens in dieser ersten Phase nicht zu einer wesentlichen Mehrbelastung der Gemeinden geführt hat.
3. Zwischenzeitliche Gesetzesänderungen und höchstrichterliche Entscheide
Im Zusammenhang mit dem Erlass des Sozialhilfegesetzes wurde auch das Gemeindegesetz in dem Sinne revidiert, dass es den Gemeinden generell offen steht, kommunale Aufgaben im Rahmen eines Zweckverbands zu erfüllen. Mit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung besteht diese Möglichkeit auch im Bereich des Vormundschaftswesens, ohne dass es dafür einer zusätzlichen Gesetzesänderung bedarf. Damit bedarf es für die vom Gemeindeverband vorgeschlagene Variante keiner besonderen Vorkehren. Sie steht auch unabhängig der Vorlage zur Verfügung.
Mit der Strukturreform der Gerichte wurde das Verwaltungsgericht in das neu zu schaffende Kantonsgericht überführt. Dies bedingt zahlreiche redaktionelle Anpassungen des Gesetzesentwurfs gemäss Vorlage. Materiell ergeben sich dadurch allerdings keine Änderungen.
Mit Entscheid vom 2. Juli 2001 hat das Bundesgericht die Anforderungen an den Rechtsschutz im Falle einer fürsorgerischen Freiheitsentziehung (FFE) präzisiert. Es hat sich gezeigt, dass die im Gesetzesentwurf vorgesehene Regelung der neu vorgeschlagenen fürsorgerischen Freiheitsentziehung durch Ärzte nicht genügt und den Anforderungen des Bundesgerichts angepasst werden muss.
4. Wiederaufnahme der Kommissionsberatungen
Die JPK hat von der Auswertung der unter Ziff. 2 oben erwähnten Umfrage bei den Gemeinden anlässlich ihrer Sitzung vom 12. Juni 2001 Kenntnis genommen und die Vorlage anlässlich ihrer Sitzungen vom 20. August, 10. September, 15. Oktober, 12. November und 3. Dezember 2001 jeweils im Beisein von Regierungsrat Andreas Koellreuter, Stephan Mathis, Direktionssekretär der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, sowie Franziska Vogel Mansour, Leiterin Zivilrechtsabteilung 1 der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, beraten.
5. Rückkommensantrag zum Eintreten
Das materielle Vormundschaftsrecht ist Bundeszivilrecht und im ZGB geregelt. Es befindet sich zur Zeit in Überarbeitung. Es ist jedoch noch nicht klar, wann eine solche Revision in Kraft treten wird.
Mit einem Rückkommensantrag wird der Ende 1999 gefällte Eintretensbeschluss der JPK in Frage gestellt: Angesichts der sich bereits im Gang befindenden Revision des Vormundschaftswesens auf Bundesebene sei es unangemessen, die Organisation des Vormundschaftswesens auf kantonaler Ebene zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu revidieren. Die bevorstehende Revision des Bundesrechts werde mit Gewissheit dazu führen, dass auch das kantonale Recht wiederum den Vorgaben des Bundesrechts angepasst und revidiert werden müsse. Es sei ohne weiteres vertretbar, mit der Revision des kantonalen Rechts bis zum Inkrafttreten der Bundesrechtsrevision zuzuwarten. Dieser Rückkommensantrag wurde jedoch mit 7:3 Stimmen abgelehnt.
6. Detailberatung
6.1 Allgemeines
Nebst der grundsätzlichen Neuregelung der Aufsichtsbehörden, wonach eine zentrale Aufsichtsbehörde für Vormundschaftswesen, bestehend aus dem kantonalen Vormundschaftsamt und der Vormundschaftskommission in dieser Funktion die Statthalterämter ablöst, enthält die Vorlage diverse kleinere Änderungen, welche im Rahmen der Beratungen von der JPK besprochen und im Wesentlichen gutgeheissen wurden. Die Änderungen der JPK am Gesetzesentwurf beschränken sich auf Einzelheiten.
Intensiv diskutiert wurde die Frage der Verantwortlichkeit der vormundschaftlichen Behörden (§ 58 Gesetzesentwurf). Es stellt sich die Frage, ob den Mandatsträgern überhaupt bewusst ist, dass sie kraft Bundesrecht (Art. 426 ff. ZGB) für den aus ihrer Mandatsführung entstandenen Schaden primär haften und ob zur Abdeckung dieses Haftungsrisikos ausreichend Versicherungsschutz bestehe. Da es sich dabei um eine grundsätzliche Frage handelt, die einerseits nicht nur das Vormundschaftswesen, sondern auch andere Bereiche (Fürsorge, Bauwesen) betrifft und andererseits die Autonomie der Gemeinden tangiert, hat die JPK darauf verzichtet, eine entsprechende Bestimmung im Rahmen der Vorlage zu beantragen.
6.2 Vormundschaftsgericht als Aufsichtsbehörde für Vormundschaftswesen
Es wird beantragt, die Aufsichtsbehörde durch eine richterliche, dem Kantonsgericht unterstellte Behörde zu ersetzen, da es sich bei diesen Angelegenheiten um tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte handle. Das Vormundschaftswesen sei als richterliche und nicht als exekutive Aufgabe zu verstehen. Mit der Einführung eines Vormundschaftsgerichtes könne zudem eine Doppelaufsicht vermieden werden. Gegen den Antrag wird vorgebracht, die Aufsichtsbehörde habe systematische Kontroll- und Aufsichtsfunktionen vorzunehmen und gegebenenfalls von Amtes wegen einzuschreiten. Dazu sei eine Verwaltungsbehörde erfahrungsgemäss besser geeignet als eine richterliche Behörde. Die Wahl der Mitglieder der Aufsichtsbehörde durch den Regierungsrat garantiere zudem auch eine nach rein fachlichen Kriterien bestimmte Zusammensetzung der Aufsichtsbehörde.
Mit 6:3 Stimmen bei 1 Enthaltung lehnt die JPK diesen Antrag ab. Der gleiche Antrag wurde auch im Rahmen der 2. Lesung gestellt und wiederum mit 6:3 Stimmen abgelehnt.
Obwohl es sich um einen Antrag im Rahmen der Detailberatung handelte, hätte eine Annahme dieses Antrags zur Folge gehabt, dass die Vorlage zur Überarbeitung an den Regierungsrat hätte zurückgewiesen werden müssen, da er auch eine Revision des Gerichtsorganisationsgesetzes notwendig gemacht hätte.
6.3 Zuständigkeit von Ärzten bzw. Ärztinnen zur Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung
Bisher war einzig das Statthalteramt für die Anordnung der vorsorglichen fürsorgerischen Freiheitsentziehung als Aufsichtsbehörde für das Vormundschaftswesen zuständig. Im Rahmen der Neuorganisation soll das Vormundschaftsamt sowie jedes Mitglied der Vormundschaftskommission dafür zuständig sein, vorsorglich die fürsorgerische Freiheitsentziehung anzuordnen, wenn Gefahr im Verzuge liegt.
Gemäss dem regierungsrätlichen Entwurf sollten neu auch Ärztinnen und Ärzte (unter Ausschluss der Ärzte und Ärztinnen der Kantonalen Psychiatrischen Klinik) zuständig sein, die vorsorgliche Unterbringung einer Person in einer Anstalt anzuordnen, wenn Gefahr im Verzuge liegt. Eine Mehrheit der JPK unterstützte zunächst die Erweiterung der Zuständigkeit zur Anordnung der vorsorglichen fürsorgerischen Freiheitsentziehung und lehnte einen Streichungsantrag klar ab.
Aufgrund des unter Ziff. 3 oben erwähnten Bundesgerichtsentscheides ist es jedoch unabdingbar, dass der Arzt die betroffene Person nicht nur anhört, sondern ihr schriftlich den Entscheid betreffend vorsorgliche fürsorgerische Freiheitsentziehung eröffnet mit einer kurzen Begründung und Rechtsmittelbelehrung. Der Arzt bzw. die Ärztin wird in diesem Fall zur verfügenden Behörde und gegen seinen bzw. ihren Entscheid würde rekurriert. Der Arzt wird somit zur Gegenpartei im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die JPK hat Zweifel an der Praktikabilität dieser Regelung und der Bereitschaft der Ärzteschaft, diese Rolle zu übernehmen. Sie beschliesst deshalb im Hinblick auf die 2. Lesung, die Ärzteschaft zu einer Stellungnahme zu dieser Frage einzuladen. Der Vorstand der Ärztegesellschaft Baselland lehnt eine solche Regelung einhellig ab und spricht sich dafür aus, das heutige System, welches sich bewährt habe, beizubehalten. Gestützt darauf kommt die JPK auf ihren Entscheid aus der 1. Lesung zurück und spricht sich einstimmig dafür aus, auf die ärztliche Zuständigkeit für die Anordnung der vorsorglichen fürsorgerischen Freiheitsentziehung zu verzichten.
7. Anträge
Die JPK beantragt dem Landrat mit 10:2 Stimmen (ohne Enthaltungen), die Änderung des Gesetzes über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB) gemäss Beilage zu beschliessen.
Die JPK beantragt dem Landrat einstimmig, folgende parlamentarische Vorstösse als erfüllt abzuschreiben:
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Motion (90/204) der Geschäftsprüfungskommission (als Postulat überwiesen) betreffend Überprüfung und Neustrukturierung des Vormundschaftswesens
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Motion (96/236) von Peter Tobler (als Postulat überwiesen) betreffend Straffung der vormundschaftlichen Aufsichtsfunktion
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Lausen, den 14. Januar 2002
Im Namen der Justiz- und Polizeikommission
Der Präsident: Dieter Völlmin
Beilage:
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Entwurf Gesetz über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB)
(Fassung der Redaktionskommission)
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