1999-182 (1)

Landrat / Parlament || Bericht vom 7. Januar 2000 zur Vorlage 1999-182


Zwischenbericht der Justiz- und Polizeikommission an den Landrat


Revision des Gesetzes über die Einführung des Zivilgesetzbuches (EG ZGB) in Sachen Vormundschaftswesen


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen





1. Ausgangslage

Im Dezember 1991 überwies der Landrat eine von der Geschäftsprüfungskommission eingereichte Motion als Postulat. Darin wurde der Regierungsrat aufgefordert, die Organisation des basellandschaftlichen Vormundschaftswesens zu überprüfen und allenfalls neu zu strukturieren. Gestützt auf diesen Vorstoss führte die Justizdirektion bei den Gemeinden im Jahre 1995 eine Umfrage durch, um auszuloten, ob auch auf dieser Ebene der politische Wille für eine Strukturänderung bestehe. Die Justizdirektion führte dabei verschiedene Organisationsmodelle auf, beispielsweise den Zusammenschluss mehreren Gemeinden zu einer Vormundschaftsbehörde oder eine professionelle, zentrale Vormundschaftsbehörde unter der Obhut des Kantons. Zwei Drittel der 64 antwortenden Gemeinden lehnten jede Änderung ab. Die mit der Vorbereitung der Vorlage beauftragte Arbeitsgruppe konzentrierte sich angesichts dieses eindeutigen Ergebnisses auf Organisationsmodelle, welche die heutige Organisation der kommunalen Vormundschaftsbehörden nicht in Frage stellen.


Der Kernpunkt der vorliegenden Revision des Vormundschaftsrechtes betrifft deshalb die Ausgestaltung der vormundschaftlichen Aufsichtsbehörde. Im Vernehmlassungsverfahren standen noch 2 Varianten zur Diskussion, nämlich die Beibehaltung der Statthalterämter als erste Aufsichtsbehörde und des Verwaltungsgerichts als zweite Aufsichtsbehörde neben dem Modell einer zentralen ersten Aufsichtsbehörde mit dem Verwaltungsgericht als zweiter Aufsichtsbehörde. Mit der Vorlage hat sich der Regierungsrat für das zweitgenannte Modell entschieden.




2. Anhörungen


Sowohl aufgrund der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens als auch aufgrund erster Äusserungen in der Kommission wurde ersichtlich, dass die Meinungen über den einzuschlagenden Weg bei der Revision des Vormundschaftswesens weit auseinander gehen. Aufgrund dieser Sachlage beschloss die Kommission, sich nicht nur durch Regierungsrat Andreas Koellreuter, Direktionssekretär Stephan Mathis und die Leiterin Zivilrechtsabteilung 1 der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion, Franziska Vogel Mansour, orientieren zu lassen, sondern auch den Datenschutzbeauftragten, eine Delegation des Verbandes der Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten und der Gemeindeschreiber und -verwalter (Gemeindeverbände) sowie eine Delegation der Statthalterkonferenz anzuhören.


Nach Auffassung des Datenschutzbeauftragten ist die Verknüpfung verschiedener Aufgaben bei einer Behörde, wie beispielsweise Strafverfolgung und Vormundschaftswesen, immer problematisch, wenn sie nicht in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Die entsprechende Behörde soll nur diejenigen Informationen erhalten, welche sie zur Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe braucht. Aus datenschutzrechtlicher Sicht sei deshalb das regierungsrätliche Modell mit einer zentralen Aufsichtsbehörde klar vorzuziehen, wobei damit das Problem auf Gemeindestufe (Gemeinderat als Vormundschaftsbehörde) noch nicht gelöst sei.


Die Delegation der Statthalterkonferenz betont demgegenüber, dass in einem Strafverfahren ohnehin vormundschaftliche Akten beigezogen würden. Im Weitern weist die Delegation die Kritik, die Statthalterämter seien fachlich überfordert, zurück. Eine dezentrale Aufsichtsbehörde habe den Vorteil, auf unterschiedliche regionale Bedürfnisse, wie sie im Baselbiet bestehen und gewachsen sind, besser eingehen zu können.


Die Delegation der Gemeindeverbände attestiert den Statthalterämtern eine seriöse Arbeit und Bürgernähe. Allerdings stellt sie das Ergebnis der Umfrage von 1995 eher in Frage, als dass sie es bestätigt hätte. Es sei denkbar, dass im Hinblick auf das neue Scheidungsrecht bei den Gemeinden ein Gesinnungswandel stattgefunden habe. Deshalb solle man das Thema nochmals aufnehmen und erneut an die Gemeinden gelangen.




3. Eintreten


Nachdem sich die JPK anlässlich ihrer Sitzung vom 15. Oktober 1999 über die Vorlage von der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion orientieren liess und am 15. November 1999 die Anhörungen stattfanden, wurde anlässlich der Sitzung vom 6. Dezember 1999 über das Eintreten beraten.


Die Befürworter einer Übertragung des Vormundschaftswesens von der kommunalen auf die regionale Ebene sahen sich in ihrem Standpunkt durch die Anhörung der Vertreter der Gemeindeverbände bestärkt, weil diese das Vormundschaftswesen weit weniger als vom Regierungsrat in der Vorlage und in deren Vorfeld gewichtet als kommunale Aufgabe in Anspruch genommen hätten. Die Vorlage bringe keine grundsätzliche Lösung bezüglich der meist zu wenig professionell arbeitenden Vormundschaftsbehörden und sei, insbesondere im Hinblick auf die bevorstehende Mehrbelastung durch das Scheidungsrecht und die bundesrechtlichen Revisionsvorhaben, nicht zukunftstauglich.


Demgegenüber wird geltend gemacht, der regierungsrätliche Vorschlag sei die einzige Möglichkeit, innert nützlicher Frist echte Verbesserungen zu erzielen. Das Vormundschaftswesen stelle eine wichtige kommunale Aufgabe dar, die den Gemeinden nicht ohne Not weggenommen werden dürfe. Es gelte zu verhindern, dass die Gemeinden blosse Vollzugsanstalten des Kantons würden.


Eine dritte Auffassung lehnt eine zentrale Aufsichtsbehörde ab und möchte die Statthalterämter wie bisher als erste Aufsichtsbehörde beibehalten.


Obwohl Eintreten unbestritten war, standen sich verschiedene Anträge gegenüber:


Ein Antrag verlangte Rückweisung der Vorlage an den Regierungsrat mit dem Auftrag, ein neues Konzept mit Professionalisierung/Regionalisierung der Vormundschaftsbehörde und Einsetzung einer einzigen Aufsichtsbehörde zu erarbeiten. Ein anderer Rückweisungsantrag verlangte vom Regierungsrat, dem Landrat eine Vorlage unter Beibehaltung des Statthalteramtes als erste Aufsichtsbehörde zu unterbreiten. In einer ersten Abstimmung obsiegte der letztgenannte Rückweisungsantrag gegenüber dem erstgenannten Rückweisungsantrag mit 7:5 Stimmen bei 1 Enthaltung, wurde jedoch mit 5:4 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegenüber der regierungsrätlichen Vorlage abgelehnt.


Es ist unbestritten, dass das neue Scheidungsrecht zu einer Mehrbelastung der Vormundschaftsbehörden führen wird. In der Kommission herrschte deshalb ein Unbehagen, unmittelbar vor Inkrafttreten dieser Gesetzesänderungen die Organisation des Vormundschaftswesens neu zu regeln, ohne die Erfahrungen des neuen Scheidungsrechts mitberücksichtigen zu können. Mit 7:5 Stimmen bei 1 Enthaltung setzte sich deshalb der Antrag durch, die Behandlung der Vorlage um ein Jahr zu sistieren und dann erneut eine Umfrage bei den Gemeinden zu machen. Eine Kommissionsmehrheit will auf diese Weise sicherstellen, dass die Revision des Vormundschaftswesens der aktuellen Situation gerecht wird und die Erfahrungen mit dem neuen Scheidungsrecht berücksichtigt werden können. Obwohl die Vorlage ebenfalls Bestandteil der Justizreform darstellt, wird diese nicht zurückgeworfen, weil die damit in Frage gestellte bzw. verzögerte Konzentration der Statthalterämter auf die untersuchungsrichterliche Tätigkeit von den übrigen Revisionsschritten unabhängig ist.




4. Antrag


Die JPK beantragt dem Landrat,


zustimmend davon Kenntnis zu nehmen, dass die Behandlung der Vorlage für ein Jahr sistiert wird und anschliessend bei den Gemeinden eine erneute Umfrage zur Organisation des Vormundschaftswesens unter Einbezug der Erfahrungen mit dem neuen Scheidungsrecht durchgeführt wird.




Lausen, den 7. Januar 2000


Im Namen der Justiz- und Polizeikommission
Der Präsident: Dieter Völlmin


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