1999-89

Landrat / Parlament || Vorlage 1999-089 vom 20. April 1999


Standesinitiative zur Einführung einer bundesweiten Kapitalgewinnsteuer auf bewegliche Vermögen


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen



Standesinitiative (Entwurf)

Motion 97/259

Erster Teil: Ausgangslage
Die SP-Fraktion brachte am 10. Dezember 1997 eine Motion in den Landrat ein, die eine Standesinitiative zur Einführung einer bundesweiten Kapitalgewinnsteuer auf beweglichem Privatvermögen verlangt. Die Motion kam in der Landratssitzung vom 12. März 1998 zur Diskussion und wurde von der Parlamentsmehrheit überwiesen.

Zweiter Teil: Historische Entwicklung
Noch vor 30 Jahren kannte ein grosser Teil der Kantone die Kapitalgewinnsteuer. In den folgenden Jahren ging jedoch die Bereitschaft zur Besteuerung der privaten Kapitalgewinne in den Kantonen zurück. Während Ende der sechziger Jahre noch elf Kantone Kapitalgewinne auf beweglichem Privatvermögen besteuert hatten, schaffte im Jahre 1996 der Kanton Graubünden als letzter Kanton die Kapitalgewinnsteuer ab. Bei der direkten Bundessteuer wurden Kapitalgewinne auf Privatvermögen nie besteuert, sondern immer nur die Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen.
Obwohl im Kanton Basel-Landschaft die Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer auf beweglichem Privatvermögen bei der Totalrevision des Steuergesetzes 1971/1974 heftig diskutiert wurde, hielt man an ihr fest. In das revidierte Steuergesetz fand gleichzeitig eine Änderung Eingang, die KMU-Aktionäre begünstigte. Es wurde neu nur noch die Differenz zwischen dem Verkehrswert der Aktie vor zehn Jahren plus Index zum Veräusserungspreis besteuert und nicht mehr die volle Differenz des Erwerbspreises zum Veräusserungserlös. Zudem wurden kurzfristige Börsengewinne erfasst, sofern sie zur Deklaration gelangten. Weil mit dieser - aufgrund der genannten Anpassungen wenig griffigen - Kapitalgewinnsteuer nur noch relativ bescheidene Steuererträge erzielt werden konnten, Aufwand und Ertrag somit in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zueinander standen, wurde im Jahre 1986 wie in anderen Kantonen die Kapitalgewinnsteuer abgeschafft.
Im Rahmen der Totalrevision des Bundessteuerrechts und der Harmonisierung des kantonalen und kommunalen Steuerrechts wurde weder ins Bundesgesetz über die direkte Bundessteuer noch ins Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden eine Kapitalgewinnsteuer auf Privatvermögen aufgenommen. Der Antrag des Bundesrates, eine Beteiligungsgewinnsteuer einzuführen, fand im Eidgenössischen Parlament keine mehrheitliche Unterstützung.

Dritter Teil: Betrachtungen zu einer möglichen Kapitalgewinnsteuer
Seit der Einreichung der Motion durch die SP-Fraktion Ende des Jahres 1997 hat sich bezüglich der Einführung einer Kapitalgewinnsteuer insbesondere auf Bundesebene Einiges zugetragen. Es sollen nachfolgend die verschiedenen argumentativen Standpunkte aufgezeigt werden.

- Bundesrat Kaspar Villiger hat eine Expertenkommission unter der Leitung von Dr. U. Behnisch mit dem Auftrag eingesetzt, das schweizerische Steuersystem auf Lükken sowie auf Überbesteuerungen zu überprüfen. Der Bericht über die Ergebnisse dieser Untersuchung wurde der Öffentlichkeit am 8. Juli 1998 vorgestellt. Die Kommission hat unter anderem die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer in neun verschiedenen Varianten geprüft. Diese lassen sich in vier Obergruppen zusammenfassen: Kapitalgewinnsteuer als Wertzuwachssteuer, als Teil der allgemeinen Einkommenssteuer, als Objektsteuer (getrennt von der allgemeinen Einkommenssteuer) und als Besteuerung gewisser qualifizierter Beteiligungen. Hier zeigt sich, dass unterschiedliche Lösungsansätze vorhanden sind.

Im Ergebnis empfiehlt die Expertenkommission die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer aus Gründen der Steuergerechtigkeit . Eine Mehrheit der Kommission möchte die Kapitalgewinne neben den Kapitalerträgen ab einem bestimmten Freibetrag und mit einer betragsmässig begrenzten Verlustverrechnung der allgemeinen Einkommenssteuer unterwerfen. Da bei dieser einen möglichen Variante einer Kapitalgewinnbesteuerung die Senkung von Steuersätzen und weitere Korrekturmassnahmen - wie ein Normaldividendenabzug, eine Senkung bzw. allenfalls Beseitigung von Rechtsverkehrssteuern und der Vermögenssteuer - in Betracht gezogen werden müssten, wären Steuerausfälle möglich. (1)

- Ein von Prof. P. Kugler in Zusammenarbeit mit Carlos Lenz am Basler Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum (WWZ) erstelltes Gutachten beurteilt die ökonomische Seite der Erhebung einer Kapitalgewinnsteuer auf Privatvermögen. Die Kapitalgewinnsteuer kann die jährlichen Steuereinnahmen um 700 Millionen Franken steigern. Das WWZ-Gutachten stellt seine Annahme eines Rückganges des realen Volkseinkommens um 3% den Erträgen aus einer gesamtschweizerisch eingeführten Kapitalgewinnsteuer gegenüber und beurteilt die aus diesem Vergleich resultierenden Steuereinnahmen als nicht sehr ergiebig für den Fiskus. Das Gutachten kommt zu dieser Schätzung anhand einer empirischen Betrachtung der Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer in 8 Kantonen während der 80er Jahre.

Wenn die Kapitalgewinne erst bei ihrer Realisierung besteuert würden, entstünde für die privaten Kapitalanleger und Aktiengesellschaften der falsche Anreiz, den Kursgewinn nicht zu realisieren oder umgekehrt Verluste zu realisieren. Für die Unternehmen könnte sich zudem die Eigenkapitalbeschaffung im Vergleich zur Fremdkapitalfinanzierung verteuern. Deswegen rät das Gutachten von der Besteuerung realisierter Kapitalgewinne ab. Alternative Formen der Kapitalgewinnsteuer , wie z.B. die Besteuerung privater Kapitalgewinne nach dem Ableben, empfiehlt es trotzdem zur Einführung unter der Bedingung, dass sie mit einer generellen Reform der Kapital- und Vermögensbesteuerung einhergehen. (2)

- Die vom Bundesrat im Rahmen des Stabilisierungsprogrammes 1998 vorgesehenen Sofortmassnahmen zur Schliessung ungerechtfertigter Steuerlücken sehen die Einführung der Kapitalgewinnsteuer noch nicht vor. Als Massnahme, die in eine ähnliche Richtung geht, ist die Ausdehnung des Begriffes des "gewerbsmässigen Wertpapierhandels" geplant. Das Eidgenössische Finanzdepartement begründet den vorläufigen Verzicht der Erhebung einer allgemeinen Kapitalgewinnsteuer unter anderem damit, dass die Kapitalgewinnsteuer weder aus volkswirtschaftlicher noch aus steuersystematischer Sicht als isolierte Massnahme eingeführt werden dürfe. Da sich Auswirkungen auch auf andere Bereiche des Steuerrechts ergeben, muss zuerst gründlich durchdacht werden, welche Änderungen am Steuersystem insgesamt durch die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer erforderlich werden.

- Auf Bundesebene hat Nationalrat Rechsteiner (SP, St. Gallen) am 3.12.1996 mit einer Motion die Einführung der Kapitalgewinnsteuer verlangt. Diese wurde am 2. Dezember 1998 vom Nationalrat mit 94:65 Stimmen abgelehnt. Gleichzeitig hat der Nationalrat dem Stabilisierungsprogramm 1998 zugestimmt. Zudem wurde am 5. Mai 1998 vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund eine Volksinitiative zur Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf realisierten Kapitalgewinnen auf beweglichem Vermögen lanciert (3) .

Das Thema Kapitalgewinnsteuer auf Privatvermögen wird zur Zeit beim Bund, in der Öffentlichkeit wie in den Medien ernsthaft und kontrovers diskutiert. Die verschiedenen Argumente sollen nachfolgend gegeneinander aufgewogen werden:

- Das Argument, welches am deutlichsten für die Einführung einer Kapitalgewinnsteuer spricht, ist die Steuergerechtigkeit . Es soll eine wesentliche Steuerlücke geschlossen werden.

Wenn man das schweizerische Steuersystem als Ganzes unter dem Aspekt der Gesamteinkommensbesteuerung und dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit betrachtet, erscheint die Steuerfreiheit privater Kapitalgewinne als systemwidrige Ausnahme. Erwerbseinkommen, Kapitalerträge, Kapitalgewinne auf Geschäftsvermögen sowie auf den unbeweglichen Teilen des Privatvermögens unterliegen der Besteuerung. Ausgehend von der Hypothese, dass alle Einkommenselemente steuerbar sein sollten, müssen die Kapitalgewinne auf Privatvermögen ebenfalls steuerlich erfasst werden .

- Als weiteres Argument für eine Kapitalgewinnsteuer wird anhand eines internationalen Vergleichs aufgezeigt, dass die Schweiz bezüglich Kapitalgewinnsteuer abseits steht. Mit Ausnahme von Griechenland haben alle OECD-Länder eine Kapitalgewinnsteuer, selbst die USA .

Bezüglich der Kapitalgewinnsteuer in den OECD-Ländern besteht eine differenzierte Situation. Acht Länder kennen eine generelle Kapitalgewinnsteuer für natürliche Personen (Dänemark, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, Schweden, Spanien und die USA). Vier Länder besteuern nur kurzfristige Kapitalgewinne (Belgien, Deutschland, Luxemburg und Österreich), sechs Länder besteuern Kapitalgewinne auf wesentlichen Beteiligungen (Belgien, Deutschland, Italien, Luxemburg, Niederlande und Österreich), haben aber keine generelle Kapitalgewinnsteuer. (4)

- Mit der Einführung der Kapitalgewinnsteuer wird, wie bereits erwähnt, ein gerechtes Steuersystem angestrebt. Es bestehen jedoch Befürchtungen, dass von dieser Steuer zur Hauptsache der Mittelstand getroffen werde. Kleine Kapitalgewinne werden jedoch durch die neu einzuführende Steuer nicht erfasst, da eine gewisse Freigrenze (Sfr. 10'000.-) vorgesehen werden muss.

Es wird auch damit argumentiert, dass es für Personen, die einen grossen Kapitalgewinn erzielen, Möglichkeiten geben werde, die Steuer zu umgehen. Erstens könne eine Abwanderung des Kapitals ins Ausland stattfinden, was für das übrige Steuereinkommen nachteilig sei. Diesem Vorbringen wird mit einem Hinweis auf das OECD-weite Vorhandensein der Kapitalgewinnsteuer entgegnet.

Zweitens werde der Kapitalanleger nach Möglichkeit seinen Kapitalgewinn kurzfristig möglichst nicht realisieren oder erst, wenn er mit einem Verlust verrechnen könne. Drittens hätten grosse Vermögensbesitzer die Möglichkeit, ihre Aktien in steuergünstige Holdinggesellschaften einzubringen.

Ein nicht zu vernachlässigender Anteil der Kapitalgewinne entfällt übrigens auf die Pensionskassen, welche zugunsten der Versicherten steuerbefreit sind. (5)

- Die Ertragserwartungen bezüglich der Kapitalgewinnsteuer sind sehr unterschiedlich und hängen nicht zuletzt von der konkreten Ausgestaltung der Steuer ab . Miteinberechnet werden muss die Ertragsschmälerung bedingt durch eine allfällige Besitzdauerkomponente sowie durch die Verlustverrechnung, selbst wenn diese beschränkt wird. Es ist nicht sicher, ob der Börsenboom der vergangenen Jahre zu übertriebenen Hoffnungen verleiten darf; auch in Zukunft sind Börsenbaissen möglich. (6)

Dem Kapitalsteuer-Ertrag steht als Aufwandposten die Erfassung der relevanten Veranlagungsdaten gegenüber. Bereits das Eruieren des Einstandspreises könnte schwierig werden. Verhältnismässig einfach ist es, die Gewinne von börsenkotierten Titeln zu errechnen. Heikler wird es, wenn kein Börsenkurs zur Verfügung steht. Der Steuerpflichtige, der nota bene nicht buchführungspflichtig ist, hätte dann Einstandspreise, die lange zurückliegen, zu belegen.

- Soll die Kapitalgewinnsteuer als integrale Steuer konzipiert werden, sind jegliche beweglichen Gegenstände des Privatvermögens miteinzubeziehen. Die Kapitalgewinnsteuer muss sich somit nicht auf Wertschriften beschränken, sondern kann beispielsweise auch den Oldtimer, die Kunstsammlung etc. betreffen. (7)

Vierter Teil: Standesinitiative
Da heute sowohl bei der direkten Bundessteuer als auch im Steuerharmonisierungsgesetz die Kapitalgewinne auf Privatvermögen Steuerfreiheit geniessen, ist Voraussetzung für die bundesweite Einführung einer Kapitalgewinnsteuer auf Privatvermögen, dass die Eidgenössischen Räte auf die zwei am 14. Dezember 1990 beschlossenen Gesetze zurückkommen. Einerseits muss Art. 16 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG), anderseits Art. 7 Abs. 4 lit. b im Bundesgesetz über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG) entsprechend angepasst werden.

Wenn das Postulat der Steuergerechtigkeit stärker gewichtet wird als die Anwendungsschwierigkeiten, muss die systemwidrige Gesetzeslücke hinsichtlich der Besteuerung von Kapitalgewinnen auf dem Privatvermögen auf Bundesebene geschlossen werden.

Dem Anliegen der Motion entsprechend unterbreitet der Regierungsrat dem Landrat den folgenden Antrag :

1. Die Standesinitiative zur Einführung einer bundesweiten Kapitalgewinnsteuer auf beweglichem Vermögen gemäss beiliegendem Entwurf zu beschliessen.
2. Die Motion 97/259 der SP-Fraktion als erfüllt abzuschreiben.


Liestal, 20. April 1999

Im Namen des Regierungsrates
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin


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Fussnoten:


1. Bericht der Expertenkommission zur Prüfung des Systems der direkten Steuern auf Lücken, Bern 1998.
2. Prof. Peter Kugler, Ökonomische Auswirkungen der Kapitalgewinnsteuer, WWZ/Universität Basel, Mai 1998.
3. Eidgenössische Volksinitiative "für eine Kapitalgewinnsteuer" des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes,
Bundesblatt vom 5. Mai 1998.
4. Theodor Faist, Kapitalgewinnsteuer und Bankgeheimnis, Finanz und Wirtschaft 11.3.1998. Wer einen Ländervergleich anstellt, muss immer auch den Gesamtrahmen der Steuersystematik eines Landes miteinbeziehen; so zum Beispiel, ob ein Land zwar eine Kapitalgewinnsteuer, dafür jedoch keine Vermögenssteuer und keine Doppelbelastung von Aktiengesellschaften und Aktionären wie die Schweiz hat.
5. Prof. Dr. T. Studer, Kapitalgewinnsteuer: Fischzug in seichten Gewässern?, BaZ 9.2.1998.
6. Max Gürtler, Übertriebene Erwartungen in die Kapitalgewinnsteuer?, BaZ 21.1.1998.
7. Alexander Filli, Die Besteuerung der Kapitalgewinne im Spannungsfeld der realfiskalischen Gegebenheiten, ASA 66, 433ff.