1999-165_6.htm

Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 1999-165 vom 31. August 1999


Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen





VI. Erläuterungen zu den einzelnen Bestimmungen

1. Allgemeines


Das Dekret ist als Übergangsrecht gedacht bis zur Einführung der entsprechenden organisatorischen und prozessualen Bestimmungen ins EG ZGB (und allenfalls der Zivilprozessordnung). Der Erlass des Dekretes stützt sich dabei einerseits auf die Änderung des ZGB vom 26. Juni 1998 und andererseits auf Artikel 52 Absatz 2 SchlT ZGB und § 13 bis GVG, welcher die Ermächtigung des Landrats zum Erlass von Vollzugsbestimmungen zu neuem Bundesrecht ausdrücklich festhält. Trotz dieser Ermächtigung ist im Vernehmlassungsverfahren Kritik an der Abänderung insbesondere der Zuständigkeiten mittels eines Dekrets geübt worden (vgl. V. Vernehmlassungsverfahren). Dieser Kritik wurde Rechnung getragen und die heute bestehenden Zuständigkeiten gemäss EG ZGB und ZPO wurden unverändert übernommen, soweit dies aufgrund der neuen bundesrechtlichen Verfahrensbestimmungen möglich ist (vgl. Einzelheiten bei den einzelnen Bestimmungen).


Das Dekret ist systematisch in vier Abschnitte eingeteilt, welche sich an der tatsächlichen Chronologie orientieren. Im Abschnitt "A" werden die Bewilligungsinstanz und die Gebühren im Bereich der Ehe- und Partnerschaftsvermittlung geregelt. Der Abschnitt "B" enthält Bestimmungen zur Zuständigkeit und zum Verfahren zur Eheungültigkeit. Abschnitt "C" bildet den Hauptteil mit der Regelung der Zuständigkeiten und dem Verfahren zur Ehescheidung und Ehetrennung. Abschnitt "D" regelt das Inkrafttreten.


Damit die spätere Überführung der Bestimmungen dieses Dekrets ins EG ZGB einfacher erfolgen kann, lehnen sich Aufbau und Inhalt des Dekrets an das EG ZGB an. Es werden daher auch bereits geregelte Verfahrensvorschriften aufgenommen (vgl. III. Allgemeines).




2. Einzelne Bestimmungen


§ 1


Wegen ihrer grossen praktischen Bedeutung wird im Obligationenrecht (OR) neu die Ehe- und Partnerschaftsvermittlung geregelt (Art. 406a - 406h rev. OR). Die Regelung des entsprechenden Vertrages im OR verlangt aufgrund von Art. 406c Abs. 1 rev. OR ein Tätigwerden des kantonalen Gesetzgebers. Für die berufsmässige Ehe- und Partnerschaftsvermittlung von Personen oder an Personen aus dem Ausland wird künftig eine Bewilligung verlangt. Die Kantone müssen daher die Bewilligungsinstanz bezeichnen. Diese ist auch Aufsichtsinstanz über die Ehe- und Partnerschaftsvermittler (soweit Personen aus dem Ausland davon betroffen sind).


Die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion ist Bewilligungsinstanz in zahlreichen gewerblichen Gebieten, so beispielsweise im Wander-, Gast- und Konsumkreditgewerbe. Entsprechend ist es naheliegend, dieser Direktion die Bewilligung und Aufsicht für diesen Bereich zu übertragen.


Der Bund hat im Juni 1999 den Entwurf einer Verordnung über die berufsmässige transnationale Ehe- und Partnerschaftsvermittlung zur Vernehmlassung unterbreitet. Dieser Entwurf enthält keine Regelung über die Gebühren für die Bewilligungserteilung bzw. den Bewilligungsentzug. Somit ist auf kantonaler Ebene eine diesbezügliche gesetzliche Grundlage zu schaffen. Sollte der Bund doch noch eine Gebührenregelung vorsehen, würde die vorliegende Bestimmung von Absatz 2 hinfällig. Die Gebühr bemisst sich nach dem Aufwand und beträgt bis zu Fr. 3'000.--. Diese Maximalgebühr entspricht derjenigen für die Erteilung der Bewilligung für die Gewährung und Vermittlung von Konsumkrediten.




§ 2


Die Zuständigkeit zur Erhebung der Ungültigkeitsklage von Amtes wegen wird aus dem geltenden Recht übernommen. Schon heute ist die Justiz-, Polizei- und Militärdirektion für diese Klagen legitimiert (§ 16 EG ZGB). Die Heimat- und Wohnsitzgemeinden werden in Art. 106 rev. ZGB nicht mehr ausdrücklich erwähnt, sind aber als Interessierte weiterhin auch klagelegitimiert. Allerdings erscheint es als zweckmässiger und ökonomischer, wenn die Gemeinde den Fall der zuständigen kantonalen Stelle anzeigt. Diese verfügt über die besseren Voraussetzungen für die Klageerhebung.




§ 3


Die Ungültigkeitsklage fällt unter § 1 EG ZGB und ist somit vom Dreiergericht zu beurteilen. Die Ausnahmebestimmung von § 8 ZPO gelangt nicht zur Anwendung, da diese nur für die streitigen Ehescheidungen vorgesehen ist (§ 7 lit. b und § 8 ZPO sind widersprüchlich, weshalb der Grundsatznorm des § 1 EG ZGB der Vorrang zu geben ist). Die in Art. 110 rev. ZGB vorgesehene sinngemässe Geltung der Zuständigkeits- und Verfahrensbestimmungen des Scheidungsrechts bezieht sich auf Art. 135 rev. ZGB und damit auf die örtliche Zuständigkeit.




§ 4


Schon nach geltendem Recht sind die Ungültigkeitsklagen der friedensrichterlichen Verhandlung nicht unterstellt (§ 5 Abs. 1 lit. b EG ZGB und § 3 Abs. 1 Ziff. 21 ZPO). Die Durchführung eines Aussöhnungsversuchs ist in diesen Fällen auch nicht angezeigt.


Art. 110 rev. ZGB sieht vor, dass sich das Verfahren sinngemäss nach den Vorschriften des Scheidungsrechts richtet.




§ 5


Konventionalscheidungen werden seit der Revision der ZPO von 1995 einzelrichterlich beurteilt (§ 4 ZPO). Diese Regelung hat sich bewährt. Insbesondere aufgrund der durch das neue Scheidungsrecht vorgegebenen zahlreichen Anhörungen muss weiterhin ein effizientes Vorgehen gewährleistet sein. Die verschiedenen Anhörungen verlangen auch ein gewisses Mass an Flexibilität. Das ist am besten mit der einzelrichterlichen Behandlung gegeben. Für die Beurteilung der Scheidungen auf gemeinsames Begehren werden daher die Bezirksgerichtspräsidien als zuständig bezeichnet.


Die Bezirksgerichtspräsidien sollen bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit Teileinigung auch das gemeinsame Scheidungsbegehren und die einvernehmlich geregelten Scheidungsfolgen beurteilen. Die Rechtsprechung wird die Wirkungen dieser Genehmigung noch bestimmen müssen. Nach heutiger Ansicht sind die Ehegatten nach der einzelrichterlichen Genehmigung des Scheidungsantrages und der einvernehmlich geregelten Scheidungsfolgen an diese gebunden und auch die für die Beurteilung der streitigen Scheidungsfolgen zuständige Fünferkammer kann auf diese Punkte nicht mehr zurückkommen (unter Vorbehalt der Anfechtung wegen Willensmängeln). Zur Abgrenzung zwischen einzelrichterlicher Zuständigkeit und derjenigen der Fünferkammer vgl. die Erläuterungen zu § 6.


Die Massnahmen für die Dauer des Scheidungsprozesses sind wie bis anhin durch das Bezirksgerichtspräsidium anzuordnen. Hier wird wiederum bewährtes Recht übernommen (§ 2 Abs. 1 EG ZGB).


Entsprechend der heutigen Regelung im Eheschutzrecht (Art. 177 ZGB) und im Kindesrecht (Art. 291 ZGB) wird das Bezirksgerichtspräsidium für die Anweisung an die Schuldner und die Anordnung der Sicherstellung von Unterhaltsbeiträgen (Art. 132 rev. ZGB) eingesetzt (§ 2 Abs. 1 EG ZGB).


Die Notwendigkeit der Anordnung der Vertretung der Kinder (Art. 146 rev. ZGB) kann am besten vom Bezirksgerichtspräsidium beurteilt werden. Diesem wird daher diese Aufgabe zugewiesen. Zu beachten ist, dass die Ernennung des Beistands des Kindes durch die zuständige Vormundschaftsbehörde zu erfolgen hat. Es ergibt sich daher bezüglich der Anfechtung entsprechender Anordnungen eine Aufteilung der Zuständigkeiten. Während die Anordnung oder Nichtanordnung als solche mittels Beschwerde an das Obergericht zu rügen ist (vgl. § 15 Abs. 1), finden für die Ernennung des Vertreters oder der Vertreterin die vormundschaftsrechtlichen Bestimmungen über die Ernennung des Vormunds entsprechende Anwendung. Die Ernennungsverfügung kann nach Artikel 388 ZGB angefochten werden.


Um eine allzugrosse Belastung der anzuhörenden Kinder zu vermeiden, sollen diese nur einer Person gegenübergestellt werden. Dafür sind die Bezirksgerichtspräsidien vorgesehen, die einerseits im Verfahren auf Scheidung auf gemeinsames Begehren ohnehin zuständig sind und im Verfahren auf Scheidung auf Klage instruktionsgerichtliche Funktion ausüben und damit in jedem Fall mit der Sache befasst sind. Die Anhörung der Kinder kann auch an eine geeignete Drittperson delegiert werden. Im Vernehmlassungsverfahren wurde gefordert, dass die Anhörung der Kinder nicht nur durch das Bezirksgerichtspräsidium, sondern auch durch ein anderes Mitglied des Gerichts erfolgen kann (nebenamtliche Richter und Richterinnen; SVP; DJS). Soweit die Kinderbelange unter den Ehegatten unbestritten sind, erfolgt deren Überprüfung durch das Bezirksgerichtspräsidium. Somit ist es auch angezeigt, in diesen Fällen das Bezirksgerichtspräsidium als urteilende Instanz die Anhörung durchführen zu lassen. Für die (wenigen) Fälle, in denen die Kinderbelange umstritten sind, erscheint die Aufnahme dieser Forderung entbehrlich. Zur Instruktion dieser Fälle gehört auch die Abklärung, wie die Anhörung der Kinder zu erfolgen hat. Das Bezirksgerichtspräsidium kann diese selbst vornehmen oder sie delegieren. Die gewählte Formulierung lässt auch eine Delegation an ein Mitglied des urteilenden Gerichts zu. Gefordert wurde auch, dass eine Verpflichtung zur Ausbildung der anhörenden Personen aufgenommen wird (SP; Fachstelle für Gleichstellung; Frauenrat; DJS) bzw. dass diese eine entsprechende fachliche Qualifikation aufweisen müssen (Obergericht). Diese Forderungen sind nicht in diesem Dekret zu regeln. Vorerst ist abzuwarten, wie sich die Gerichtspraxis in diesem Gebiet entwickelt. Bei der Überführung des Dekrets in die ordentliche Gesetzgebung kann auf diese Forderungen nochmals zurückgekommen werden. Es scheint jedoch klar zu sein, dass bei der Delegation der Anhörung an eine Drittperson deren Eignung, wozu selbstredend auch die notwendige Qualifikation gehört, überprüft wird. Schon heute werden mit der Abklärung der Kinderbelange nur geschulte Personen eingesetzt.




§ 6


Mit der Revision der ZPO von 1995 wurde für alle Streitigkeiten aus dem ZGB eine einheitliche Zuständigkeit der Dreierkammer der Bezirksgerichte festgelegt (§ 1 EG ZGB). Als einzige Ausnahme wurde die Zuständigkeit der Fünferkammer für streitige Ehescheidungen belassen. Damit wurde der Forderung der Strukturanalyse Gerichte von 1993, "schlankere" Urteilskörper vorzusehen, nachgekommen. Bezüglich der Ausnahmebestimmung für streitige Scheidungen wurde bei der Ausarbeitung der Strukturanalyse darauf hingewiesen, dass diese Frage bei der Umsetzung des revidierten Scheidungsrechts nochmals geprüft werden müsse. Die ursprünglich vorgeschlagene Anpassung der Zuständigkeiten (Dreierkammer auch für streitige Ehescheidungen) hat im Vernehmlassungsverfahren die meisten Reaktionen hervorgerufen (nebenamtliche Richter und Richterinnen, BLRV, SP, SVP und DJS sprechen sich dagegen aus; FDP begrüsst sie; Obergericht hält fest, dass die Bezirksgerichtspräsidien mit der einen oder anderen Zuständigkeit leben können). Insbesondere aufgrund der geäusserten rechtsstaatlichen Bedenken gegen die Anpassung wird daher darauf verzichtet. Die Frage ist im Zusammenhang mit der Überführung des Dekrets in die ordentliche Gesetzgebung entsprechend der Strukturanalyse Gerichte von 1993 nochmals zu diskutieren.


Die Fünferkammer ist auch zuständig für die Beurteilung der streitigen Scheidungsfolgen bei der Scheidung auf gemeinsames Begehren mit Teileinigung. In diesen Fällen wechselt das Verfahren nach der Genehmigung des Scheidungsbegehrens und der einvernehmlich geregelten Scheidungsfolgen durch das Bezirksgerichtspräsidium von der quasi freiwilligen Gerichtsbarkeit zu einem kontradiktorischen. Die Fünferkammer hat dann nur noch über die streitigen Scheidungsfolgen zu befinden. Nach deren Beurteilung hat die Fünferkammer jedoch das Scheidungsurteil unter Einschluss des Scheidungspunktes und der einvernehmlich geregelten Scheidungsfolgen zu erlassen (Grundsatz der Einheit des Scheidungsurteils). Diese Zweiteilung der Zuständigkeiten ist im Vernehmlassungsverfahren kritisiert worden (nebenamtliche Richter und Richterinnen; BLRV; SVP; DJS; Advokatenkammer BS). Zu beachten ist allerdings, dass diese Zweiteilung weitgehend durch die bundesrechtlich vorgesehene Scheidung auf gemeinsames Begehren mit Teileinigung (Art. 112 rev. ZGB) vorgegeben ist. An der vorgeschlagenen Regelung wird daher festgehalten. Zur Illustration kann auf die Vernehmlassung des Obergerichts verwiesen werden, in der die durch Art. 112 rev. ZGB geschaffene Problematik beschrieben wird:


Vernehmlassung des Obergerichts vom 27. Juli 1999, S. 4 ff.:


" Die Kompetenzregelung, nach der das Präsidium für die Beurteilung der Scheidung und Trennung auf gemeinsames Begehren und der Scheidungsvereinbarung bei umfassender Einigung zuständig ist, ist unbestritten. Die oben aufgeführten nebenamtlichen Richterinnen und Richter schlagen aber für die Teileinigung vor, dass die Kompetenz für die gesamte Scheidung an die Kammer des Bezirksgerichts gewiesen wird, auch für die Punkte, über die sich die Parteien geeinigt haben. Mit Blick auf das im Falle der Teileinigung in Art. 112 rev. ZGB vorgesehene zweistufige Verfahren erscheint dieser Vorschlag nicht als sinnvoll.


Art. 112 rev. ZGB schreibt vor, dass das Gericht die Ehegatten wie bei der umfassenden Einigung zum Scheidungsbegehren, zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich geeinigt haben, sowie zur Erklärung, dass die übrigen Folgen gerichtlich zu beurteilen sind, anhört. Die zweimonatige Bedenkfrist für das gemeinsame Scheidungsbegehren und die Punkte, über die sich die Parteien geeinigt haben, läuft in der Regel ab diesem Zeitpunkt. Zu den Scheidungsfolgen, über die sie sich nicht einig sind, stellt jeder Ehegatte Anträge, über welche das Gericht im Scheidungsurteil entscheidet. Die umfassende Zuständigkeit der Kammer des Bezirksgerichts würde bedeuten, dass die Kammer die Ehegatten anhört und die Erklärung entgegennimmt. Danach würde die zweimonatige Bedenkfrist zu laufen beginnen und die Kammer würde nach deren Ablauf die Scheidung aussprechen und die Vereinbarung genehmigen. Der Fall ginge dann zurück ans Präsidium zur Instruktion und danach wieder an die Kammer zur Hauptverhandlung. Ein sehr umständliches Verfahren, das keine Verbesserung der Qualität der Rechtsprechung mit sich bringt, zumal über die geeinigten Punkte in der Regel - wie bei anderen aussergerichtlichen Vereinbarungen - eine Genehmigung zu erwarten ist. Weiter ist in der Botschaft (a.a.O.) S. 89 festgehalten, dass erst nach der Bedenkfrist und einer allfälligen zweiten Anhörung das Beweisverfahren stattfindet, da erst in diesem Zeitpunkt das Verfahren von der freiwilligen in die streitige Gerichtsbarkeit wechselt.


Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Instruktionspersonal der Gerichte das im EG ZGB vorgeschlagene Verfahren mit der präsidialen Zuständigkeit bei Teileinigung für die geeinigten Punkte als sinnvoll und effizient betrachtet. Die Zuständigkeit der Kammer der Bezirksgerichte bei Teileinigung würde zu einem Mehraufwand führen, der durch keine Qualitätssteigerung gerechtfertigt wäre. Dies um so mehr, als in der Praxis die Parteien sich zu Beginn eines Scheidungsverfahrens nicht über alle Punkte einig sind und erst im Laufe des Verfahrens zu einer vollständigen Übereinkunft kommen. Wäre von Anfang an die Kammer zuständig, so fände in diesen Fällen ein Wechsel in der Zuständigkeit statt. Kurz gesagt, die primäre Zuständigkeit der Kammer bei Teileinigung führt wegen der bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften zu einem komplizierten, zeitlich und finanziell aufwendigen Verfahren (Richterlöhne würden in allen Fällen, in denen nicht von Anfang an eine vollständige Vereinbarung eingereicht wird, anfallen), das es zu vermeiden gilt."



Fortsetzung


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