1999-165_2.htm

Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 1999-165 vom 31. August 1999


Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung


Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen





II. Überblick über das neue Scheidungsrecht

1. Die Scheidungsgründe


Das neue Scheidungsrecht sieht noch drei Scheidungsgründe vor:


- die Scheidung auf gemeinsames Begehren (Art. 111 und 112 rev. ZGB)


- die Scheidung nach Getrenntleben (Art. 114 rev. ZGB)


- die Scheidung wegen Unzumutbarkeit (Art. 115 rev. ZGB)


Grundgedanke der Revision des Scheidungsrechts ist die Förderung der Verständigung der scheidungswilligen Ehegatten über die Scheidung selbst und über die Scheidungsfolgen. Über 90% aller Scheidungen werden schon heute gesamtschweizerisch gestützt auf eine von den Ehegatten (mit Hilfe ihrer Rechtsvertreter und/oder der Gerichte) erarbeiteten Scheidungskonvention ausgesprochen. Entsprechend sieht das revidierte ZGB als Hauptgrund die Scheidung auf gemeinsames Begehren vor. Voraussetzung ist dabei die Einigung der Ehegatten über die Scheidung selbst sowie eine vollständige oder auch eine teilweise Einigung über die Scheidungsfolgen. Das Gericht hat in diesen Fällen in einem formalisierten Verfahren nur zu prüfen, ob das Scheidungsbegehren und die Vereinbarung über die Scheidungsfolgen auf freiem Willen und reiflicher Überlegung beruhen. Im Falle der Teileinigung müssen sich die Ehegatten darüber erklären, dass das Gericht die streitigen Punkte entscheiden soll. Eine Prüfung, ob die Ehe tatsächlich zerrüttet ist, hat nicht mehr zu erfolgen. Wesentlich bei diesem Scheidungsgrund ist die Verständigung der Ehegatten, weshalb kein kontradiktorisches Verfahren zur Anwendung gelangt, sondern ein Verfahren ähnlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Lediglich die Beurteilung der streitigen Scheidungsfolgen muss wie bis anhin in einem kontradiktorischen Verfahren vorgenommen werden.


Sind die Voraussetzungen für die Scheidung auf gemeinsames Begehren nicht vorhanden, so muss auf Scheidung geklagt werden (Art. 113 rev. ZGB). Auch wenn sich die Ehegatten von Anfang an nicht auf eine Scheidung einigen können, bleibt nur die Klage. Eine Scheidung auf Klage ist zunächst nach vierjährigem Getrenntleben der Ehegatten möglich. Dabei muss die Scheidung ausgesprochen werden, wenn die Ehegatten bei Einreichung der Klage seit vier Jahren getrennt leben. In Ausnahmefällen kann auch vor Ablauf der vierjährigen Trennungszeit auf Scheidung geklagt werden, wenn dem klagenden Ehegatten die Fortsetzung der Ehe (nicht des Zusammenlebens!) aus schwerwiegenden Gründen nicht zugemutet werden kann und ihm diese Gründe nicht selber zuzurechnen sind.


Schon unter dem geltenden Recht nur marginale Bedeutung hat das Institut der Ehetrennung - nicht zu verwechseln mit dem Getrenntleben nach Art. 175 ZGB - , das aber auch im revidierten Recht weiterhin zur Verfügung gestellt wird (Art. 117 und 118 rev. ZGB). Die nachfolgenden Ausführungen gelten immer auch für die Ehetrennung.




2. Die Scheidungsfolgen


Das revidierte Scheidungsrecht sieht einige gewichtige Neuerungen im Bereich der Regelung der Scheidungsfolgen vor. Daneben ist auch schon bisher geltendes Recht übernommen worden. Die Scheidungsfolgen im Einzelnen:




2.1 Stellung geschiedener Ehegatten - Art. 119 rev. ZGB


Die Ehegatten behalten nach der Scheidung ihren mit der Heirat erworbenen Familiennamen. Innert eines Jahres kann gegenüber dem Zivilstandsamt aber erklärt werden, dass der angestammte oder der vor der Heirat geführte Namen wieder angenommen werden will. Keine Auswirkungen hat die Scheidung auf das Kantons- und Gemeindebürgerrecht.




2.2 Güterrecht - Art. 120 rev. ZGB


Wie schon bis anhin gelten für die güterrechtliche Auseinandersetzung die Bestimmungen über das Güterrecht (Art. 181 ff. ZGB). Geschiedene Ehegatten haben zueinander kein gesetzliches Erbrecht . Eine Neuerung besteht darin, dass nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens mittels Verfügung von Todes wegen (Testament und Erbvertrag) erbrechtliche Ansprüche begründet werden können. Vor der Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens begründete erbrechtliche Anordnungen entfalten wie bisher keine Wirkungen.




2.3 Wohnung der Familie - Art. 121 rev. ZGB


Neu kann das Gericht einem Ehegatten die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag für die bisherige Familienwohnung alleine übertragen. Voraussetzungen dafür sind, dass der berechtigte Ehegatte wegen der Kinder oder aus anderen wichtigen Gründen auf die Familienwohnung angewiesen ist und dem anderen Ehegatten die Übertragung billigerweise zugemutet werden kann.




2.4 Berufliche Vorsorge - Art. 122 - 124 rev. ZGB


Eine der grundlegendsten Neuerungen im Bereich der Scheidungsfolgen betrifft die berufliche Vorsorge. Während bisher die einem Ehegatten gegenüber der Vorsorgeeinrichtung zustehende Austrittsleistung nur in Anrechnung an Unterhaltsbeiträge aufgeteilt werden konnte, besteht neu grundsätzlich ein Anspruch auf die Hälfte der Austrittsleistung des anderen Ehegatten . Auf den Anspruch kann unter gewissen Voraussetzungen verzichtet werden und das Gericht kann die Teilung ebenfalls unter gewissen Umständen verweigern.




2.5 Nachehelicher Unterhalt - Art. 125 - 132 rev. ZGB


Mit der Scheidung entfällt das einvernehmliche Zusammenwirken der Ehegatten für die Bedürfnisse der Familie. Die sich aus dem Auseinandergehen der Ehegatten ergebenden Folgen müssen aufgefangen werden. Voraussetzung der Zusprechung nachehelichen Unterhalts ist nicht mehr die Schuldlosigkeit des berechtigten Ehegatten, sondern die Unzumutbarkeit, für den ihm gebührenden Unterhalt selbst aufzukommen. Der nacheheliche Unterhalt ist neu verschuldensunabhängig ausgestaltet. Das Gesetz zählt der heutigen Rechtsprechung folgend eine Reihe von Kriterien auf, die bei der Festsetzung des nachehelichen Unterhalts zu beachten sind. Unter Umständen kann das Gericht einen nachehelichen Unterhalt auch verweigern oder verkürzen. Nach wie vor möglich ist die gerichtliche Abänderung des nachehelichen Unterhalts, wobei neu innert fünf Jahren seit dem Urteil und bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen auch eine Erhöhung der Rente zulässig ist. Neu sieht das Gesetz sodann ausdrücklich die Möglichkeit vor, den Unterhaltsanspruch wegen veränderter Verhältnisse für eine bestimmte Zeit zu sistieren. Der nacheheliche Unterhalt endet mit dem Tod der berechtigten oder der verpflichteten Person. Auch die Wiederverheiratung führt - eine abweichende Regelung vorbehalten - zum Untergang des nachehelichen Unterhalts.


Eine Neuerung ist die Vollstreckungshilfe bei Nichterfüllung der Unterhaltspflicht. Der berechtigten Person ist bei der Vollstreckung Hilfe zu gewähren. Zudem können Schuldner (i.d.R. Arbeitgeber) der verpflichteten Person angewiesen werden, Zahlungen direkt an die unterhaltsberechtigte Person zu leisten und kann die Sicherstellung künftiger Unterhaltsbeiträge verlangt werden.




2.6 Kinder - Art. 133 - 134 rev. ZGB


Für die Gestaltung der Elternrechte können die Ehegatten nach wie vor nur ihre (gemeinsamen oder entgegengesetzten) Anträge einreichen, an die das Gericht nicht gebunden ist. Das Gericht hat die Verhältnisse der Kinder von Amtes wegen zu überprüfen und die dem Kindeswohl am besten gerecht werdende Anordnung zu treffen. Auf einen gemeinsamen Antrag der Eltern und auf die Meinung des Kindes ist Rücksicht zu nehmen. Grundsätzlich sind die Kinder persönlich anzuhören (Art. 144 Abs. 2 rev. ZGB). Am Grundsatz, bei der Scheidung die elterliche Sorge einem Elternteil allein zuzuteilen, ist festgehalten worden. Neu kann aber bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auf Antrag der Eltern die elterliche Sorge beiden Eltern belassen werden.



Fortsetzung


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