1999-165 (1)
Landrat / Parlament || Bericht vom 13. Oktober zur Vorlage 1999-165
Bericht der Justiz- und Polizeikommission an den Landrat
Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
Dekret zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung (Entwurf)
I. Organisation der Kommissionsarbeit
Die Vorlage wurde von der Justiz- und Polizeikommission (JPK) anlässlich der Sitzung vom 20. September 1999 behandelt. Die Beratungen wurden begleitet von Regierungsrat Andreas Koellreuter, Stephan Mathis, Direktionssekretär JuPoMi, Franziska Vogel Mansour, Leiterin der Zivilrechtsabteilung 1 und Dr. Marcel Leuenberger, Bezirksgerichtspräsident Arlesheim.
II. Ausgangslage
Das Familienrecht stellt weitgehend Bundesrecht dar und ist im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) geregelt. Dazu gehört auch das Ehescheidungsrecht, welches in einem jahrelangen Prozess überarbeitet wurde. Die Revision wurde von der Bundesversammlung am 26. Juni 1998 verabschiedet. Das Referendum kam nicht zustande. Die Revision tritt per 1. Januar 2000 in Kraft.
Mit dem revidierten Scheidungsrecht wird zu einem grossen Teil die vom heute geltenden Gesetz abweichende Gerichtspraxis in das Gesetz übernommen. Es gibt aber auch einige materielle Neuerungen, wie die Ermöglichung des gemeinsamen Sorgerechts unter bestimmten Bedingungen, gegenseitige Ansprüche der Ehegatten auf Guthaben gegenüber Einrichtungen der beruflichen Vorsorge usw. Zudem werden die Scheidungsgründe neu festgelegt und es besteht neu die Möglichkeit, vom Gericht auf gemeinsames Begehren (und nicht mehr ausschliesslich aufgrund einer Klage) geschieden zu werden. Gerade beim letzt erwähnten Punkt enthält das Bundesrecht weitgehende Bestimmungen über das Verfahren, welche gemäss grundsätzlicher Kompetenzregelung sonst Sache des kantonalen Gesetzgebers wäre. Dieser muss deshalb seine bisherigen Verfahrensvorschriften dem neuen Bundesrecht anpassen und gleichzeitig die Zuständigkeiten der einzelnen Behörden für vom Bundesrecht vorgesehene Massnahmen festlegen. Dies geschieht im Rahmen des vorliegenden Dekretentwurfs.
III. Eintretensdebatte
Die neuen bundesrechtlichen Vorgaben betreffend Scheidungsverfahren, insbesondere die notwendige mehrfache Anhörung der scheidungswilligen Ehegatten, vereiteln die sehr liberale basellandschaftliche Gerichtspraxis zum heutigen Scheidungsrecht. Die Gerichte werden gezwungen sein, sich in einem aufwändigeren Verfahren als bisher mit den Modalitäten der Scheidungen zu befassen und die Autonomie der Ehegatten im Scheidungsverfahren wird gegenüber heute ein Stück weit zurückgedrängt werden.
Die JPK begrüsst es, dass die durch die Revision des Scheidungsrechts notwendigen Anpassungen des kantonalen Rechts zunächst in Dekretsform erlassen werden. Auf diese Weise können nach Inkrafttreten erste Erfahrungen gesammelt werden. Die JPK nimmt zur Kenntnis, dass nach einer Übergangszeit von zwei bis drei Jahren das Dekret im Rahmen der laufenden Revision des Einführungsgesetzes zum ZBG betreffend Vormundschaftsrecht abgelöst werden soll und die Bestimmungen auf Gesetzesstufe überführt werden.
Eingehend diskutiert werden sodann praktische Fragen der Rechtsanwendung wie die Schnittstelle zwischen Gerichtsbehörden einerseits und Vormundschaftsbehörden andererseits. Auch hier soll während der Übergangszeit beobachtet werden, wie die Vormundschaftsbehörden die ihnen neu zugewiesenen Aufgaben lösen und inwieweit sie dabei vom Kanton unterstützt werden können. Zudem wird vorausgesetzt, dass die Gerichtspräsidenten sich auf ihre neue Aufgabe, von einer Scheidung betroffene Kinder in der Regel anzuhören, angemessen vorbereiten.
Grundsätzliche Kritik wird zwar teilweise am Scheidungsrecht des Bundes, nicht aber am Dekretsentwurf geübt. Deshalb ist Eintreten unbestritten. Ein Antrag, die Vorlage an den Regierungsrat zurückzuweisen und eine Standesinitiative zur Abänderung des Scheidungsrechts einzureichen, bleibt mit 1:12 Stimmen chancenlos.
IV. Detailberatung
1. § 6 Dreierkammer oder Fünferkammer für die Beurteilung streitiger Scheidungen?
Diese Frage bildete bereits im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens Gegenstand von Kontroversen. Gegen eine Verlagerung der Zuständigkeit von der Fünferkammer, wie sie heute gesetzlich vorgesehen ist, zur Dreierkammer im Rahmen des vorliegenden Dekrets wurden hauptsächlich rechtliche Bedenken vorgebracht. Es sei unzulässig, auf der Stufe des Dekrets bestehende gesetzliche Zuständigkeiten abzuändern. Eine klare Mehrheit der Kommission erachtet jedoch Art. 52 Abs. 2 Schlusstitel des ZGB und § 13 bis Gerichtsverfassungsgesetz, wonach der Landrat ermächtigt wird, in Vollziehung neuer Gesetze des Bundes die zuständige richterliche Behörde des Kantons zu bezeichnen und das Verfahren zu regeln, als ausreichende Rechtsgrundlage dafür, auf der Stufe des Dekrets von der Zuständigkeit der Fünferkammer zur Zuständigkeit der Dreierkammer zu wechseln. Damit könne das Verfahren vereinfacht werden und zudem sei es generell wünschbar, dass sich die Parteien eines Ehescheidungsverfahrens einem möglichst kleinen Spruchkörper gegenüber sähen. Ein entsprechender Antrag wird mit 10:3 Stimmen angenommen.
2. § 13 Verzicht auf die sogenannte Eventualmaxime (Konzentrationsmaxime) im Scheidungsverfahren?
Im Unterschied zu vielen anderen Kantonen, aber ähnlich wie im Kanton Basel-Stadt, gilt im Kanton Basel-Landschaft der Grundsatz (Eventualmaxime), dass alle bekannten Tatsachen, auf die man sich in einem Gerichtsverfahren berufen will und alle Anträge, die man stellen will, bereits am Anfang des Verfahrens bekannt gegeben werden müssen. Das hat für das Verfahren den Vorteil, dass das gesamte Streitthema zu einem frühen Zeitpunkt allen Beteiligten bekannt ist. Der regierungsrätliche Entwurf sah vor, diesen Grundsatz für das Scheidungsverfahren aufzugeben. Er ist damit deutlich über die bundesrechtliche Vorgabe, wonach im zweitinstanzlichen Verfahren neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden können, hinausgegangen. Die JPK hat diesen über die Vorgaben des Bundesrechts hinausgehenden Systemwechsel einstimmig abgelehnt.
V. Antrag
Die JPK beantragt dem Landrat mit 11:1 Stimmen, gemäss beiliegendem Entwurf eines Dekrets zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch über Ehe- und Partnerschaftsvermittlung, Eheungültigkeit, Ehescheidung und Ehetrennung zu beschliessen.
Lausen, den 13.10.1999
Im Namen der Justiz- und Polizeikommission
Der Präsident: Dr. Dieter Völlmin