1999-162 (1)
Landrat / Parlament || Bericht vom 1. Februar 2000 zur Vorlage 1999-162
Bericht der Erziehungs- und Kulturkommission an den Landrat
"Verpflichtungskredit für die Durchführung eines befristeten Sportklassenversuchs"
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
1. Die Vorlage im Überblick
Für junge Menschen mit einer ausgesprochen sportlichen Begabung ist es oft nicht einfach, Sport und Schule unter einen Hut zu bringen. Vor allem ist dies dann der Fall, wenn sich mit dieser Begabung auch grosse sportliche Ambitionen verbinden. Wer seine Begabungen in Richtung Leistungssport nützen will, muss die Balance zwischen Sport, Schule und Sozialleben (Familie, Freizeit, usw.) in irgendeiner Form finden. Der Trainingsaufwand ist gross und kann wegen der Verfügbarkeit der erforderlichen Sport-Infrastruktur sehr oft nur zu gewissen Zeiten erbracht werden. Die Gefahr ist vorhanden, dass wirklich Sportbegabte ihre Fähigkeiten nicht im gewünschten Mass entwickeln können, weil der Schule/Ausbildung Priorität eingeräumt wird, bzw. dass Schule/Ausbildung zugunsten der sportlichen Förderung vernachlässigt werden.
Am 14. Mai 1998 hat der Landrat die Motion 98/046 („Sportförderung durch unsere Schule") von Karl Rudin überwiesen. Das Anliegen des Vorstosses wurde unverzüglich einer Projektgruppe (Vorsitz Ernst Lehmann, Leiter Sportamt) zur Bearbeitung übertragen. Das Resultat der Überlegungen der Projektgruppe liegt nun in Form eines Kreditantrags für die Durchführung eines auf vier Jahre befristeten Sportklassenversuchs vor.
Vorgesehen ist, dass ab Sommer 2000 eine Sportklasse auf dem Niveau der Sekundarstufe I geführt wird. Die Sportklasse nimmt 12 bis maximal 16 bewegungs- und sportbegabte Schülerinnen und Schüler auf, und zwar unabhängig von Schulart und Klasse. In dieser Klasse haben also junge Menschen Platz, welche sowohl eine Realschule, die allgemeine Abteilung der Sekundarschule oder die progymnasiale Abteilung der Sekundarschule besuchen. Die Stundentafel sieht eine vierjährige Schulzeit vor. Angeboten werden wöchentlich maximal 25 Lektionen, sodass nebst dem notwendigen täglichen Training auch noch Zeit für Erholung und Freizeit bleibt. Die Sportklasse kann einer bestehenden Sekundarschule angegliedert und direkt einer Aufsichtskommission unterstellt werden; geprüft wird aber auch die Möglichkeit, ob allenfalls eine geeignete Privatschule mit der Führung einer Sportklasse beauftragt werden könnte, wobei die im vorgesehenen Konzept enthaltenen Rahmenbedingungen erfüllt sein müssten. Aufnahme in die Sportklasse können nur Schülerinnen und Schüler finden, die in ihrem Verband resp. in ihrem Verein Strukturen vorfinden, die es ihnen erlauben, tagsüber geführte Trainings durchzuführen.
Gemäss einer Erhebung bei den Schulen BL profitierten im September 1998 23 Jugendliche der Primar- und Sek. Stufe I und 49 der Sek. Stufe II von Individuallösungen. Die „Nachfrage" ist somit vorhanden.
Sportbegabte Kinder und Jugendliche, welche keine Aufnahme in die Sportklasse finden, können weiterhin von Individuallösungen profitieren. Der geplante vierjährige Sportklassenversuch verursacht Kosten in der Höhe von insgesamt 1,239 Mio. CHF.
Das Projekt ist mit Basel-Stadt abgestimmt; Basel-Stadt bietet ab Schuljahr 200/2001 auf der Sekundarstufe II ein entsprechendes Angebot an.
Da das gültige Schulgesetz keine genügende Grundlage für das direkte Führen einer Sportklasse bildet, wurde für die Durchführung dieses befristeten Sportklassenversuches der Weg über einen Verpflichtungskredit gewählt.
2. Die Beratung in der Kommission
Am 20. Januar 2000 hat die EKK die Vorlage in Anwesenheit von Regierungsrat Peter Schmid sowie den Herren Martin Leuenberger (Direktionssekretär), Ernst Lehmann (Leiter Sportamt BL) sowie Heinz Suter (Projektleiter Karriereplanung beim Schweizerischen Olympischen Verband) behandelt. Diskutiert und geklärt wurden folgende Aspekte:
2.1 Sonderlösung Sport?
Die Vorlage erweckt den Eindruck, für sportlich Begabte werde eine Sonderbehandlung anvisiert, während musisch oder anderweitig begabte Schülerinnen und Schüler leer ausgehen würden. Abgesehen davon, dass das neue Angebot der Sportklassen nicht flächendeckend und auf alle Sportarten ausgedehnt zur Anwendung kommt, wird bereits heute dem Bedürfnis von Kindern mit musischen oder anderen Begabungen durch Spezialregelungen Rechnung getragen. Dort, wo dies nicht ausreicht - durch entsprechende Abklärungen bestätigt - ist der Kanton auch bereit, den Besuch einer geeigneten Privatschule durch einen Beitrag von jährlich CHF 16'000.- zu unterstützen. Unter anderem wird auch auf die Chancengleichheit verwiesen, welche im Bereich Sport bis anhin nicht im gewünschten Mass vorhanden war.
2.2 Die Frage der Durchlässigkeit
Es gibt verschiedene Gründe, u.a. auch gesundheitliche, welche eine Fortsetzung der sportlichen Karriere unmöglich machen. Gegenüber der Kommission wird bestätigt, dass in diesen Fällen die Rückkehr resp. der Übertritt in eine Normalklasse der entsprechenden Stufe - mit entsprechender psychologischer Begleitung - vorgesehen und möglich ist. Damit diese Durchlässigkeit gewährleistet ist, werden die Lehr- und Lernziele in der Sportklasse grundsätzlich gleich sein wie in den entsprechenden normalen Schulen der Sekundarstufe I.
2.3 Minimierung gesundheitlicher Risiken
Die Problematik des Spitzensports mit seinen nicht nur positiven Ausprägungen wird bereits in der Vorlage angesprochen. Präventions- und Aufklärungsmassnahmen im Zusammenhang mit medizinischer Betreuung sowie Fragen des Dopings wurden als Pflichtinhalt des Unterrichts definiert. Dass derartige Probleme trotzdem auftreten können, wird von keiner Seite bestritten. Im Rahmen einer eigentlichen Sportklasse ist es jedoch eher möglich, dieser Thematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.
2.4 Aufnahmekriterien
In die Sportklasse aufgenommen werden junge Menschen, welche bereits ein gewisses sportliches Niveau erreicht haben. Damit die Betreuung sichergestellt ist, müssen sie einem regionalen Kader angehören und die Begleitung im Training hat durch anerkannte Trainer zu erfolgen. Zudem müssen auch die schulischen Kriterien für die Sekundarstufe I erfüllt sein. Gemäss Vorlage sind für folgende Sportarten die erforderlichen Verbandsstrukturen bereits vorhanden: Kunstturnen, Tennis, Schwimmen und Fussball. Weitere Verbände sind daran, die erforderlichen Strukturen zu schaffen. Zu gegebener Zeit ist eine erneute Bestandesaufnahme durch das Sportamt vorgesehen.
2.5 Anteil der Geschlechter
Ohne eine Quotenregelung zu verlangen, wird das Anliegen artikuliert, bei der Auswahl der Sportarten, für welche eine separate Klasse in Frage kommt, eine möglichst gute Durchmischung anzustreben. Die Sportarten, welche im Vordergrund stehen (Kunstturnen, Schwimmen, Tennis oder auch Judo) sind an sich bereits sehr offen für beide Geschlechter. Allerdings lässt sich nicht verhindern, dass die Nachfrage seitens Schülern höher sein kann als die von Schülerinnen.
2.6 Kosten
Die finanziellen Aufwendungen für die Durchführung eines Sportklassenversuchs werden fast ausschliesslich durch das erforderliche Lehrpersonal verursacht. Vorgesehen sind zwei Vollpensen sowie der Beizug weiterer Lehrkräfte für individuelle Stütz- und Fördermassnahmen. Den Kosten von jährlich CHF 306'000.- stehen kaum Kompensationen gegenüber, da die 12 bis 16 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Schulklassen kommen werden. Was hingegen im Einzelfall entfallen kann, ist der Beitrag des Kantons an den Besuch einer geeigneten Privatschule.
3. Gesamtwürdigung der Vorlage
Dass der Sport - sei es nun Breiten- oder Leistungssport - in der Gesellschaft eine wichtige Stellung einnimmt und entsprechend auch eine Förderung und Unterstützung durch die öffentliche Hand benötigt, ist unbestritten. Man ist sich bewusst, dass es für die Befindlichkeit einer Nation nicht unwichtig ist, dass ein Land auch über Leistungssportler verfügt, welche Spitzenresultate erreichen, an denen man sich freuen kann. Derartige Resultate sind immer wieder Ansporn und Ausgangspunkt für junge Menschen, sich ganz besonders für ein Leistungsziel einzusetzen. Dieser Wille zur Leistung ist überdies für die berufliche und gesellschaftliche Entwicklung nicht unbedeutend. Nicht einheitlich beurteilt wird der gewählte Lösungsansatz; eine Minderheit zieht die Förderung sportlich Begabter mit der bereits bekannten und auch praktizierten finanziellen Unterstützung von CHF 16'000.- vor.
4. Antrag der Kommission
Die Kommission beantragt dem Landrat mit 8 zu 3 Stimmen, dem Verpflichtungskredit für die Durchführung eines befristeten Sportklassenversuchs zuzustimmen.
Pfeffingen, den 1. Februar 2000
Im Namen der Erziehungs- und Kulturkommission
Der Präsident: Eugen Tanner