Vorlage 1999-027: Massnahmenpaket zum Schutz von Augusta Raurica
Landrat / Parlament || Inhalt der Vorlage 1999-027 vom 9. Februar 1999
Massnahmenpaket zum Schutz von Augusta Raurica mit Änderungen des Regionalen Detailplanes „Augusta Raurica" (Kant. Nutzungsplan) und Krediterteilung für Landerwerb
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
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4 DAS MASSNAHMENPAKET „OBERMÜLI / PFÄFFERLÄDLI"
4.1 Grundsatzentscheid: preiswert kaufen und langfristig schützen statt teuer ausgraben und unwiederbringlich zerstören
Wie oben erwähnt, verfolgt der Kanton seit längerem den Grundsatz: „Kaufen und Schützen" statt „Graben und Zerstören". Der Regierungsrat war sich im Beschluss Nr. 1585 vom 4. August 1998 aber bewusst, dass mit der Abkehr von seinem Grabungsbeschluss vom 29. April 1997 (RRB Nr. 1086) für die Grundeigentümer des Areales „Obermüli/Pfäfferlädli" eine völlig neue Situation entsteht und dass diese mit der Verhängung einer Planungszone und dem Entschluss, das Land aus Gründen des langfristigen Kulturgüterschutzes zu kaufen, die Bau- und Nutzungsabsichten der Grundeigentümer verunmöglicht werden. Diese einschneidenden Massnahmen sind auf eine wissenschaftliche und kulturpolitische Neubeurteilung der Situation des Areales „Obermüli/Pfäfferlädli" und auf eine Abwägung divergierender privatwirtschaftlicher, finanzieller und kulturpolitischer Interessen zurückzuführen:
Kaufen und schützen | Ausgraben und zerstören |
Einmalige Kosten in Höhe von 6 Mio. Fr. | Über mindestens 3 Jahre Vollkosten von insgesamt über 20 Mio Fr. |
Der Personalbestand der Hauptabteilung Römerstadt Augusta Raurica bleibt im bisherigen Umfang | Für mindestens 4-5 Jahre Aufblähung des personellen und instrumentellen Apparates der Römerstadt |
Keine Folgen bezüglich Personalrekrutierung und -administration | Problem der Rekrutierung von Fachpersonal, besonders für zeitlich befristete Einsätze |
Keine Folgekosten für befristete zusätzliche Infrastruktur | Grosse Investitionen und Mietkosten für eine grosse zusätzliche Infrastruktur: EDV, Büro- und Materialcontainer usw. |
Keine Folgekosten für zusätzliche Fundinventarisierung und Fundkonservierung | Mehrjährige Folgekosten für zusätzliche Fundinventarisierung und Fundkonservierung in grossem Umfang (mehrere 100'000 Fundgegenstände) |
Keine Folgekosten „auf ewig" für zusätzliche Funddepots | Permanente Folgekosten durch Zumietung von archivtauglichen Lagerräumen für Funde und Dokumentation |
Geringfügige Einkünfte durch Verpachtung für extensive Landwirtschaft | Für mehrere Jahre: Bereitstellen von Geldern zur Auswertung und Publikation oder Belastung des regulären Budgets mit solchen Ausgaben |
Der Schutz der im Boden belassenen Befunde und Fundgegenstände ist langfristig gewährleistet, ohne Kosten zu verursachen | Allenfalls notwendiger Teilkauf, wenn Monumente von nationaler Bedeutung gefunden werden sollten, gefolgt von grossen Konservierungskosten |
4.2 Beurteilung und Massnahmen zur Kulturgütererhaltung
Aus der Sicht der Kulturgütererhaltung kommt für eine international so bedeutende archäologische Stätte eigentlich nur ein konsequenter Schutz, d. h. ein Bewahren der antiken Reste im gut konservierenden Boden für spätere Generationen, in Frage.
Durch den mit der Planungszone und der Überführung in die Archäologische Schutzzone garantierten Schutz des archäologisch wertvollen Areales vor kurzfristiger Überbauuung und Zerstörung wird - auch im übertragenen Sinne - nichts verbaut und ein zukunftsorientierter Entscheid gefällt: Eine breite Palette künftiger wissenschaftlicher Untersuchungen, denkmalpflegerischer Massnahmen und populärer Nutzungen und Erschliessungen in baldiger und ferner Zukunft sind gewährleistet. Zu denken wäre etwa
- an eine vertiefte, zerstörungsfreie Prospektion mit darauf abgestimmter Markierung römischer Quartierstrukturen in Form eines didaktischen Parks (z. B. ähnlich wie die 1:1 markierte Tempelfassade auf dem Augster Forum),
- ein grosser und für die ganze Regio attraktiver „römischer" Kinderspielplatz für Ausflügler mit Familien
- oder die Möglichkeit späterer Lehrgrabungen zusammen mit Universitätsinstituten zur studentischen Ausbildung.
4.3 Planungs- und bodenrechtliche Massnahmen
Das archäologisch schützenswerte Areal „Obermüli/Pfäfferlädli" in Augst (Parzelle Nr. 166 und Teil von Parz. Nr. 168) befindet sich gemäss kommunalem Zonenplan Siedlung in der Wohnzone W2. Im Regionalen Detailplan „Augusta Raurica" ist das Gebiet nicht erfasst. Deshalb ist ein ausreichender langfristiger Schutz erhaltenswerter archäologischer Objekte auf diesem Areal nicht gewährleistet.
Aus planungsrechtlichen Gründen hat daher der Regierungsrat im August 1998 als ersten Schritt zur längerfristigen Erhaltung des Areals eine Planungszone von max. 5 Jahren Dauer verhängt. Damit sollte bezweckt werden, dass die in der Zwischenzeit erforderlichen Massnahmen aus raumplanerischer bzw. bodenrechtlicher Sicht - wie nachfolgend angeführt - getroffen werden können.
4.3.1 Vom Regierungsrat erlassene Planungszone
Wie oben erwähnt, hat der Regierungsrat am 4. August 1998 mit Beschluss Nr. 1585 eine maximal fünf Jahre gültige Planungszone über das Areal „Obermüli/Pfäfferlädli" verhängt. Innerhalb dieser Planungszone darf nichts unternommen werden, was die Zielsetzungen betreffend einer langfristigen Erhaltung der Römerstadt Augusta Raurica als Objekt von nationaler Bedeutung erschweren könnte. Die Bau- und Umweltschutzdirektion wurde angewiesen, den Regionalen Detailplan „Augusta Raurica" (RRB Nr. 2903 vom 13. September 1988) im Sinne der Zielsetzungen des RRB in Zusammenarbeit mit der Erziehungs- und Kulturdirektion und der Gemeinde Augst anzupassen (Kantonaler Nutzungsplan gemäss § 12 RBG vom 8. Januar 1998).
Der Regierungsrat stützte sich dabei auf folgende raumplanerische Überlegungen:
Nach Artikel 27 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) vom 22. Juni 1979 können für genau bezeichnete Gebiete durch die zuständige Behörde für längstens 5 Jahre Planungszonen bestimmt werden, wenn Nutzungspläne - und darunter fallen auch Zonenpläne bzw. regionale Detailpläne - angepasst werden müssen oder wenn noch keine solchen vorhanden sind. Innerhalb der Planungszonen darf nichts unternommen werden, was die Nutzungsplanung erschweren könnte.
Solange das kantonale Recht keine anderen Behörden bezeichnet - was im Kanton Basel-Landschaft zutrifft - sind gemäss Artikel 36, Absatz 2 RPG die Kantonsregierungen ermächtigt, vorläufige Regelungen zu treffen und insbesondere Planungszonen zu bestimmen.
Weil im vorliegenden Fall die Planungszone auf Antrag der Bau- und Umweltschutzdirektion bestimmt wird, war es naheliegend, dass diese das Verfahren durchgeführt hat.
4.3.2 Kauf der beiden Parzellen durch den Kanton, Kosten
Bei den im Gebiet „Obermüli/Pfäfferlädli" in der Gemeinde Augst mit einer Planungszone belegten Grundstücke handelt es sich um unerschlossenes Bauland, welches sich in folgendem Eigentum befindet:
· Parzelle 166, GB Augst, haltend 76 a 17 m 2 , Eigentümerin: Ehinger Familienstiftung Pfäfferlädli (ganze Parzellenfläche innerhalb der Planungszone gelegen).
· Parzelle 168, GB Augst, haltend 80 a 77 m 2 , Eigentümerin: Erbengemeinschaft Gessler (hievon ca. 3120 m 2 innerhalb der Planungszone gelegen)
Die nunmehr innerhalb der Planungszone befindliche Parzelle 166 und eine Teilfläche der Parzelle 168 waren während vieler Jahre der Zone für öffentliche Werke und Anlagen für künftige Aufgaben der Einwohnergemeinde Augst zugewiesen.
Nach Überprüfung der Bedürfnisse der öffentlichen Hand ist der Gemeinderat Augst seinerzeit zum Schluss gelangt, auf Teile des im Flurgebiet „Pfäfferlädli" gelegenen, der OeW-Zone zugewiesenen Areals künftig verzichten zu können. Er hat deshalb der Gemeindeversammlung von Augst beantragt, die Parzelle 166 und eine Teilfläche der Parzelle 168 aus der OeW-Zone zu entlassen und der Wohnzone W2 mit Quartierplanpflicht zuzuteilen. Opposition gegen dieses Vorhaben ist weder innerhalb der Gemeinde Augst noch auf der Ebene des Kantons angemeldet worden, obwohl man hat davon ausgehen müssen, dass die Grundeigentümer ihre Grundstücke nach der Umzonung zonenkonform würden überbauen wollen. Der Regierungsrat hat darum dem Antrag des Gemeinderates von Augst entsprochen und der Umzonung am 17. November 1992 zugestimmt.
Die Grundeigentümerin der Parzelle 166 hat mit Brief ihres Vertreters vom 5. Dezember 1992 - also 3 Wochen nach Eintritt der Rechtskraft der Umzonung - der Erziehungs- und Kulturdirektion eröffnet, dass sie beabsichtige, ihr Grundstück zu überbauen. Aus diesem Grund hat sie die EKD ersucht, ihr Vorschläge über das Zeitprogramm einer Ergrabung zu unterbreiten, falls man beabsichtige, die vermuteten römischen Ruinen auf dem Grundstück zu untersuchen.
Aufgrund des offenbar hohen archäologischen Stellenwertes der Parzellen 166 und 168, beide GB Augst, hat der Regierungsrat die Erziehungs- und Kulturdirektion mit Beschluss Nr. 2983 am 30. November 1993 beauftragt, dem Regierungsrat eine Vorlage an den Landrat zu unterbreiten, in welcher u. a. zur Sicherung der Parzelle 166 ein entsprechender Landerwerbskredit zu bewilligen sei. Am 29. März 1994 ist der Regierungsrat auf den erwähnten Beschluss zurückgekommen und hat die Bau- und Umweltschutzdirektion beauftragt, das Geschäft aus rechtlicher Sicht zu überprüfen und die Erziehungs- und Kulturdirektion darüber ins Bild zu setzen. Die durch die Rechtsabteilung der Bau- und Umweltschutzdirektion gewonnenen Erkenntnisse wurden dem Leiter des Amtes für Museen und Archäologie am 24. Juni gleichen Jahres mündlich eröffnet.
Alsdann hat der Regierungsrat mit Beschluss Nr. 2116 am 23. August 1994 die Bau- und Umweltschutzdirektion beauftragt, mit der Ehinger Familienstiftung Pfäfferlädli hinsichtlich der Parzelle 166 über einen Landabtausch zu verhandeln. Diese unverzüglich durch das Amt für Liegenschaftsverkehr aufgenommen Verhandlungen führten zu mehreren Abtauschvorschlägen an die Stiftung.
Darin waren Objekte verschiedenster Art über den ganzen Kanton verteilt enthalten. Am 24. November 1994 schliesslich erklärten die Vertreter der Stiftung die Verhandlungen als gescheitert, weil das von ihnen erwartete grosszügige Angebot im Ausmass von 150 % des Wertes der Parzelle „Pfäfferlädli" durch den Kanton ausgeblieben war. Im übrigen qualifizierte man die Angebote des Kantons als minderwertig.
Nach den gescheiterten Landabtauschverhandlungen mit dem Kanton, suchte die Stiftung nach Möglichkeiten, um aus ihrem Grundstück einen Ertrag zu realisieren und unterbreitete in diesem Zusammenhang ein Baurechtsangebot. Mit Beschluss Nr. 70 vom 3. Januar 1995 lehnte der Regierungsrat das Angebot aus präjudiziellen Erwägungen ab.
Es ist für den Kanton entschieden vorteilhafter, das der Planungszone zugewiesene Land zu erwerben, als Entschädigungen wegen mangelnder baulicher Verwertbarkeit im Sinne einer materiellen Enteignung zu bezahlen resp. ohne selbst den Anspruch auf das Eigentum zu erhalten.
Die Erwerbskosten basieren auf Schätzungen, da die Kaufverhandlungen des Amtes für Liegenschaftsverkehr bis zum November 1998 noch zu keiner Einigung mit den Grundeigentümern geführt haben. Die Parzelle 166 des Grundbuches Augst umfasst 7617 m 2 , die innerhalb der Planungszone gelegene Teilfläche von Parzelle 168 ca. 3120 m 2 . Bei der Ermittlung des Erwerbspreises für die insgesamt rund 10'737 m 2 messende Fläche bzw. des Kredites für die Vorlage mussten folgende Punkte berücksichtigt werden:
· Mutmassliche Landerwerbskosten (grösstenteils unerschlossenes Bauland)
· Parzelle 168 ist teilweise mit Wald bestockt
· Mögliche Mehraufwendungen im Falle der Ausdehnung der Enteignung auf die ganze Parzelle 168
· Sicherstellung von kleineren Objekten innerhalb des Zentrums der Römerstadt
· Anwaltskosten
· Anpassung und Nachführung der kantonalen und kommunalen Nutzungspläne (Ergänzungen bzw. Änderungen des Regionalen Detailplans „Augusta Raurica" sowie andere planerische und zeichnerische Arbeiten)
· Unvorgesehenes.
Zur Umsetzung des Massnahmenpaketes wird mit einem Kreditbedarf von 6 Mio. Franken gerechnet. Die Alternative wären - wie oben dargelegt (3.5) - archäologische Rettungsgrabungen von mehreren Jahren Dauer und Kosten rund 24 Mio. Franken.
4.3.3 Enteignung, falls die Kaufverhandlungen scheitern
Insoweit das für die Sicherstellung des Gebietes „Obermüli/Pfäfferlädli" Parzelle 166 und Teilfläche der Parzelle 168, GB Augst, erforderliche Land auf freihändiger Basis nicht erworben werden kann, soll der Landrat die Bau- und Umweltschutzdirektion ermächtigen, gestützt auf die § 2, 36 und 37 des Gesetzes über die Enteignung vom 19. Juni 1950, ein Enteignungsverfahren durchzuführen.
Es muss davon ausgegangen werden, dass die Eigentümer der Parzelle 168 einen Antrag auf die Ausdehnung der Enteignung auf die ganze Parzelle stellen.
4.3.4 Zuweisung in die „Archäologische Schutzzone" im Regionalen Detailplan (Kant. Nutzungsplan gemäss RBG)
Gestützt auf obige Bemerkungen sowie Ziffer 3 des erwähnten Regierungsratsbeschlusses zur Planungszone „Obermüli" vom 4.8.98 sind die Parzellen 166 + 168 (Teil) in den Regionalen Detailplan (bzw. den kant. Nutzungsplan) „Augusta Raurica" aufzunehmen und der „Archäologischen Schutzzone" zuzuweisen (zur Definition siehe 6.2).
Im Rahmen der Revision der kommunalen Siedlungsplanung ist das fragliche Areal im Gebiet „Obermüli/Pfäfferlädli" - mit Ausnahme der benachbarten Zonen für öffentliche Werke und Anlagen (Kirche, Friedhof, Naherholung etc.) - einer Wohnzone W2 zugeteilt worden. Infolge der Ergänzung des Regionalen Detailplans muss daher auch der kommunale Zonenplan Siedlung angepasst werden.