1999-27 (1)
Landrat / Parlament || Bericht vom 22. April 1999 zur Vorlage 1999-027
Bericht der Erziehungs- und Kulturkommission an den Landrat
Massnahmenpaket zum Schutz von Augusta Raurica mit Änderungen des Regionalen Detailplanes "Augusta Raurica" (Kant. Nutzungsplan) und Krediterteilung für Landerwerb
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
Landratsbeschluss (Entwurf)
Ausgangslage
Ziel dieser Vorlage ist es, Augusta Raurica, die besterhaltene römische Grosssiedlung nördlich der Alpen, auf lange Sicht so umfassend wie möglich vor Zerstörung zu sichern. Um dies zu ermöglichen, schlägt der Regierungsrat folgende Aktivitäten und Zonenplanänderungen vor:
a) Das Gebiet des römischen Quartiers „Obermüli / Pfäfferlädli" wird den jetzigen Grundeigentümern, die dort eine Siedlung mit mehreren Wohnblocks errichten wollten, abgekauft und in die Archäologische Schutzzone überführt. (S. 9 - 21)
b) Das Grundstück beim Violenried mit der unterirdischen Zisternenanlage wird ebenfalls Kantonseigentum, dafür erhält dieser Grundbesitzer eine gleich grosse Parzelle ganz in der Nähe, die er für seine Firma nutzen kann; gleichzeitig wird das die Zisterne enthaltende Gebiet Archäologische Schutzzone, wogegen die Nachbarparzelle in die Gewerbezone überführt wird. (S. 22 - 26)
c) Im kantonalen Nutzungsplan wird definiert, welche Bestimmungen in den Archäologischen Schutzzonen gelten. (S. 27 - 28)
Kommissionsberatung:
An ihrer Sitzung vom 18. März 1999 in Augst hat sich die Erziehungs- und Kulturkommission im Beisein von Regierungsrat Peter Schmid, Dr. Alex Furger, Leiter der Römerstadt Augusta Raurica und Hans Rudolf Tschopp, Dienststellenleiter des Amtes für Liegenschaftsverkehr, in die Problematik einführen lassen. Eine Besichtigung des Geländes Obermüli / Pfäfferlädli sowie ein Video, das uns in die neu entdeckte Zisterne führte, überzeugten alle Kommissionsmitglieder, dass diese Anlagen erhalten werden müssen. Ersteres enthält ein dicht bebautes, archäologisch wertvolles Quartier der alten Römerstadt, letzteres fand mit seiner Höhe von 4 m und einem Durchmesser von ebenfalls 4 m bei der Entdeckung im In- und Ausland grosse Beachtung und soll dem Publikum zugänglich gemacht werden.
Aus formellen Gründen wird Eintreten zuerst in Frage gestellt, da die Einheit der Materie bezweifelt wird. Wenn es sich auch um zwei unabhängige Gebiete handelt, so geht es in dieser Vorlage doch generell um Änderungen im regionalen Detailplan von Augst. Sobald der Landrat diese Vorlage abgeschlossen hat, können die Verhandlungen mit den Partnern unabhängig voneinander fortgeführt werden.
Die EKK tritt mit 10:0 Stimmen bei 0 Enthaltungen auf die Vorlage 1999-027 ein.
Obermüli / Pfäfferlädli
Das Gebiet Obermüli / Pfäfferlädli, heute freies Feld, befindet sich über dicht bebautem Gebiet der Römerstadt Augusta Raurica. Luftaufnahmen lassen Strassen und Mauern erkennen. Bei Bohrungen konnte bestätigt werden, dass sich in diesem Gebiet Überreste aus der Römerzeit mit einem Volumen von durchschnittlich 2,5 m Dicke befinden. Jetzt ist hier eine grosse Wohnüberbauung mit 36 Wohnungen geplant. Der Kanton hat im Prinzip die Wahl, ob im Gebiet Obermüli / Pfäfferlädli Notgrabungen (für rund 24 Mio. Franken und anschliessender, definitiver Zerstörung!) gemacht werden sollen, oder ob der Kanton dieses Gebet für 6 Mio. Franken kaufen soll. Bei einem allfälligen Kauf ist eine Umzonung in die „Archäologische Schutzzone" vorgesehen. Anfängliche Gespräche mit den Landbesitzern über einen Tausch oder Verkauf des Landes an den Kanton führten bis heute zu keinem Ergebnis, so dass es eventuell zu einer Enteignung durch den Kanton kommen wird.
Im Zusammenhang mit der Überlegung, ob da nicht endlos neue Landkaufvorlagen anstehen, erläutert uns Herr Furger, dass vor rund dreizehn Monaten ein Inventar aller unüberbauten Baulandgebiete in Augst erstellt wurde; daraus geht hervor, dass kein so grosses Stück Bauland wie das Pfäfferlädli mehr ansteht.
In Beachtung der grossen Besucherattraktivität der Römerstadt Augusta Raurica erkundigten wir uns über vorgesehene Parkplätze, Verpflegungsmöglichkeiten und so weiter. Alex Furger gibt bekannt, dass man sich dieses Problems bereits angenommen habe: beim Hochbauamt liege ein pfannenfertiges Projekt, die Baubewilligung sei erteilt und - ohne Einsprachen - kann ein Parkplatz mit weiteren 30 bis 40 Plätzen direkt vor dem Römerhaus gebaut werden. Zwar besitzt Augst ein grosses archäologisches Freilichtmuseum (halb so gross wie Ballenberg), aber hier sind die Sehenswürdigkeiten im Gelände verstreut. Die Erschliessung für das Publikum wird im Moment intensiv geplant.
Änderung des Regionalen Detailplans
Vor 1992 war das Areal Obermüli / Pfäfferlädli der OeW-Zone (öffentliche Werke und Anlagen) zugeteilt. Der Gemeinderat von Augst kam dann aber zum Schluss, dass er das Gebiet nicht mehr für die Gemeinde benötigt und beantragte, die zur Diskussion stehende Parzelle 166 und eine Teilfläche der Parzelle 168 in die Wohnzone W2 mit Quartierplanpflicht umzuteilen. Gemeindeversammlung wie Regierungsrat stimmten dieser Umteilung 1992 zu. (Die Frage, warum bei dieser Umzonung von der OeW-Zone in die W2-Zone die Angelegenheit nicht vom archäologischen Standpunkt her hinterfragt worden sei, kann uns niemand beantworten; Regierungsrat Peter Schmid bestätigt, dies wäre tatsächlich das Beste gewesen. Allerdings wären natürlich auch in diesem Fall Kosten entstanden.)
3 Wochen nach der in-Kraft-Setzung dieser Umzonung eröffnet der Grundbesitzer der Erziehungs- und Kulturdirektion, er beabsichtige, das Grundstück zu überbauen. Angebote, die Pläne der geplanten Tiefgarage dahingehend abzuändern, dass keine römischen Funde zu Schaden kämen, wurden allesamt abgelehnt; ebenso scheiterten Versuche, den Eigentümer zu einem Landabtausch zu bewegen.
Zur Enteignung
Für jede Enteignung braucht es die Einwilligung des Landrates. Hans Rudolf Tschopp erklärt, gestützt auf die Verfassung habe ein Grundeigentümer bei einer zwangsweisen Enteignung das Anrecht auf volle Entschädigung des Verkehrswertes. Er ergänzt, dass im Geschäft Obermüli / Pfäfferlädli seit Verabschiedung der Vorlage die Verhandlungen wieder aufgenommen werden konnten, man stehe eventuell vor einem einvernehmlichen Abschluss.
Finanzen
Zu den voraussehbaren Kosten erklärt Herr Tschopp, der Betrag von 6 Millionen Franken für den Kredit sei eine Schätzung verschiedener Summanden, nicht der Kaufpreis des Grundstücks. Nach bestem Wissen und Gewissen sei ein Verkehrswert aufgrund der gegebenen Situation ermittelt worden. Die Rechtsanwälte der Betroffenen müssen bezahlt und die Architekturkosten für die geplante Überbauung mit rund 36 Wohnungen vom Kanton übernommen werden. Es entstehen ausserdem Aufwendungen durch die raumplanerischen Anpassungen. Der ungefähre Marktwert für den Quadratmeter Bauland liege in Augst zwischen 300 und 400 Franken.
Regierung und EKK (einstimmig!) beantragen dem Landrat, dieses Land zu kaufen und der Archäologischen Schutzzone zuzuweisen.
Zisternenfund im Violenried
Die Erziehungs- und Kulturkommission hatte am 27. Februar 1997 das Gelände der Firma Emil Frey AG besichtigt, bevor der Landrat am 10. April 97 die damals von der Regierung beantragten Notgrabungen für den Ausbau des Werkhofs bewilligte. Im Kommissionsbericht hielt ich damals fest, dass „die Verhandlungen in gutem Einvernehmen geführt werden konnten, obwohl daraus eine zweijährige Verzögerung resultierte. Nur wenn wider Erwarten etwas ganz Seltenes von eidgenössischem Wert zu Tage kommen sollte, könnte die Abtragung der Stelle verhindert werden."
Wie inzwischen den in- und ausländischen Medien entnommen werden konnte, ist dieses „ganz Seltene von eidgenössischer Bedeutung" in Form einer Zisterne, wie sie sonst nördlich der Alpen kaum zu finden ist, eingetroffen.
Bis jetzt hat noch niemand die Zisterne betreten, Alex Furger zeigte uns aber ein mit einer Spezialkamera aufgenommenes Video, die bis jetzt einzigen Bilddokumente des Zisternengewölbes. Vor allem die Erhaltung der 4 Meter hohen und rund 12,5 Meter Umfang messenden Kuppel ist aussergewöhnlich gut und absolut schützenswert.
Herr Frey ist bereit, dem Kanton 1'000m 2 Land mit der Zisterne zu verkaufen, obwohl er am jetzigen Standort die oben erwähnte Erweiterung seines Werkhofs geplant hatte. Er könnte seinen Werkhof auf einer andern, gleich grossen Nachbarparzelle erweitern, diese gehört aber seit ungefähr zehn Jahren zur Landwirtschaftszone. Der Landrat entschied damals diese Umzonung im Rahmen des Sicherstellungsprogramms Augusta Raurica. Der Abtausch kann vollzogen werden, wenn der Landrat bereit ist, diese Parzelle ohne Zisterne in die Gewerbezone zu überschreiben. Da auch dort Funde zu erwarten sind, hat Ernst Frey die Auflage erhalten, die Werkhoferweiterung nur über den Ruinen zu machen, womit sich der Eigentümer einverstanden erklärte.
Ein zusätzlicher Landstreifen soll zur Archäologischen Schutzzone werden, um eine Hecke als Sichtschutz zwischen der Fundstätte und dem Werkhof anzupflanzen. (Siehe Karte bei der Vorlage)
Finanzen
Durch den Landkauf entstehen keine neu zu bewilligenden Kosten, da der Landrat 1984 und 1987 Verpflichtungskredite für vorsorgliche Landkäufe im Perimeter der Römerstadt gesprochen hat; Umzonungs- und Handänderungskosten können aus ordentlichen Mitteln finanziert werden.
Der Kanton kauft zusätzlich ein Stück Land von rund 25a, um den Werkhof durch einen Grüngürtel für die Besu-cherInnen des Zisternengewölbes und der Curia optisch unsichtbar zu machen. Damit, und mit einer zusätzlichen Fussgängerbrücke über den Violenbach, kann gleichzeitig ein direkter und attraktiver Weg vom Bahnhof Kaiseraugst zur Römerstadt geschaffen werden. Die Gesamtkosten werden sich auf rund 600'000 Franken belaufen. Gesamthaft wurden 1984 und 1987 10 Mio. Franken gesprochen. Davon bleiben heute noch 750'000 Franken, welche für dieses Vorhaben verwendet werden sollen.
Archäologische Schutzzone: Bestimmungen
Vor 11 Jahren hat der regionale Detailplan Archäologische Schutzzonen ausgewiesen. Diese waren aber nicht definiert. In der Praxis sei man immer wieder vor der Situation gestanden, nicht genau zu wissen, was in diesen Zonen erlaubt ist. Daraufhin wurde vor ungefähr 9 Jahren ein internes Papier von Dr. Jürg Ewald verfasst, um diese Zonen zu definieren. Die heutige Vorlage orientiere sich sehr stark an Ewalds Papier, erklärte Alex Furger, welches sich gut bewährt habe.
Die Bestimmungen werden Bestandteil des heute gültigen Nutzungsplanes, womit ein bestehender Mangel behoben wird.
Die einzelnen Punkte wurden diskutiert und fanden unsere Zustimmung.
Beschluss und Antrag
Der vorliegende Landratsbeschluss wird von der Erziehungs- und Kulturkommission unverändert gutgeheissen.
Punkte 1 und 2, Umzonung von Obermüli / Pfäfferlädli und Erwerb dieses Gebietes, empfiehlt die Kommission mit 9:0 Stimmen bei einer Enthaltung dem Landrat zur Annahme.
Mit 10:0 Stimmen erklären sich alle Mitglieder der Kommission mit Punkt 3, der Erteilung des Enteignungsrechtes, einverstanden.
Auch den drei Umzonungen 4a, 4b und 4c wird mit 10:0 Stimmen zugestimmt.
Ebenso konnten alle Anwesenden den Spezialbestimmungen in Punkt 5 der Vorlage (10:0) zustimmen.
Binningen, den 22. April 1999
Für die Erziehungs- und Kulturkommission
Die Präsidentin: Andrea von Bidder