Vorlage 1998-148: Gesetz über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung
Landrat / Parlament || Vorlage 1998-148 vom 25. August 1998
Gesetz über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung (AVLG)
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1.3.1 Zustandekommen und Inhalt
Am 9. Mai 1994 wurde bei der Landeskanzlei von einem Initiativkomitee die nichtformulierte Volksinitiative "Hilfe an Arbeitslose" eingereicht. Mit Verfügung vom 3. Juni 1994 stellte die Landeskanzlei das Zustandekommen der Volksinitiative mit 1'718 gültigen Unterschriften fest. Die Initiative enthält eine Rückzugsklausel.
Die vorgeschlagene Volksinitiative lautet:
"Die unterzeichneten Stimmberechtigten des Kantons Baselland stellen hiermit, gestützt auf § 28 Absätze 1 und 3 der Kantonsverfassung das folgende nichtformulierte Begehren:
- Der Kanton bietet ausgesteuerten Langzeitarbeitslosen bis zur neuen Stempelberechtigung eine befristete Anstellung, verbindliche Arbeitseinsätze oder Einarbeitungszuschüsse an, denn die meisten Langzeitarbeitslosen wollen lieber Arbeit statt Arbeitslosengeld.
- Der Kanton arbeitet aktiv mit den Gemeinden und Privaten bei der Arbeitsvermittlung, den Arbeitseinsätzen und der Zuteilung von Einarbeitungszuschüssen zusammen, um den Langzeitarbeitslosen Arbeit anzubieten.
- Der Lohn dieser Arbeiten muss mindestens existenzsichernd sein."
1.3.2 Behandlung
Bereits zum Zeitpunkt des Zustandekommens der Initiative zeichnete sich ab, dass das AVIG auf Bundesebene einer grundlegenden Revision unterzogen wird, nach deren Inkrafttreten die Voraussetzungen, auf deren Grundlage die Initiative entstand, ganz andere sein würden. Dies ist in der Folge ja auch tatsächlich geschehen, siehe oben Ziffer 1.1.
Aus diesem Grunde erklärte sich das Initiativkomitee auch damit einverstanden, auf eine termingerechte Behandlung zu verzichten und eine Neubeurteilung/-bearbeitung spätestens im Jahre 1998 vorzunehmen, "wenn die Stärken und Schwächen der neuen Arbeitslosenversicherungsrevision für den Kanton Baselland absehbar sind" (Schreiben des Präsidenten des Initiativkomitees, LR P. Brunner vom 15. Februar 1996 an RR E. Belser).
1.3.3 Würdigung
Aufgrund der Formulierung, dass "Langzeitarbeitslose lieber Arbeit statt Arbeitslosengeld wollen", muss davon ausgegangen werden, dass die Initiative auf die Gruppe der Bezügerinnen und Bezüger von Arbeitslosenhilfe, wie sie bis Ende 1996 existierte, ausgerichtet ist bzw. war. Da bis zu jenem Zeitpunkt Arbeitslose je nach Beitragsdauer insgesamt nicht bis zu 520 Taggelder wie heute, sondern maximal lediglich 170, 250 oder 400 Taggelder beziehen konnten, hatte bis dahin die Möglichkeit bestanden, vom Kanton (häufig durch die Gemeinden mitfinanziert), weitere bedarfsorientierte Taggelder zu beziehen. Mit der Einführung des neuen Taggeldregimes in der eidgenössischen Arbeitslosenversicherung per 1.1.1997 ist diese Arbeitslosenhilfe jedoch durch die weitaus besseren Leistungen der Arbeitslosenversicherung ersetzt worden. Die Leistungen des AVIG erfüllen praktisch alle Forderungen der Initiative vollständig, und zwar wie folgt:
- Im Laufe der Jahre 1996 und 1997 ist, gestützt auf das revidierte AVIG, im Kanton Basel-Landschaft ein umfassendes Angebot an aktiven arbeitsmarktlichen Massnahmen aufgebaut worden. Wie bereits angeführt, konnte im Jahr 1997 die Zahl von 1'026 Jahresmassnahmenplätzen erreicht werden. Mit dem Vorliegen von Erfahrungswerten und der zu erwartenden Arbeitslosenquote wurde für das Jahr 1998 im gleichen Rahmen budgetiert. Weiteres dazu siehe unter Ziffer 1.1.3. Es sei darauf hingewiesen, dass dies nichts anderes heisst, als dass derzeit durchschnittlich dauerhaft ca. jede fünfte arbeitslose Person eine Massnahme besucht.
- Wie bereits ausgeführt, sind parallel im Kanton sechs Regionale Arbeitsvermittlungszentren entsprechend den Vorgaben des Bundes eingerichtet worden. Diese nehmen die geforderte "aktive Zusammenarbeit mit Gemeinden und Privaten bei der Arbeitsvermittlung, Arbeitseinsätzen oder Einarbeitungszuschüssen" als ihre zentrale Aufgabe vollumfänglich wahr.
- Der Lohn der angebotenen Arbeiten in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung richtet sich nach den Sätzen des Bundes und ist demzufolge zusammen mit den Differenzzahlungen, welche die Arbeitslosenversicherung allenfalls bis auf die Höhe des versicherten Verdienstes zu 70 bzw. 80 % leistet, mindestens im gleichen Masse existenzsichernd wie es die Arbeitsentlöhnung vor Eintritt der Arbeitslosigkeit war.
Einzige nicht erfüllte Forderung: Einsätze in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung von Arbeitslosen nach AVIG begründen keine neue Bezugsberechtigung. Dies ist jedoch durch den Kanton nicht beeinflussbar, handelt es sich doch um zwischen den Sozialpartnervertretungen ausgehandeltes, geltendes Bundesrecht.
Über den Leistungsbereich der eidgenössischen Arbeitslosenversicherung (d.h. der Rahmenfrist) hinaus hatten bis anhin keine kantonalen Leistungen bestanden. Die Regierung ist der klaren Meinung, dass dies auch nicht der Aufgabenbereich spezifischer zusätzlicher kantonaler Arbeitslosenmassnahmen sein soll, sondern derjenige einer umfassenden Sozialhilfe. Deshalb ist es in der laufenden Revision des Fürsorgegesetzes (neu: Sozialhilfegesetz) vorgesehen, entsprechende Instrumente einzuführen.
Als Überbrückung (bis zum Inkrafttreten des neuen Sozialhilfegesetzes) und auch als Pilotversuch zur Erfahrungssammlung hat der Regierungsrat jedoch mit der Verordnung vom 27. Mai 1997 über Unterstützungsleistungen zugungsten ausgesteuerter Personen (ULAP) ein solches Instrument geschaffen. Diese Verordnung ist seit dem 1. Juni 1997 in Kraft. Weiteres dazu siehe unter Ziffer 2.1.2.
1.3.4 Entwicklung
Mit dem Anstieg der Arbeitslosigkeit wuchs auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen im Kanton Basel-Landschaft. Waren 1993 von den im Durchschnitt 4'251 arbeitslosen Personen 893 oder 21,0 % länger als ein Jahr arbeitslos, so waren es 1997 von 4'958 deren 1'428 oder 28,6 %. Seit Beginn des Jahres 1998 ist sowohl die Zahl der arbeitslosen Personen als auch jene der von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen spürbar gesunken. Ende Juni 1998 waren insgesamt noch 3'214 Personen als arbeitslos registriert, der tiefste Stand seit Ende 1992. Mit 916 registrierten Langzeitarbeitslosen Ende Juni 1998 befindet sich deren Zahl heute wiederum auf dem Niveau von Mitte 1993, beinahe unverändert - im Vergleich zum Vorjahr - bleibt dagegen ihr Anteil am Gesamtbestand mit 28,5 %.
Der Anstieg der Langzeitarbeitslosigkeit bis Ende 1997 könnte einerseits ein Indiz dafür gewesen sein, dass eine anhaltende konjunkturelle Überlagerung auf dem Arbeitsmarkt es immer schwieriger gestaltete, eine Anstellung zu finden, weshalb die erwerbslosen Personen länger in der Arbeitslosigkeit verweilten. Dagegen sprechen allerdings die Ergebnisse der Beschäftigungsstatistik (BESTA) des Bundesamtes für Statistik. Gemäss BESTA weist der Kanton Basel-Landschaft seit dem 1. Quartal 1996 eine Zunahme der Beschäftigtenzahl aus. Auch der jüngste Vergleich, derjenige des 1. Quartals 1997 mit dem 1. Quartal 1998, zeigt eine Zunahme der Beschäftigung um 2,7 % bzw. um rund 2'500 Personen.
Andererseits deutet vieles darauf hin, dass die absolute Zunahme der über ein Jahr erwerbslosen Personen - aber auch deren anteilsmässige Zunahme am Gesamtbestand - in der Ausgestaltung der Arbeitslosenversicherung begründet ist. Insbesondere, da seit dem 1. Januar 1997 der maximale Bezugsrahmen von 400 auf 520 Taggelder erhöht wurde. Gemäss BWA erhielten im Anschluss an das neue Taggeldregime gesamtschweizerisch rund 3'000 Personen - mit einer individuellen Arbeitslosigkeitsdauer von bereits 7 bis 19 Monaten - erneut Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung. Dieser Sachverhalt hatte sicherlich auch im Kanton Basel-Landschaft einen nicht unwesentlichen Einfluss auf die Entwicklung der Langzeitarbeitslosigkeit im Jahre 1997. Auch die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung für die Schweiz weisen darauf hin, dass eine Verlängerung der Bezugsdauer den Abgang aus der Arbeitslosigkeit sukzessive hinausschiebt und damit die Dauer der Arbeitslosigkeit erhöht. Eine durch die Versicherung induzierte Zunahme der Langzeitarbeitslosigkeit ist aber kein Arbeitsmarkt- sondern ein Versicherungsproblem. Kritisch für den Arbeitsmarkt wird dieser Sachverhalt, wenn die versicherungsinduzierte Zunahme der gemessenen (Langzeit-) Arbeitslosigkeit weitere arbeitsmarktliche Massnahmen auslöst, die selbst wieder zu einer Verschlechterung der statistisch gemessenen Arbeitsmarktlage beitragen.
Das neue AVIG-Regime zeigte auch einen Einfluss auf die Entwicklung der Zahl der Ausgesteuerten. Für die Jahre 1995 bzw. 1996 wies die Kantonsstatistik im Monatsdurchschnitt noch 81 bzw. 61 von der Aussteuerung betroffene Personen aus. 1997, unter dem neuen Taggeldregime, reduzierte sich diese Grösse - erwartungsgemäss - auf 40 Personen. Das erste Quartal 1998 zählte wiederum durchschnittlich 82 Aussteuerungen pro Monat, 12 % davon traten im Anschluss eine neue Stelle an. Rund 50 % meldeten sich weiterhin zur Vermittlung und bleiben somit auch von der Arbeitslosenstatistik erfasst. Bei den verbleibenden 38 % können verschiedene Situationen eingetreten sein: Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit; Rückzug aus dem Arbeitsmarkt in die Nichterwerbstätigkeit oder zur Ausbildung oder die Fortsetzung der Stellensuche, ohne die Dienste der öffentlichen Stellenvermittlung weiter in Anspruch zu nehmen. Gründe für die Zunahme der Aussteuerungen seit Anfang 1998 können einerseits darin bestehen, dass seit dem 1. Januar 1998 bei erneuter Arbeitslosigkeit innert drei Jahren eine 12 anstatt 6monatige Mindestbeitragsdauer nötig ist, um erneut Anspruch auf Taggelder zu erwirken. Andererseits ist auch die Zahl der Versicherten rückläufig, welche sich durch die Teilnahme an einem vor dem 1. Januar 1997 begonnen Beschäftigungsprogramm einen neuen Anspruch aufbauen konnten. Desweitern melden sich traditionell zu Beginn eines Jahres mehr Personen bei der öffentlichen Arbeitsvermittlung an, weshalb - zwei Jahre später - das Potential an Aussteuerungen höher ist.
1.3.5. Schlussfolgerung
Die Regierung beurteilt die wesentlichen Forderungen der Initiative als entweder bereits erfüllt oder zur Erfüllung im Rahmen des kommenden Sozialhilfegesetzes vorgesehen.
Die Vorlage "Gesetz über die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung (AVLG)" enthält deshalb keinen Gegenvorschlag zur Initiative, sondern lässt diese vorderhand stehen. Nach Meinung der Regierung sollte die Initiative im Laufe des Jahres 1998 zurückgezogen werden können. Sollte dies nicht geschehen, folgt eine separate Vorlage.