1998-70 (1)
Landrat / Parlament || Vorlage 1998-070 vom 25. August 1998
Schriftliche Beantwortung der Interpellation von Maya Graf, FGL, Sissach:
"Der Baselbieter Kampf gegen das Umweltlotto" (98/070)
Geschäfte des Landrats || Hinweise und Erklärungen
Am 2. April 1998 hat Maya Graf die Interpellation "Der Baselbieter Kampf gegen das Umweltlotto" eingereicht und um deren schriftliche Beantwortung gebeten. Die Interpellation hat folgenden Wortlaut:
"Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Helvetas und Caritas, Naturfreunde, Pro Natura, Gesellschaft für Umweltschutz, VCS und WWF stellten ihr Projekt für eine "Umwelt- und Entwicklungslotterie erstmals 1995 vor. Ihre Absicht ist es, angesichts der rückläufigen Spendengelder neue private Geldquellen zu erschliessen, Die neue Lotterie soll durch die Verbindung von "Spielen, helfen und gewinnen" zusätzliche Bevölkerungskreise für die Anliegen der Entwicklungshilfe und des Umweltschutzes gewinnen. Als Vorbild gilt ein holländisches Modell, das sich bestens bewährt hat und aufzeigt, dass die Stellung der bestehenden Lotterien nicht geschmälert wird. Die Umwelt- und Entwicklungsorganisationen rechnen mit bis zu 30 Millionen Franken jährlich, welche das "Umweltlotto" für ihre Projekte einspielen soll. Nach Ansicht der zehn Umweltorganisationen sollte eine Zusammenarbeit mit den grossen Lotteriegesellschaften gesucht werden. Sie dachten dabei an eine Konstruktion wie die der Triowette, an welcher der Pferdesportverband beteiligt ist. Die Interkantonale Landeslotterie schätzte die Ertragsaussichten aber schlecht ein und die Verhandlungen scheiterten.
So reichte der 1997 gegründete Trägerverein der zehn Umwelt- und Entwicklungsorganisationen selber Gesuche ein, vorerst in den Kantonen Zürich, Bern und Waadt. In allen drei Fällen liegen nun erste ablehnende Entscheide vor. Die Kantone verteidigen ihre Monopolstellung und denken, wie es scheint, nicht daran, ihre Marktstellung kampflos aufzugeben. Mit einer äusserst fragwürdigen Strategie ist nun auch unser Kanton in diesen Kampf eingestiegen.
Als im August letzten Jahres Helvetas und Fastenopfer um finanzielle Unterstützung aus dem Lotteriefonds für ihre ausländischen Entwicklungsprojekte ersuchten, erhielten sie einen von Regierungsrat Koellreuter unterschriebenen Brief, der kurz, aber unmissverständlich war: Zitat: "Unserem Kanton sind die Bestrebungen der Hilfswerke, eine Lotterie "Umwelt und Entwicklung" durchzuführen, bekannt. Solange keine Entscheidungen diesbezüglich gefallen sind, behält sich der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft vor, die zur Verfügung stehenden Lotteriefondsmittel für andere Entwicklungsprojekte bereitzustellen."
Ich ersuche den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen und bitte ihn, wenn möglich, die Antworten schriftlich zu verfassen:
1. Welche Gründe sprechen für den Regierungsrat gegen eine Öffnung des Lotteriemonopols auch für Umwelt- und Entwicklungsorganisationen?
2. Wie stellt dich der Regierungsrat zu oben beschriebenen "Bestrafungs-aktionen"? Welches sind konkret die Gründe dazu? Wie ist es zu diesem Beschluss gekommen?
3. Wieviele Beiträge hat der Regierungsrat im Jahre 1997 und 1998 aus diesen Gründen nicht gewährt und welche Organisationen sind betroffen?
4. Wieviele Beiträge flossen gesamthaft 1997 an Projekte für ausländische Entwicklungszusammenarbeit und wieviele weniger oder mehr waren es im Verhältnis zum Vorjahr?
5. Beabsichtigt der Regierungsrat zukünftig allen an der geplanten Umweltlotterie beteiligten Organisationen Beiträge aus dem Lotteriefonds zu verweigern? Wenn ja: Ist sich der Regierungsrat bewusst, welche Konsequenzen diese "Bestrafung" auf die einzelnen Entwicklungs- und Umweltprojekte haben kann?
6. Hat der Regierungsrat abgeklärt, ob er mit seiner Haltung für ein Lotteriemonopol und gegen ein Umweltlotto die Mehrheit der Bevölkerung vertritt? Wenn ja, wie? Wenn nein, wie rechtfertigt er seine Haltung?
7. Warum werden Eigeninitiative und zeitgemässe Mittelbeschaffung, die von der Wirtschaft gefordert und vom Staat begrüsst werden, just bei Umwelt- und Entwicklungsorganisationen nicht akzeptiert? Denkt der Regierungsrat nicht auch, dass, wenn diese Organisationen selbst erfolgreich Geld für ihre Projekte beschaffen, der Lotteriefonds wieder mehr Beiträge für andere Zwecke zur Verfügung hätte?
Der Regierungsrat nimmt zur Interpellation wie folgt Stellung:
Grundsätzliches
Das Bundesgesetz vom 8. Juni 1923 betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten wurde erlassen, weil zuvor haltlose Zustände im Glücksspielbereich herrschten. Deshalb sah sich der Bund gezwungen, die Möglichkeit, dass jedermann für jeden Zweck eine Lotterie veranstalten konnte, zu unterbinden. Mit der Überlegung, dass eine allzu grosse Zersplitterung der Lotterien - auch beschränkt auf wohltätige und gemeinnützige Lotterien - nachteilig und nicht Im Gesamtinteresse und Gesamtwohl läge, gründeten alle deutschweizer Kantonen - mit Ausnahme des Kantons Bern - und der Kanton Tessin am 26. Mai 1937 unter der Bezeichnung "Interkantonale Landeslotterie" eine Genossenschaft zum Zwecke der gemeinsamen Durchführung von Lotterien. Die Kantone verpflichteten sich, ihren Anteil am Reinertrag der Lotterien ausschliesslich gemeinnützigen und wohltätigen Zwecken zuzuwenden.
Ende 1959 wurde mit einem Landratsbeschluss entschieden, dass Baselland sich dieser Vereinbarung anschliesst. Somit könnte der Kanton Baselland als Vereinbarungspartner bei der jetzigen Situation keine Bewilligung, wie sie Maya Graf wünscht, erteilen, es sei denn, er würde seine Mitgliedschaft in der Interkantonalen Vereinbarung betreffend die gemeinsame Durchführung von Lotterien aufkünden.
1. Welche Gründe sprechen für den Regierungsrat gegen eine Öffnung des Lotteriemonopols auch für Umwelt- und Entwicklungsorganisationen?
In erster Linie spricht für ein solches Monopol, dass der Lottokuchen nicht unendlich vergrösserbar ist. Somit würden dem Baselbieter Lotteriefonds wesentlich weniger Mittel für wohltätige, gemeinnützige und kulturelle Projekte zur Verfügung stehen.
2. Wie stellt dich der Regierungsrat zu oben beschriebenen "Bestrafungsaktionen"? Welches sind konkret die Gründe dazu? Wie ist es zu diesem Beschluss gekommen?
Es ist interessant, welche Auswirkungen die vom Regierungsrat geübte Transparenz und Offenheit haben können. Wie Maya Graf in ihrem Text erwähnt, sind in Baselland ja keine Gesuche zur Durchführung von Lotterien hängig. Vielmehr hat die für die Lotteriefondsverwaltung zuständige Justiz-, Polizei- und Militärdirektion im Auftrage des Regierungsrats gegenüber den in Frage stehenden Gesuchstellern ehrlich und offen informiert, weshalb die vorhandenen Mittel zu Gunsten anderer Projekte eingesetzt würden. Man hätte die Gesuche ja auch einfach unter einem Vorwand ablehnen können - das würde aber der nun seit mehreren Jahren gelebten Praxis der Offenlegung des Lotteriefonds und seiner Mittel widersprechen. Nach Meinung des Regierungsrates handelt es sich also keineswegs um eine "Strafaktion", sondern um das Spielen mit offenen Karten.
1996 beschloss der Regierungsrat im Rahmen der Beratung von Projekten für die ausländische Entwicklungszusammenarbeit, diejenigen Organisationen, die in der Arbeitsgemeinschaft "Lotterie und Umwelt" zusammengefasst sind, nicht zu berücksichtigen. Grund für diese Haltung ist es, dass es der Regierungsrat als paradox erachtet, einerseits vom Kanton Gelder für Projekte erhältlich zu machen, andererseits jedoch zu versuchen, mit einer eigenen Lotterie diese Geldquelle anzuzapfen.
3. Wieviele Beiträge hat der Regierungsrat im Jahre 1997 und 1998 aus diesen Gründen nicht gewährt und welche Organisationen sind betroffen?
Baselland hat im Jahre 1997 sämtliche für die Entwicklungszusammenarbeit budgetierten Mittel ausgeschüttet - es handelt such um rund Fr. 550'000.-- und wird dies auch im laufenden Jahr tun. Es wurden Projekte von Organisationen berücksichtigt, die nicht in der genannten Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen sind. Von solchen Organisationen, die unterstützungswürdige Projekte haben und auch Gewähr für eine einwandfreie Durchführung bieten, gibt es viele. Dieses Know how ist nicht nur bei den in der Arbeitsgemeinschaft vereinten Organisationen vorhanden.
Für alle Einzelheiten wie konkrete Organisationsnamen, Projekte und bewilligter Unterstützungsbeitrag verweist der Regierungsrat auf die alljährlich von der Justiz-, Polizei- und Militärdirektion anlässlich einer Medienorientierung publizierten Listen, die Aufschluss über alle Lotteriefondsmittel und deren Verteilung geben.
4. Wieviele Beiträge flossen gesamthaft 1997 an Projekte für ausländische Entwicklungszusammenarbeit und wieviele weniger oder mehr waren es im Verhältnis zum Vorjahr?
1997 flossen insgesamt Fr. 548'600.-- gegenüber Fr. 595'000.-- im Vorjahr in Projekte der ausländischen Entwicklungszusammenarbeit. Dazu kommen jährlich Fr. 300'000.-- bis Fr. 500'000.-- für ausländische humanitäre Hilfe. Der Betrag hängt jedoch davon ab, ob Mittel für grössere Unwetterkatastrophen oder Bürgerkriege mit akuten Notsituationen erforderlich werden.
5. Beabsichtigt der Regierungsrat zukünftig allen an der geplanten Umweltlotterie beteiligten Organisationen Beiträge aus dem Lotteriefonds zu verweigern? Wenn ja: Ist sich der Regierungsrat bewusst, welche Konsequenzen diese "Bestrafung" auf die einzelnen Entwicklungs- und Umweltprojekte haben kann?
Der Regierungsrat sieht derzeit keine Veranlassung, von seiner Haltung abzuweichen und sieht diese auch - wie weiter oben dargelegt - nicht als Bestrafungsaktion an. Allfällige Konsequenzen müssten eigentlich bei diesen Organisationen dazu führen, ihre Position und Pläne zu überdenken. Im übrigen hält der Regierungsrat fest, dass weiterhin Mittel in üblicher Grössenordnung in die in Frage stehenden Bereiche fliessen.
6. Hat der Regierungsrat abgeklärt, ob er mit seiner Haltung für ein Lotteriemonopol und gegen ein Umweltlotto die Mehrheit der Bevölkerung vertritt? Wenn ja, wie? Wenn nein, wie rechtfertigt er seine Haltung?
Eine solche Abklärung hat der Regierungsrat nicht getroffen, weil er dazu keine Veranlassung hatte. Der Regierungsrat hat vom Gesetzgeber die Kompetenz, im Rahmen der unzweideutig festgelegten und immer transparent gemachten Richtlinien über die Verwendung der Lotteriefondsmittel zu befinden. Abgesehen davon, dass eine seriöse Untersuchung der Bevölkerungsmeinung ein kostspieliges Unterfangen wäre, schliesst der Regierungsrat aus den Reaktionen, zu Medienberichten - sei es über die Baselbieter Haltung gegenüber der Umweltlotterie oder über die alljährlichen Medienorientierung oder über Parlamentsvorstösse - dass der von Maya Graf interpellierte Bereich "Volkes Seele" nicht bewegt. An Reaktionen, seien diese in den Leserbriefspalten zu finden oder direkt an den Regierungsrat gerichtet. ist praktisch nichts zu verzeichnen.
7. Warum werden Eigeninitiative und zeitgemässe Mittelbeschaffung, die von der Wirtschaft gefordert und vom Staat begrüsst werden, just bei Umwelt- und Entwicklungsorganisationen nicht akzeptiert? Denkt der Regierungsrat nicht auch, dass, wenn diese Organisationen selbst erfolgreich Geld für ihre Projekte beschaffen, der Lotteriefonds wieder mehr Beiträge für andere Zwecke zur Verfügung hätte?
Selbstverständlich unterstützt der Regierungsrat Eigeninitiative und zeitgemässe Mittelbeschaffung. Nur solche Vorhaben können an Grenzen stossen und wo diese Grenze bei der Umweltlotterie liegt, wurde bereits begründet. Andere potentielle Veranstalter könnten ebenfalls das gleiche Recht wie das Umweltlotto beanspruchen. Deshalb gilt die Haltung des Regierungsrates nicht nur gegenüber der Umweltlotterie, sondern hätte auch Geltung bei Vorhaben wie beispielsweise einer "Kulturlotterie" - nur gibt es eben lediglich ein Gesuch, nämlich das für eine Umweltlotterie.
Der Regierungsrat ist nicht der Meinung, dass bei Einführung einer Umweltlotterie mehr Gelder für andere Zwecke zur Verfügung stünden, weil die Gelder, welche die Bevölkerung für Lotterien einzusetzen bereit ist, nicht unendlich vermehrbar sind.
Liestal, 25. August 1998
Im Namen des Regierungsrates:
Die Präsidentin: Schneider-Kenel
Der Landschreiber: Mundschin