v1994-225

Landrat / Parlament


Motion von Ruth Heeb: Aufnahme einer Regelung gegen sexuelle Belästigung (unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche jeder Art in Form von Gesten, Äusserungen, körperlichen Kontakten; abfällige sexuelle Anspielungen oder sexistische Bemerkungen) ins Beamtenrecht und die öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnisse



Geschäfte des Landrates || Hinweise und Erklärungen



Autor: Ruth Heeb-Schlienger, SP (Aebi, Aeschlimann, Bischof, Frei, Furler, Greiner, Halder, Hunziker, Janiak, Klein, Laube, Lauper, Nussbaumer, Portmann, Rudin, Schäfer V., Schelble, Speiser, Strasser)

Eingereicht: 31. Oktober 1994


Nr.: 1994-225





I.

Als sexuelle Belästigungen werden erfahren:


- unerwünschte sexuelle Annäherungsversuche jeder Art in Form von Gesten, Äusserungen und körperlichen Kontakten;


- abfällige sexuelle Anspielungen oder sexistische Bemerkungen.




Konkret fallen darunter:


- Bemerkungen über körperliche Vorzüge oder Schwächen;


- Hinterherpfeifen, taxierende Blicke;


- anzügliche Bemerkungen, sexistische Sprüche;


- Vorzeigen oder Aufhängen pornographischen Materials;


- jedes unerwünschte Berühren;


- unerwünschte Einladungen, "Anmache" etc.


(vgl. HOLZBECHER et al. 1990; MICHEL-ALDER 1992; Eidgenössisches Büro für Gleichstellung von Frau und Mann, Dokumentation März 1993; Frauenkommission des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, Dokumentation August 1992; IBERG, Markus: Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz, Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum der Universität Basel, Studie Nr. 42, Oktober 1993.)


Die Kantonale Verwaltung und die Spitäler sowie sonstige öffentlich-rechtlich organisierte Betriebe gehören zu den grossen Arbeitgebern der Region. Es wird deshalb vorgeschlagen, eine Regelung gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (im oben aufgezeigten Sinne) in der kantonalen Gesetzgebung zu verankern.


Ausserdem wirkt der Regierungsrat in seiner Funktion als Mitglied in den Aufsichtsgremien von öffentlich-rechtlichen und gemischtwirtschaftlichen Institutionen und Betrieben darauf hin, dass diese ähnlich lautende Regelungen in ihre Personal- und Besoldungsordnungen aufnehmen.


Beispiele finden sich bereits formuliert resp. in Kraft im Beamtenrecht des Kantons Basel-Stadt, im Personalreglement des öffentlichen Dienstes der Stadt Bern, bei der OeKK in dem seit 1992 gültigen Gesamtarbeitsvertrag. Einen eigenen Vorschlag hat auch der VPOeD erarbeitet.


Die Stadt Bern kennt einen aus drei Frauen und drei Männern bestehenden Ausschuss, der diesbezügliche Beschwerden behandelt.


Frauen, die sexuelle Belästigung thematisieren, werden immer wieder mit den Verharmlosungsmechanismen der Männer konfrontiert. Das Problem ist jedoch nicht die Sensibilität der Frauen, sondern die mangelnde Sensibilität vieler Männer - und der grösste Teil der Vorgesetzten ist nach wie vor männlich.


Die Angst vor nachträglicher Diskriminierung, beispielsweise als unkollegial, illoyal oder gar als Verräterin zu gelten, hält Frauen im allgemeinen davon ab, sich zu wehren.


Aus diesen Gründen ist eine Regelung zu schaffen, welche den Schutz der Persönlichkeit der Betroffenen garantiert und das Verfahren im Falle von Verletzungen aufzeigt. Dabei verlangen die folgenden Punkte besondere Aufmerksamkeit:


- eine Grundsatzerklärung, welche festhält, dass sexuelle Belästigung weder erlaubt ist noch geduldet wird;


- die Definition, was unter sexueller Belästigung verstanden wird, um sicher zu gehen, dass über den Inhalt des Begriffs Konsens besteht;


- Aufzeigen von Beschwerdemöglichkeiten;


- Angaben darüber, welche Belästigungen wie sanktioniert werden;


- Garantien, dass Beschwerdeführende vor den negativen Auswirkungen einer Beschwerde geschätzt sind;


- Diskretions-Garantien;


- Bezeichnen der Beschwerdestelle sowie Verfahrensgarantien (insbes. allfällige Ausstandsregelungen);


Ausserdem sollte eine eigentliche Informationskampagne aufgezogen werden. Dass eine solche nötig ist, hat auch die uninformierte und entsprechend unbedarfte Debatte zum Thema sexuelle Diskriminierung im Bundesparlament gezeigt.




II.


1. Die Regierung wird beauftragt , eine Regelung ins Beamtenrecht und ins öffentlich-rechtliche Anstellungsverhältnis aufzunehmen, welche klarstellt, dass sexuelle Belästigung im oben umschriebenen Umfange in keiner Weise geduldet wird; welche


- ein Beschwerderecht unter Ausschluss von allfälligen Folge-Benachteiligungen für die Belästigten vorsieht;


- die Beschwerdestelle bezeichnet;


- die Sanktionsmöglichkeiten (evt. Sanktionsstufen im Gesetz) ausformuliert;


- ein Verfahren und entsprechende Garantien beinhaltet.


2. eine Vorlage für eine kantonale Informationskampagne auszuarbeiten.


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