v1990-204

Landrat / Parlament


Motion: Überprüfung und Neustrukturierung des Vormundschaftswesens



Geschäfte des Landrates || Hinweise und Erklärungen



Autor: Geschäftsprüfungskommission

Eingereicht: 10. September 1990


Nr.: 1990-204





Vormundschaftliche Massnahmen sind oft gewaltige Eingriffe in die persönliche Freiheit eines Menschen. Es ist deshalb ganz besonders wichtig, dass in diesem Bereich die verfassungsmässig garantierten Grundrechte respektiert werden.

Das schweizerische Zivilgesetzbuch enthält ein eigenes Kapitel über Vormundschaft. Art. 361 Absatz 2 überlässt es dann aber den Kantonen, die vormundschaftlichen Behörden zu bestimmen und, wenn zwei Instanzen als Aufsichtsbehörden vorgesehen sind, die Zuständigkeiten dieser Instanzen zu ordnen. Wo das ZGB nicht ausschliesslich von Richtern oder von Verwaltungsbehörden spricht, können die Kantone entweder eine richterliche oder eine Verwaltungsbehörde als zuständig bezeichnen (Art. 54 Absatz 2 SchlT). Auch das Verfahren vor der zuständigen Behörde ist von den Kantonen zu regeln (Art. 54 Absatz 3 SchlT).


Im Kanton Baselland amten in der Regel die Gemeinderäte als Vormundschaftsbehörde; in einigen grossen Gemeinden sind dafür eigene ständige Kommissionen eingesetzt. Für die Anordnung von vormundschaftlichen Massnahmen sind die Vormundschaftsbehörde, das Statthalteramt und der Regierungsrat zuständig (vgl.5 38 EGZGB). Aufsichtsbehörde im vormundschaftsbereich sind Statthalteramt und Regierungsrat.


Problematisch bei dieser Organisation ist, dass die Vormundschaftsbehörde, also der Gemeinderat oder eine ständige kommunale Kommission, oft weder über fachliche noch über juristische Kenntnisse verfügen. Vormundschaftsfälle werden zudem in vielen Gemeinderäten in dem Sinne als quantité négligeable behandelt als sie am Ende der Sitzungen noch angehängt werden, Beratung und Entscheid somit in einem Zeitpunkt stattfinden, in welchem alle Sitzungsteilnehmer bereits müde und deshalb froh sind, wenn die Traktandenliste bald zu Ende ist. Die Erfahrungen zeigen, dass die Prüfung und Begründung der vormundschaftlichen Entscheide oft nur sehr summarisch sind. Rechtsgenügende Prüfung und Begründung setzen eine zeitaufwendige Auseinandersetzung und auch gute Kenntnisse des materiellen Vormundschaftsrechts voraus, d.h. diejenigen, die einen Fall behandeln und entscheiden, müssen die materiellen Voraussetzungen für eine Massnahme und die differenzierten Möglichkeiten der einzelnen Massnahmen kennen. Dazu kommt, dass in den Gemeinden die Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Mitglieder der Vormundschaftsbehörde oft nicht gewährleistet ist, da diese in persönlicher oder vertraglicher Beziehung zum Betroffenen oder seinem näheren Umkreis stehen.


Auch in materieller Hinsicht ergeben sich aus der baselandschaftliche Organisation des Vormundschaftswesen schwerwiegende Probleme: So werden z.B. immer wieder Massnahmen angeordnet, ohne dass dem Betroffenen das rechtliche Gehör gewährt wird. Es kommt auch vor, dass ohne Wissen des Betroffenen medizinische Zeugnisse, die für einen anderen Zweck verlangt und ausgestellt worden sind, für die Begründung von vormundschaftlichen Massnahmen verwendet werden. Immer wieder wird das Recht, in die vormundschaftlichen Akten Einsicht zu nehmen, verweigert oder eingeschränkt mit der Begründung, dass die Kenntnis über die darin enthaltenen Informationen den Interessen der betreffenden Person zuwiderlaufen.


Problematisch ist auch die Zuständigkeit der Statthalterämter. Diese treten heute vorwiegend als strafrechtliche Untersuchungsämter in Erscheinung und werden in der Öffentlichkeit auch mit dieser Tätigkeit identifiziert. Viele Betroffene erschrecken, fühlen sich deklassiert und mit Kriminellen gleichgesetzt, wenn sie in einem vormundschaftlichen Verfahren Korrespondenz und Verfügungen des Statthalters erhalten.


An ihrem Jahrestag 1990 hat die Konferenz der kantonalen Vormundschaftsdirektoren aus all diesen Gründen festgehalten, "dass die Vormundschaftsbehörde der Gemeinden ... durch regionale Behörden ersetzt werden sollten", d.h. dass "längerfristig Vormundschaftsbehörden prinzipiell auf Bezirks- oder Kreisebene zu installieren" seien.


Die Geschäftsprüfungskommission ersucht deshalb den Regierungsrat, In Sinne dieser Ausführungen das basellandschaftliche Vormundschaftswesen zu überprüfen, allenfalls neu zu strukturieren und dem Landrat Bericht zu erstatten. Dabei ist zu beachten, dass die Möglichkeiten der privaten Vormundschaft gebührend genutzt werden können.




Für die Geschäftsprüfungskommission:
Die Präsidentin: Christine Baltzer-Bader
Liestal, 10. September 1990


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