Tierschutz im Fokus
von Evelyn Kern, Staatsanwältin, Leiterin Kompetenzbereich Tierschutz
Die Tathandlung der Tierquälerei erfüllt, wer vorsätzlich ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt oder dessen Würde in anderer Weise missachtet (Art. 26 Abs. 1 lit. a TSchG).
Beim Lesen dieses Gesetzestextes stellt sich unverzüglich die Frage, was der Schutz der Würde und des Wohlergehens von Tieren überhaupt bedeutet. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung zeigt auf, dass sich in der Auslegung der Tierschutzgesetzgebung subtile Abgrenzungsfragen stellen können:
Wussten Sie beispielsweise, dass die bundesgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit der haltungsbedingten Fellverschmutzung von Rindern folgende Feststellung getroffen hat?
«Eine Beeinträchtigung des Wohlergehens der Tiere und damit eine Tierquälerei im Sinne des Tierschutzgesetzes wäre im Fall von mit Kot verschmutzten Rindern nur dann anzunehmen, wenn es bei den Tieren aufgrund der Verschmutzung zu Hautreizungen kommt, was im Fall von Mistrollen nicht per se der Fall sei» [1].
Wussten Sie zudem, dass es für Schweine ein elementares Grundbedürfnis darstellt, genügend Beschäftigungsmaterialien wie Stroh, Chinaschilf, Streue, entstaubte Hobelspäne und Raufutter wie Gras, Ganzpflanzensilage und Stroh- oder Heuwürfel zur Verfügung zu haben und das Nichtvorhandensein von solchen Beschäftigungsmaterialien eine Widerhandlung gegen das Tierschutzgesetz darstellen kann? [2]
An diesen beiden Beispielen wird klar, dass innerhalb der juristischen Auseinandersetzung mit diesen Fällen einerseits ein Interesse im Bereich der Tierschutzgesetzgebung vorhanden sein muss und andererseits ein «tierisches» Fachwissen von Vorteil sein kann. Um an diese beiden Beispiele anzuknüpfen, erscheint es im Rahmen der Arbeit der Staatsanwaltschaft neben den Kenntnissen über die rechtlichen Voraussetzungen sodann auch hilfreich zu wissen, um was es sich bei Ganzpflanzensilage oder Mistrollen handelt und was genau die elementaren Grundbedürfnisse und Verhalten der einzelnen Tierarten sind.
Aus diesem Grund hat die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft neben weiteren Fachbereichen Anfang April 2022 den Kompetenzbereich Tierschutz gebildet.
Mit einer landwirtschaftlichen Ausbildung (Pferdefachfrau) und als Juristin mit einer langjährigen Erfahrung in der Strafuntersuchung ausgestattet, leite ich diesen Kompetenzbereich und führe zusammen mit fünf weiteren Mitarbeitenden Strafuntersuchungen im Bereich des Tierschutzes durch.
Zu der grössten Herausforderung innerhalb der Strafuntersuchung der Tierschutzdelikte gehört die Beweisführung, denn Tiere als «Opfer» können zwangsläufig nicht befragt werden. Zudem fehlen tierärztlich und insbesondere strafprozessrechtlich ausgebildete Gutachterinnen und Gutachter, die über die Entstehung von Verletzungen oder Todesursachen gerichtsverwertbare Angaben machen können.
Ebenso herausfordernd ist der Umstand, dass im Strafverfahren andere Prozessgrundsätze gelten als im Verwaltungsverfahren bei den Veterinärämtern. Während sich im Strafverfahren niemand selber belasten muss, fordert das Verwaltungsverfahren eine aktive Mitwirkung der beteiligten Parteien. Dies stellt einen Konflikt dar, wenn ein Sachverhalt – was im Bereich des Tierschutzes meistens der Fall ist – sowohl verwaltungsrechtliche als auch strafrechtliche Elemente aufweist.
Es ist naheliegend, dass Tiere ihre eigenen rechtlich geschützten Interessen im Bereich der Tierschutzgesetzgebung nicht selber wahrnehmen können. Die Übernahme dieser Aufgabe innerhalb des Kompetenzbereiches Tierschutz der Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft erscheint vor diesem Hintergrund äusserst wichtig und ist für die Mitglieder unseres Kompetenzbereichs auch sehr zufriedenstellend.
Im Bereich des Tierschutzes ist die Zusammenarbeit zwischen den mit dem Tierschutz befassten Behörden äusserst positiv. Während einerseits die Strafverfolgungsbehörden in die Vergangenheit gerichtete Tierschutzwiderhandlungen ahnden, liegt der Fokus bei den kantonalen Veterinärämtern bei der Wiederherstellung des Tierwohls. Die Interessenwahrnehmung misshandelter Tiere kann damit im Rahmen einer umfassenden und Behörden übergreifenden Art und Weise abgedeckt werden.
Nach meinem Dafürhalten ist es für eine Gesellschaft von elementarer Bedeutung, wie das Verhältnis zu Tieren ethisch und rechtlich ausgestaltet wird.
So darf abschliessend an ein Zitat von Mahatma Gandhi erinnert werden:
„Die Grösse und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie die Tiere behandelt.“
___________________________________________________________________
[1] 6B_635/2012 vom 14. März 2024 E. 3.5.
[2] Art. 24 Abs. Verordnung des BLV über die Haltung von Nutztieren und Haustieren