Testimonial 36: Krank in der Massnahme

Aktuell in der Massnahme
«Die ersten beiden Wochen mit einer Arbeitsunfähigkeit sind angenehm. Es ist ein bisschen wie Ferien. Man muss wohl an einem Beschäftigungsprogramm teilnehmen, kann aber dennoch viel liegen, spürt Mitgefühl von Seiten der Mitarbeitenden, das Ganze ist ziemlich stressfrei. Dies ändert sich aber schlagartig, wenn der Heilungsprozess nicht vorwärts geht und die Arbeitsunfähigkeit mehrmals verlängert wird.
Ich hatte eine unangenehme Verwachsung am Rücken, die sich plötzlich zu Beginn der Massnahme entzündete. Nach zahlreichen Abklärungen war alles für eine Operation bereit. Dazu benötigt es in einer Massnahme vieler Zusatzbewilligungen und unzähliger Schreiben. Schliesslich fand der Eingriff ausserkantonal statt. Mein Vater erhielt von der Behörde die Ausnahmebewilligung, mich jeweils mit seinem Auto vom Arxhof ins Spital zu fahren. Wir sind in der Zwischenzeit bereits bei 20 Fahrten! Die Alternative wäre ein Polizeitransport gewesen.
Der Heilungsprozess nach der ersten OP mit Vollnarkose verlief nicht wie gewünscht. Mitarbeitende der Spitex mussten täglich die Wunde säubern. Nach 4 Monaten Arbeitsunfähigkeit und der Aussicht, dass es eine zweite Operation braucht, war ich am Ende meiner Geduld. Dies war ein regelrechter Tiefpunkt. Die zweite OP war nicht sofort möglich, da ich noch Pfeiffersches Drüsenfieber bekam. Also eine weitere Arbeitsunfähigkeit! Dann endlich das ganze Prozedere wieder von vorne. Eine zweite OP. Wird es nun diesmal gut gehen? Erneut hatte ich eine zweimonatige Arbeitsunfähigkeit. Die Spitex versorgte weiterhin geduldig die Wunde.
Wenn man krank in einer Massnahme ist, geht die Zeit noch langsamer vorbei. Man fühlt sich so nutzlos, stockt in der Ausbildung, kommt nicht weiter in der Behandlung, kann keinen Sport treiben, sich nicht abreagieren, ist schnell gereizt, unzufrieden und sieht alles Schwarz!
Ich habe einige schockierende und traurige Biographien gelesen. Das Leben von Christiane F. zum Beispiel, als 14jährige heroinsüchtig und Drogenprostitutierte. Oder die Geschichte von Murat Kurnaz, der ohne Anklage 5 Jahre im Gefangenenlager von Guantanamo verbringen musste. Diese Schicksale haben mich getröstet. Jetzt schaue ich verhalten positiv in die Zukunft und hoffe, dass der Albtraum «Arbeitsunfähigkeit» nun bald vorbei ist.»