Testimonial 30: HIV – was ist das?

Austrittsjahr: 1986
«Als ich 1982 mit 16 Jahren in die Massnahme eintrat, hatten sozusagen alle (bis auf 3) grosse Drogenprobleme. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie wir dann alle in den Plenarsaal einberufen wurden und wir eine Information zum Thema «HIV» erhielten. Wir hatten keine Ahnung, was das war. Sofort machte sich Angst breit. Wir mussten alle einen Bluttest abgeben. Als dann die Resultate vorlagen, wurden wir einzeln zum Gespräch vorgeladen. Dort erfuhren wir, ob wir «positiv» oder «negativ» auf HIV waren. Es wurden keine Namen öffentlich genannt, aber in den Gesichtern konnte man nur zu deutlich lesen, wer positiv war. Panik brach aus, wir benutzen ja alle die gleichen Duschen und Toiletten. Wie war es mit Berührungen? Wir sassen doch gemeinsam am Tisch bei den Mahlzeiten, und beinahe alle waren drogenabhängig und gehörten zur Risikogruppe! Die Krankheit war so neu, wir alle waren überfordert und verunsichert. Die Beruhigungsbemühungen der Betreuenden waren gut gemeint, nützten aber nicht wirklich. Zahlreiche Eingewiesene ergriffen darauf die Flucht. Es war brutal zu wissen, dass man zum Beispiel 4 Jahre Massnahme hinter sich hatte und dann positiv auf HIV getestet wurde, anno dazumal ein klares Todesurteil.
Während meiner 5 Jahren in der Massnahme verstarben einige Kollegen. Zwei Mitarbeitende hatten Selbstmord begannen. Es war eine verdammt harte Zeit. Aber für mich war es gerade das richtige. Es war meine Chance und ich hatte sie ergriffen. Und ich habe es geschafft! Es gab für mich so wichtige prägende positive Beziehungen zu Eingewiesenen und Mitarbeitenden. Ich habe unglaublich viel fürs und vom Leben gelernt.»