Testimonial 14: Der Wurf der Münze

Austrittsjahr: 2015
«Nach zwei Jahren auf dem Arxhof befand ich mich in einer riesigen Krise. Ich hatte wieder ein Delikt begangen und wurde dafür in den Arrest gesteckt. Meine Behörde stellte mich danach vor die finale Entscheidung und gab mir 10 Tage Bedenkzeit. Entweder würde ich den Arxhofweg weiter gehen, mit unbekannter Dauer, unzähligen Stolpersteinen, oder ich würde die Reststrafe absitzen und danach sofort nach Portugal ausgeschafft.
Was für eine Entscheidung! Mit 10 Jahren kam ich in die Schweiz, ohne Deutschkenntnisse, mitten in einem kalten Winter, «grün hinter den Ohren». 12 Jahre später musste ich mich entscheiden, in der Schweiz zu bleiben und eine Massnahme durchzuziehen oder wieder zurück zu gehen und meine Familie hier zu lassen.
Die 10 Tage verstrichen. Ich war nicht schlauer, ich konnte mich nicht entscheiden. Am Abend vor dem Telefon an die Behörde verklebte ich eine Münze auf der einen Seite «blau», auf der anderen Seite «weiss» - die Farben des FC Porto. Einem Kolleg sagte ich, er solle definieren, was «blau» oder «weiss» bedeute, ich wollte es nicht wissen. So warf ich die Münze. Die weisse Seite war oben. Adrenalin pur! Ich ging zu Bett, versuchte zu schlafen. Es war abgemacht, dass der Kollege erst kurz vor dem Telefon mit der Behörde mir sagen würde, was «weiss» nun bedeutete.
Mittwochmorgen. Ein paar Minuten vor dem Telefonanruf. Mein Kollege meldete mir, dass «weiss» bedeutete, die Massnahme auf dem Arxhof durchzuziehen. Ich rief die Behörde an. Ich habe diese schicksalshafte Entscheidung nie bereut.
Meine Entlassung fand drei Jahre später an einem 1. August statt. Was für ein schöner Zufall! Der Münzenwurf hat sich für die Schweiz entschieden, und ich wurde am Nationalfeiertag der Schweiz entlassen!»