Bettagsmandat 2014

Man könnte den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag als alten Zopf abtun. Nur würde das wohl viel zu kurz greifen. Und würde vor allem den Erst-Welt-Egoismus zementieren. Wir sitzen zwar alle fast jeden Abend vor dem Fernseher und schauen mit Entsetzen aus unserer guten Stube in die Abgründe dieser Welt: Seuchen, Katastrophen, Völkermord und Krieg.

Anschliessend gehen wir in den Ausgang, an ein Fest, ins Kino. Oder wir überlegen uns, was wir kochen wollen; machen uns Gedanken, wohin es denn in die Ferien gehen soll. Oder wir stören uns an der Belanglosigkeit des aktuellen Fernsehprogramms. Die Liste dieser Erst-Welt-Probleme liesse sich ohne Fantasie unendlich fortsetzen.

Und da hakt nun dieser staatlich verordnete Feiertag ein. Es ist zwar ein Sonntag, der dritte im September. In den allermeisten Fällen wird der Sonntag für Besuche, zum Aufarbeiten von Pendenzen, zum Ausschlafen oder einfach zum "Chillen" genutzt.

An diesem Sonntag könnte man aber auch einmal etwas in sich gehen. Nicht stundenlang, aber doch etwas. Und sich bewusst sein: Ich drücke auf den Lichtschalter - und es leuchtet. Ich drehe am Wasserhahn - und kann das Wasser bedenkenlos trinken. Ich kann frei und ziemlich ohne Risiko wählen, ob ich weg fahren will, wann ich wohin gehen möchte.

Klar, eine defekte Kaffeemaschine ist kein guter Start in den Morgen. Eine zu spät zugestellte Zeitung nervt. Das Internet, das vorübergehend nicht funktioniert, macht im ersten Augenblick hilflos. Aber ist das wirklich existenziell?! An einem Tag wie dem Bettag wäre es angebracht, all diese und noch viele weitere Erst-Welt-Probleme zu reflektieren und vor allem auch zu relativieren!

Etwas mehr Gelassenheit würde vielen von uns gut anstehen, Gelassenheit im Umgang miteinander, Gelassenheit im Umgang mit vermeintlichen Problemen. Und mit etwas mehr Gelassenheit würde wohl auch die Toleranz erhöht, die Fehlertoleranz, die Toleranz gegenüber Anderem, Fremdem, Unbekanntem.

Den Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag kann jede und jeder für sich begehen, zu einem Zeitpunkt und in einer Umgebung, die dann halt grad passt. Wir vergeben uns nichts, wenn wir uns wieder einmal aktiv bewusst werden, dass es uns - bei allem Respekt für jedes individuelle Schicksal - eigentlich doch gut geht.

Das wird uns auch etwas den Blickwinkel verändern, wenn wir das nächste Mal aus sicherer Distanz, aus der warmen Stube, wieder in einen dieser Abgründe irgendwo auf unserer Welt schauen.